Neue Regeln, härtere Strafen und teilweise Verbesserungen für Radfahrer, Fußgänger etc.
Die Änderungen zur StVO treten in Kraft. Die wichtigsten, die uns Radfahrende betreffen, sind hier zusammen gefasst. Achtung: Härtere Strafen gelten auch für Radfahrer, auch wenn wir von Verbesserungen profitieren.
Inkrafttreten
Die Änderungen der StVO, momentan als „StVO-Novelle“ bezeichnet, treten am Dienstag, dem 28.4.2020 in Kraft, nachdem die 54. Verordnung zur Änderung straßenverksrechtlicher Vorschriften am 27.4.2020 im Bundesangesetzblatt (Nr. 19) veröffentlicht wurde.
Wichtig ist das Datum 28.4.2020 deshalb, weil in Deutschland das Tattagsprinzip gilt. Heißt, ein Rechtsverstoß wird immer nach dem Recht geahndet, das am Tag des Verstoßes galt.
Änderungen und Klarstellungen zur Stärkung des Radverkehrs
In der Tag ändert sich für Radfahrende einiges, was die Autolobby hyperventilieren lässt. So ist bspw. auf focus.de in einem Artikel des Ressort „Auto“ folgende Überschrift zu lesen: „Radfahrer werden stark bevorzugt“.
Von einer starken Bevorzugung zu reden, nur weil der Radverkehr gestärkt werden soll, geht aber zu weit und macht subtil Stimmung gegen Radfahrende.
Das Nebeneinanderfahren – eine Klarstellung
In dem o.a. Focus-Artikel wird u.a. herausgestellt, dass Fahrradfahrer jetzt ausdrücklich nebeneinander fahren dürfen, sofern sie den Verkehr nicht behindern.
In Wirklichkeit ändert sich nichts. Schon vor Inkrafttreten der Novelle durfte man nebeneinander fahren, wenn andere Verkehrsteilnehmer nicht behindert wurden. Die Novelle hat das lediglich klar gestellt.
alt
Mit Fahrrädern muss einzeln hintereinander gefahren werden; nebeneinander darf nur gefahren werden, wenn dadurch der Verkehr nicht behindert wird.
§2, Absatz 4 StVO in der bis zum 27.4.2020 gültigen Fassung
neu
Mit Fahrrädern darf nebeneinander gefahren werden, wenn dadurch der Verkehr nicht behindert wird; anderenfalls muss einzeln hintereinander gefahren werden.
Geänderter §2, Absatz 4 StVO, in der ab 28.4.2020 gültigen Fassung
Bleibt zu hoffen, dass wir Radfahrende uns mit dem neuen Bewusstsein des Erlaubten nicht verzocken. Nach wie vor gibt es Situationen, in denen nicht nebeneinander Gefahren werden darf. Mehr dazu findest Du hier.
Die Abstandsregel
Auch eine Abstandsregel gab es schon. Beim Überholen, so hieß es, muss ein ausreichender Seitenabstand zu anderen Verkehrsteilnehmern, insbesondere zu den zu Fuß Gehenden und zu den Rad Fahrenden sowie zu den Elektrokleinstfahrzeug Führenden, eingehalten werden. Unter „ausreichend“ galt vor Gericht schon länger 1,50 Meter. Die Abstandsregel ist also nicht neu, war vielen bisher aber nicht präsent genug.
Nun ist es konkret!
Beim Überholen muss ein ausreichender Seitenabstand zu den anderen Verkehrsteilnehmern eingehalten werden. Beim Überholen mit Kraftfahrzeugen von zu Fuß Gehen- den, Rad Fahrenden und Elektrokleinstfahrzeug Führenden beträgt der ausreichende Seitenabstand innerorts mindestens 1,50 m und außerorts mindestens 2 m. An Kreuzungen und Einmündungen kommt Satz 3 nicht zur Anwendung, sofern Rad Fahrende dort wartende Kraftfahrzeuge nach Absatz 8 rechts überholt haben oder neben ihnen zum Still- stand gekommen sind.
§5, Absatz 4, Satz 3, 4 und 5 StVO, in der ab 28.4.2020 gültigen Fassung
Wichtig ist der Hinweis, dass die Abstandsregel an Kreuzungen und Einmündungen nicht zur Anwendung kommt, wenn Radfahrende wartende Kraftfahrzeuge rechts überholt oder neben sie gefahren sind. Das sollte wir nicht vergessen!
Wie sieht es aber aus, wenn ein Radfahrer zuerst an der Kreuzung oder Einmündung stand und ein Kfz stellt sich daneben oder dahinter? Nach meiner Interpretation müsste dann die Abstandsregel gelten. Darauf anlegen würde ich es aber nicht. Auch ist für mich die Frage offen, für wie viele Meter die Abstandsregel nach dem Anfahren aufgehoben ist, wenn man vorher ein stehenden Kfz rechts überholt hat. Das werden dann wohl wieder Gerichte entscheiden.
Jedenfalls freut es mich, dass die neue, konkrete Abstandsregel in den Medien diskutiert wird. Dadurch wird sie bekannt und es werden vermutlich mehr Auto- und LKW-Fahrer daran denken.
Falls nicht – und das ist eine der Schwächen der StVO-Novelle – wird nach bekannten Sätzen bestraft, die leider nicht angehoben wurden. Bei Park- und Tempoverstößen sieht das ja anders aus.
Neues Schild: Überholverbot von Zweirädern
Neben der konkretisierten Abstandsregel wird ein Verkehrszeichen eingeführt, dass das Überholen von Zweirädern verbietet. Das sollte immer dann zum Einsatz kommen, wenn innerorts 1,50 oder außerorts 2 Meter nicht eingehalten werden kann. Eigentlich müsste es dann vor jeder Verkehrsinsel stehen.
Grünpfeil-Schild für Radfahrer
Ein Überbleibsel der DDR, was bisher aber nur für Kfz galt und nahezu verschwunden war, ist die Grünpfeilregelung. Bei vorhandenem Schild darf man bei roter Ampel trotzdem nach rechts abbiegen, wenn man die Vorfahrt achtet.
Das BMVI hat dafür ein neues Schild entworfen, das exklusiv für Fahrradfahrer gilt. Sinn macht es. Ich bin aber gespannt, wie lange es dauert, bis die ersten Schilder aufgestellt werden.
Jedenfalls werden Rotlichtverstöße durch Radfahrende, bei flächendeckender Beschilderung, legalisiert, was mittelfristig zu einem entspannteren Nebeneinander führen wird. Schließlich nimmt es den motorisierten Freizeit-Sherrifs einen Grund, gegen „Kampfradler“ zu wettern.
Parken auf Geh- und Radwegen und das Halten auf Schutzstreifen
55 EUR werden fällig, wenn auf Geh- und Radwegen geparkt, oder auf Schutzstreifen gehalten wird. Kommt Gefährdung hinzu, sind es 70 EUR und ein Punkt in Flensburg.
Radfahrende sollten ihr Smartphone griffbereit haben. Durch Benutzen der Wegeheld-App kann man nun wirklich was tun. Die Ordnungsämter wird es freuen, weil dadurch vernünftig Geld in die Kasse kommt, und jeder Angezeigte wird sich bei nächster Gelegenheit dreimal überlegen, ob er das Vergehen riskiert.
Übrigens machen Schutzstreifen mehr Sinn, sobald sich das Halteverbot rumgesprochen hat. Bisher sind die meisten Fahrradfahrer der Ansicht, man könne genauso gut darauf verzichten, weil man mit ihnen genauso gefährdet ist. Aber ggf. ändert sich auch das, wenn sich die Abstandsregel eingebürgert hat.
Schrittgeschwindigkeit für LKW beim Abbiegen
So genannte Abbiegeunfälle, bei denen Radfahrende unter die Räder eines rechts abbiegenden LKW geraten, enden meist tödlich. Deshalb müssen solche Unfälle verhindert werden. Abbiegeassistenzsysteme sind in Europa offenbar nicht durchsetzbar. Dafür sorgt die Spediteurs-Lobby. Spiegel alleine reichen nicht. Manchmal fehlt es auch an der Aufmerksamkeit des LKW-Fahrers. Deshalb ist die neue Regelung sehr zu begrüßen.
Diese besagt, dass Fahrzeuge über 3,5 Tonnen Gesamtmasse, die innerorts rechts abbiegen, auf Straßen, wo mit Rad- oder Fußverkehr zu rechnen ist (also eigentlich überall innerorts), nur noch mit Schrittgeschwindigkeit abbiegen dürfen. Schrittgeschwindigkeit ist nach meinem Wissen mit 7 bis 11 km/h definiert, wobei das letztendlich auch die Gerichte entscheiden werden, sobald es mehr als 7 km/h waren.
70 EUR und einen Punkt in Flensburg gibt es, falls schneller gefahren wird. Ich bin gespannt, wie sich das einspielt, zumal mit der Ungeduld dahinter fahrender Kfz-Führer zu rechnen ist.
Parkverbot an Kreuzungen und Einmündungen
Waren es bisher fünf, sind es jetzt acht Meter Abstand, die eingehalten werden müssen. Das erhöht nicht nur die Sichtbarkeit von Radfahrenden sondern man kann als Radfahrer den Gefahrenbereich selbst besser und früher einsehen. Das klappt aber nur da, wo im Kreuzungs- oder Einmündungsbereich keine Schilder oder Schaltkästen die Sicht versperren. Über dieses Problem sollte so manche Kommune zusätzlich nachdenken.
Radfahren auf dem Gehweg
Das wird teuer! 55 EUR werden fällig, falls man auf einem nicht für den Radverkehr frei gegebenen Gehweg Fahrrad fährt. Bis zu 100 EUR werden es bei Gefährdung. Ich hoffe, dass das wirkt. Manch Fußgänger fühlt sich auf schmalen Gehwegen von Radfahrern bedroht. Das kann ich verstehen. Wer trotzdem auf dem Bürgersteig fährt (in der Dämmerung oft ohne Beleuchtung), schürt Aggressionen gegen Radfahrende. Das muss nicht sein. Sollen die Fußgänger lieber unsere Freunde sein.
Das klingt alles gut, für uns Radfahrer. Nur leider ist der Mensch ein „Gewohnheitstier“ und bis sich die Änderungen in den Köpfen der Autofahrer eingeprägt haben, dauert es mir zu lange. Der Kampf auf der Straße wird weitergehen. Und über die 8 Meter Abstand zum Kreuzungsbereich kann ich nur lachen. Selbst die 5 Meter werden nicht eingehalten, wenig kontrolliert. Bzw. haben wir eine Kreuzung in der die 5 Meter mit einem absoluten Haltverbot gekennzeichnet sind (beidseitig). Mangels Parkraum interessiert das manche Autofahrer nicht.
Wie verhält es sich mit einem parkenden Polizeiauto auf dem rot abgetrennten Radweg? Es war kein Signallicht eingeschaltet. Ist das erlaubt?
Vielleicht müssen wir Radfahrer uns gedanklich mal von dem Begriff „Kampf auf der Straße“ lösen. Das ist ja immer auch eine selbst erfüllende Prophezeiung, irgendwie.
Ich merke schon, dass mancher momentan mit mehr Abstand überholt. Leider wird es aber immer Ausnahmen geben.
Dort wo falsch geparkt wird, kann man mit der Wegeheld-App selbst tätig werden. Die klammen Kommunen freut es.
Welches Polizeiauto meinst Du? Auf welchem Bild
Ich löse mich gerne von dem Begriff „Kampf auf der Straße“. Fakt ist aber, dass mehr als 50 Prozent der Autos zu knapp an mir vorbeifährt. Und in den letzten Tagen bin ich einige Runden gefahren. Es sind also aktuelle Fälle. Mehr als ganz rechts des Fahrstreifens fahren kann ich nicht machen. Leider hilft mir da so ein Gesetz auch nichts, wenn ich durch diese Autofahrer verunfalle.
Es bleibt beim Motorrad- und Fahrradfahren gleich: Man lernt den Verkehr und die anderen Teilnehmer anders einzuschätzen. Wenn man dann selbst im Auto sitzt, verhält man sich entsprechend und hält Abstand oder überholt nicht, wo es nicht passt. Ohne es zu wissen, glaube ich, dass Autofahrer, die sich nicht an die Regeln beim Überholen, oder Parken halten, wenig bis gar nicht selber Radfahren.
Das Beispiel mit dem Poizeiauto kommt von mir und einem Erlebnis vor wenigen Tagen in meiner Stadt.
Mit zu wenig seitlichem Abstand wird man vor allem überholt, wenn man zu weit rechts fährt. Die Rechtsprechung sieht einen Abstand von 0,8-1,2m vom rechten Fahrbahnrand vor. 2 m rechts des Mittelstreifens reicht für den Überholabstand aus.
Erst mal danke fur die kompakte Zusammenenfassung. Da weiß man, auf was man sich einlässt 🙂 Was die 1,50 Mindestabstand betrifft, ist das m.E. nur fürs Schaufenster und völlig wirklichkeitsfremd. Rechnet man den Abstand zum rechten Rand der Fahrbahn hinzu, kommt man auf 2,80 Gesamtbreite. Plus überholendem Kfz und dessen erforderlich Abstand zum anderen Straßenrand macht das 5,60. Addiert man dann noch den üblichen Flächenverbrauch durch beidseitig parkende Kfz, läuft die Regel innerorts faktisch auf ein Überholverbot hinaus. Für das mitunter verkrampfte Verhältnis zwischen Auto- und Radfahrern sind das keine guten Nachrichten. Für das flüssige Miteinander im innerstädtischen Berufsverkehr (ich fahre in Frankfurt Rad) erst recht nicht.
Wie ist es mit der Abstandsregel bei entgegen kommendem Verkehr !? Es gibt schmale Strassen, da müsste bei einem entgegen kommenden Auto langsam gefahren oder gar gewartet werden. Oft ist der Abstand zum Fahrrad keine 1,5 Meter. Darf das ?
Meines Erachtens ja.
Wie sieht es eigentlich aus mit einem Bußgeldkatalog für Fußgänger? Ich muss immer wieder Heldenhafte Bremsmanöver hinlegen, wenn ein Fußgänger spontan der Meinung ist, er muss jetzt die Straße überqueren und mit Blick auf den Gegenverkehr erstmal blind über den Radweg stolpert, um dann an der Bordsteinkante das erste mal nach links zu gucken? Da kann man sich auch totklingeln auf dem Rad, das wird gar nicht gehört. Und natürlich bin ich es dann, der da rüpelhaft und ohne Rücksicht sein Rad bewegt.
Wenn ich an jedem Fußgänger im Schritttempo vorbeifahren muss oder immer jeden Abstand zu allen einhalten muss, bin ich auf manchen Radwegen in Zukunft nur noch im Schritttempo unterwegs … z.B. wurde von einem Gericht empfohlen, zu parkenden Autos 1 m, besser 1,20 m Abstand zu halten, und zu Fußwegen mind. 80 cm … wenn man diese Marken auf manchen Radwegen markieren würde, würden sich sogar diese Markierungen schon überschneiden.
Da drängt sich dann der Gedanke auf, dass Radfahren sich nicht lohnt, weil kein Geschwindigkeitsgewinn und weil es teilweise per se schon gegen Richtlinien verstößt, ohne dies aktiv zu tun, also doch wieder mit dem Auto in die Arbeit fahren usw.
Ein anderer Punkt: Was ist mit dem teilweisen Parken auf dem Radweg? Z.B. dort, wo der Parkstreifen zwischen Fahrbahn und Radweg ein wenig schmal ist und der geneigte Autofahrer zu faul ist, mit dem Aussteigen zu warten, bis der Berufsverkehr ihm die geeignete Lücke läßt. Also lieber die rechten Räder auf den Radweg stellen, um nun beim öffnen der Tür diese nicht in den Verkehr ragen zu lassen. Genügt das schon für eine Anzeige mit der Wegeheld App?
Zu Deiner letzten Frage: Ja, das reicht eigentlich.
Zu den Fußgängern: Als Radfahrer darf man auch nur so schnell fahren, dass man jederzeit anhalten kann. Sonst wird es eng für einen selbst, auch wenn der Fußgänger einen Fehler gemacht hat.