Der Preis ist heiß!
1.489,99 EUR für ein Reiserad bzw. Bikepacking-Gravelbike? Der Preis ist heiß, für das Decathlon Riverside Touring 920* … und schlecht sieht es auch nicht aus …
Zum „Aber“ kommen wir weiter unten.
Ach ja, bestellbar ist es momentan (noch?) nicht.
Was Decathlon sagt
Nach einem 4-jährigen Entwicklungsprozess, der Rücksprache mit hunderten von Radreisenden und Praxistests auf 500.000 km können wir euch versichern, dass dieses Fahrrad geeignet ist, euch durch die wildesten Abenteuer zu begleiten!
Quelle: Decathlon
Rahmen und Gabel
Das Riverside Touring 920 des französischen Sportdiscounters kommt, wie zu diesem Preis nicht anders zu erwarten, mit einem Aluminium-Rahmen. Die Franzosen verwenden statt einer üblichen 7000er Legierung (7005 oder 7020) eine 6061er.
Ob es dafür Gründe gibt, oder der Verfügbarkeit geschuldet war, kann ich nicht sagen. 7000er Aluminiumlegierung klingt in den Ohren der meisten Kunden etwas hochwertiger. Hauptunterschied ist allerdings die Festigkeit. 7000er Aluminium ist etwas fester als 6061er. Und wenn ich „fest“ sage, wird sich manch einer erinnern, wie bockhart früher manch Alurennrad war.
Aber vielleicht ist 6061 bei Bikepacking-Rahmen die besser Wahl, wenn es schon Alu sein soll. Schließlich ist die so genannte „Bruchdehnung“ beim 6061er höher. Im Schadensfall verformt sich das Rohr nämlich ein wenig mehr, bevor es bricht. Man hat also etwas mehr Sicherheit.
Der Rahmen des Riverside besticht durch eine interne Kabelführung, allerdings nur im Bereich des Unterrohrs. In diesem Preissegment ist das nicht unbedingt zu erwarten. Top!
Die Gabel des Bikepackingrads ist aus Carbon. Im Gegensatz zum Rahmen werden Hydraulikleitung zur Vorderbremse und Stromkabel extern an der Gabel entlang geführt. Das ist zu verschmerzen, sieht aber wenig elegant aus.
Bei der Gepäckbefestigung spielt das Riverside Touring in der Championsleague! Insgesamt 33 Inserts bzw. Ösen sind an Rahmen und Gabel zu finden:
Im Rahmendreieck befinden sich insgesamt sieben Stück. Zwei Ösen am Sitzrohr und drei auf dem Unterrohr erlauben das flexible Befestigen von Flaschenhaltern. Hinzu kommen zwei Ösen unter dem Unterrohr. Auch dort könnte ein Flaschenhalter oder anderes Zubehör verschraubt werden. Allerdings kann man sich auch vorstellen, mit diesen sieben Ösen eine Rahmentasche zu verschrauben, die das ganze Rahmendreieck ausfüllt. Man könnte also ganz ohne Riemen auskommen, die beim Bikepacking gerne den Lack des Rahmens aufscheuern. Ob es solche Taschen gibt? Da bin ich nicht der Experte. Aber es gibt Hersteller, die Rahmentaschen nach individuellen Vorgaben fertigen. Warum also nicht?
Lackschonung gilt auch für das Oberrohr. Auch dort finden sich oben zwei Ösen. Hier können so genannte Bolt-on Oberrohrtaschen verschraubt werden, wie bspw. die Apidura Racing Bolt-On.
Zwei Ösen befinden sich unter dem Unterrohr, gerne benutzt für eine zusätzliche Wasserflasche. Weiteres Gepäck kann links und rechts an den Sitzstreben und an jeder Seite der Gabel befestigt werden.
Die Befestigung von Gepäckträgern und Schutzblechen (wer welche braucht) ist ebenfalls gegeben.
Das Decathlon Riverside Touring 920 gibt es in vier verschiedenen Größen – S, M, L und XL. Das ist leider wenig.
(c) Decathlon (c) Decathlon (c) Decathlon (c) Decathlon
Laufräder und Reifen
Das Decathlon Riverside Touring 920 rollt serienmäßig auf 29-Zoll Laufrädern mit 12mm Steckachsen der mir bisher unbekannten Marke „Sun Ringle“. Das Modell Duroc 30 hat eine 30er Außen- und 26er Innenweite und ist mit 32 Speichen gespeicht. Die Felgen sind Tubeless Ready und Decathlon liefert ein Umrüstkit mit. So können die Schwalbe Thunder Burt in 2,25er Breite sofort umgerüstet werden. Das ist nicht schlecht.
Lenker und Vorbau
Wie es sich für ein Bikepacking-Gravel-Bike gehört, ist das Riverside mit einem Dropbar-Lenker ausgestattet. Das ermöglichst mehr Griffpositionen als bei einem Flatbar-Lenker, den ich eigentlich bei einem Rad erwartet hätte, das die Bezeichnung „Touring“ trägt.
Bei Größe S ist der Lenker bereits enorme 58 cm breit. Alle anderen Rahmengrößen kommen mit einem 64er Lenker. Für mich, der aus der Rennrad-Ecke kommt, wäre das zu viel. Aber vielleicht ist das auch einfach Geschmacksache. Außerdem geben breitere Lenker etwas mehr Sicherheit, auch beim Fahren mit Lenkertasche. A propos Lenkertasche: je breiter der Lenker, desto mehr Tasche passt dazwischen.
Zusätzlich zum breiten Lenker sind die Enden um 24° nach außen gestellt. „Flare“ nennt sich das. Im Unterlenker packt man deshalb etwas breiter als an den Höckern. Außerdem liefert das Flare noch mehr Platz für die Lenkertasche. Aber gibt es so breite Lenkertaschen überhaupt?
Der Abstand zwischen Ober- und Unterlenker, Drop genannt, fällt bei dem verbauten Lenkermodell relativ groß aus. 124 mm (bzw. 115,5 mm bei Rahmengröße S) finde ich für ein Bikepacking-Rad zu viel.
Die Länge, Reach, des Lenkers ist mit 52,6 mm hingegen relativ kurz. Damit (und mit kurzen Vorbauten) gleicht Decathlon die leider sehr gestreckte Geometrie des Rahmens aus. Bei Rahmengröße S wird lediglich ein 60 mm kurzer Vorbau verwendet. Größe M kommt mit 70 mm daher, Größe L mit 80 mm und Größe XL mit 100 mm.
Was ich von dem Lenker halten soll? Interessant. Dennoch wäre der Lenker vermutlich das erste, was ich am Riverside Touring 920 austauschen würde.
Sattel
Nicht austauschen würde ich den Sattel. Decathlon spendierte dem Riverside den Brooks C15 Cambium Carved Allweather* Sattel, der dem Spitzenmodell der Briten, dem C13, ähnelt. Viele Bikepacker fahren Brooks Allweather Modelle, u.a. auch Jonas Deichmann. Im Endeffekt ist natürlich jeder A… anders. Aber ich vermute, dass viele Fahrer mit dem Sattel Freude haben werden.

Stromversorgung
Im Vorderrad ist ein Nabendynamo verbaut. Keiner von SON, aber ein Shimano Deore XT. Der taugt sicherlich zum Aufladen von Mobiltelefon oder GPS-Radcomputer während der Fahrt über den im Vorbau integrierten USB-Port Cycle2Charge. Sowas kommt mir für die neue Saison auch ans Rad, nur von SON.
(c) Decathlon (c) Decathlon
Antrieb
Auch hier gibt es eigentlich nichts zu meckern, wenn man davon absieht, dass es keine Shimano GRX ist. 😉
Decathlon setzt beim Riverside auf die mechanische SRAM Rival 1×11. Die Produktbeschreibung im Decathlon-Shop erwähnt zwar eine „Hydraulische Schaltgruppe Sram Rival“. Hydraulische Schaltungen gibt es aber nur bei Rotor. Die SRAM Rival schaltet mechanisch.
Ausgerüstet ist der Antrieb mit einer 10-42er Kassette und einem 32er Kettenblatt. Für Bikepacking und Radreise mag das o.k. sein. Allerdings braucht es schon eine 100er Trittfrequenz um 40 km/h fahren zu können.

Ich hätte stattdessen lieber eine 2x Schaltung. Mit der hat man eine engere Abstufung und gleichzeitig mehr Bandbreite, v.a. bei der Shimano GRX mit 17 Zähnen Unterschied bei den Kettenblättern.

Eine 2fach-Schaltung würde sich natürlich im Preis des Decathlon Riverside Touring 920 niederschlagen.
Bremsen
Die mechanische Schaltgruppe SRAM Rival ist mit hydraulischen Scheibenbremsen ausgestattet. Auf den Produktfotos des Riverside sieht es so aus, als wären 160 mm Bremsscheiben verbaut. Das ist in den allermeisten Fällen ausreichend, nicht aber bei hohem Gesamtgewicht (max. 170 kg – s.u.) und langen Abfahrten, befürchte ich.

Gewicht und maximales Gesamtgewicht
In Größe L wiegt das Riverside satte 12,9 kg. Das ist nicht wenig, aber zu dem Preis ist Leichtbau kaum zu erwarten. Außerdem ist sind 2 kg plus oder minus beim Fahren mit Gepäck auch schon wieder egal.
Interessant ist das zulässige maximale Gesamtgewicht, das Decathlon für Rahmen und Gabel angibt: 170 kg als Summe von Fahrer, Fahrrad und Gepäck. Das ist eine ganze Menge. Allerdings bin ich mir nicht sicher, ob die 160er Bremsscheiben eine Abfahrt mit 170 kg Gesamtgewicht lange überleben würden und ob die Laufräder für 170 kg frei gegeben sind. Eher nicht. Die 170 kg sind also eher mit Vorsicht zu genießen.
Geometrie
Hier kommt mein großes Aber!
Dass es beim Decathlon Riverside Touring 920 nur vier Größen gibt, hatte ich bereits oben erwähnt. Aber dass das Rad fast nur in der Höhe wächst, ist seltsam.
Schauen wir uns zunächst die Stack-Werte an.
Stack ist per Definition die Höhe gemessen vom Tretlager senkrecht nach oben, bis zum oberen Ende des Steuerrohrs. Achtung: Decathlon misst in der u.a. Darstellung anders. Die angegebenen Stack-Werte (J) werden von der Höhe der Achsen gemessen. Um einen Stack-Wert zu erhalten, der mit anderen Herstellen vergleichbar ist, muss bei der Decathlon-Darstellung G (Tretlagerabsenkung) zum Wert J hinzugerechnet werden. 54 mm extra heißt, dass der Rahmen in S bereits einen (eigentlichen) Stack von 628 mm hat; M = 656 mm, L = 677 mm und XL = 696 mm. Wer etwas sportlicher sitzen will, sollte im Zweifel zur nächst kleineren Größe greifen.
Problematisch – und das ist mein Kritikpunkt – ist der Wert B, also Reach. Mit Reach bezeichnet man den waagerechten Abstand zwischen Tretlager und oberem Ende des Steuerrohrs. Je Länger der Reach ist, umso gestreckter ist die Geometrie. Bereits in Größe S weißt der Rahmen einen Wert von 410 mm auf. Das ist eigentlich zu lang bzw. zu gestreckt für diese Rahmengröße. Menschen mit langem Oberkörper und kurzen Beinen (Sitzriesen) werden damit wohl glücklich. Aber Langbeiner (Menschen mit langer Schrittlänge und verhältnismäßig kurzem Oberkörper) sind schlecht bedient. Notbehelf: Man verbaut einen extrem kurzen Vorbau. Zu diesem „Bauerntrick“ greift Decathlon und verbaut zum Ausgleich des Reach einen nur 60 mm kurzen Vorbau.
Interessant ist, dass der Reach bei Größe M nur um einen einzigen Millimeter zunimmt. Bei Größe L kommen nur weitere 3 mm drauf.
Lediglich beim Sprung von L zu XL sind 9 mm Unterschied zu verzeichnen. Um den geringen Reach-Zuwachs auszugleichen, wächst der Vorbau bei jeder Größe um 10 mm.
Dennoch werden Langbeiner in der Regel etwas zu gestreckt sitzen, es sei denn man greift noch einmal beim Vorbau ein. Aber wie kurz soll er noch werden? Schließlich wird das Fahrverhalten nervöser, je kürzer der Vorbau ist.
Übrigens sollte niemand auf die Idee kommen, einen zu langen Rahmen durch eine Sattelstütze mit weniger oder keinem Versatz auszutauschen. Ggf. sitzt man dann nicht mehr optimal hinter dem Tretlager. Aber das ist ein anderes Thema, zu dem ich u.a. diesen Artikel empfehle.

Fazit
Vom Preis her ist das Decathlon Riverside Touring 920 „hot“. Wem die 1x-Schaltung zusagt kann hier zugreifen – aber Vorsicht, wenn man Langbeiner ist; dann lieber „not“. Wer Interesse hat, sollte schnell sein. Solche Räder sind bei Decathlon in der Regel schnell ausverkauft, werden zwar im Online-Shop gezeigt, sind aber dann lange nicht verfügbar.

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I hols mir glaub
sold out everywhere! 🙁
Hallo Claude,
ich habe mit großem Interesse deinen Beitrag zum Decathlon Riverside 920 gelesen. Danke dafür!
Darin verweist du auf die Problematik, dass „Langbeiner“ selbst am XL keine Freude haben dürften. Wie verhält es sich aus deiner Sicht bei Langbeinern, die aber auch lange Arme haben? Dürfte das nicht wiederum die Problematik relativieren?
Ich bin 2,07m groß und erwarte mit Spannung die nächstes Charge an 920ern. Mein Canyon Grail CF in XXL möchte ich verkaufen, da es mir zu wenig bikepackingtauglich ist und stattdessen auf das 920 umsteigen. Hälst du das für einen klugen Schritt?
Danke und Grüße
Hi Eike, wenn ein Langbeiner auch überproportional lange Arme hat (habe ich nicht), gleichst sich das aus. Ich bin gespannt, was Du erzählen wirst, wenn Du es hast.