Update zum Inkrafttreten
Die StVO-Novelle tritt am Dienstag, dem 28.4.2020 in Kraft!
Der Bundesrat hat zugestimmt. Nun kommt sie also, die Scheuer’sche StVO-Novelle, die uns Radfahrer einige Verbesserungen bringt. Gut so und gar nicht mal #beScheuerT!
Mein persönlicher Fokus lag auf der längst überfälligen Festschreibung des Mindestabstands beim Überholen von Fahrrad Fahrenden und der Umformulierung des Absatzes 4, §2 StVO, der das Nebeneinanderfahren von Radfahrern unmissverständlich erlaubt, solange niemand behindert wird.
Dass Fahrradfahrer nicht nebeneinander fahren dürfen ist nämlich ein Irrglaube.
Mit beiden Punkten tat sich der Innenausschuss des Bundesrates schwer und brachte Änderungsanträge ein, obwohl der Verkehrsausschuss für die StVO-Novelle federführend war.
Über diese Benzin getränkten Änderungsvorschläge hatte ich unlängst berichtet und sie als Schlag ins Gesicht jedes Rad Fahrenden bezeichnet. V.a. die Begründung des Antrags gegen die Novellierung von §2, Absatz 4 StVO war haarsträubend.
Beide Änderungsanträge wurden vom Bundesrat abgelehnt, sodass die BMVI-Vorschläge im Zuge der StVO-Novelle Gesetz werden!
Nebeneinanderfahren
alt
Mit Fahrrädern muss einzeln hintereinander gefahren werden; nebeneinander darf nur gefahren werden, wenn dadurch der Verkehr nicht behindert wird.
§2, Absatz 4 StVO in der zum Veröffentlichungsdatum (15.2.2020) gültigen Fassung
neu
Mit Fahrrädern darf nebeneinander gefahren werden, wenn dadurch der Verkehr nicht behindert wird; anderenfalls muss einzeln hintereinander gefahren werden.
Geänderter §2, Absatz 4 StVO, wie am 14.2.2020 durch den Bundesrat zugestimmt
Wie gesagt ändert sich eigentlich nichts. Das Nebeneianderfahren ist und bleibt erlaubt, solange der Verkehr dadurch nicht behindert wird. Aber durch den positiv formulierten ersten Satz wird mit dem Irrglauben aufgeräumt, man müsse einzeln hintereinander fahren.
Mindestüberholabstand
alt
Beim Überholen muss ein ausreichender Seitenabstand zu anderen Verkehrsteilnehmern, insbesondere zu den zu Fuß Gehenden und zu den Rad Fahrenden sowie zu den Elektrokleinstfahrzeug Führenden, eingehalten werden.
§5, Absatz 4, Satz 2 StVO in der zum Veröffentlichungsdatum (15.2.2020) gültigen Fassung
neu
Beim Überholen muss ein ausreichender Seitenabstand zu den anderen Verkehrsteilnehmern eingehalten werden. Beim Überholen mit Kraftfahrzeugen von zu Fuß Gehen- den, Rad Fahrenden und Elektrokleinstfahrzeug Führenden beträgt der ausreichende Seitenabstand innerorts mindestens 1,50 m und außerorts mindestens 2 m. An Kreuzungen und Einmündungen kommt Satz 3 nicht zur Anwendung, sofern Rad Fahrende dort wartende Kraftfahrzeuge nach Absatz 8 rechts überholt haben oder neben ihnen zum Still- stand gekommen sind.
§5, Absatz 4, Satz 3, 4 und 5 StVO, wie am 14.2.2020 durch den Bundesrat zugestimmt
Was heißt das für uns Verkehrsteilnehmer?
Das erlaubte Nebeneinanderfahren und der Mindestüberholabstand hängen zwangsläufig zusammen. Das müssen alle Verkehrsteilnehmer lernen und begreifen – wir Fahrrad Fahrende eingeschlossen! Nur so wird es weniger Stress auf der Straße geben.
Zunächst müssen wir uns bewußt werden, was 1,50 bzw. 2 Meter Abstand bedeutet. Das unterschätzen Auto- und Radfahrer.
Mit Schwimmnudeln am Rad ist das gut zu demonstrieren.
Hier sieht man die Straße vor unserem Haus. Die Fahrbahnbreite beträgt 4,80 Meter. Natürlich fährt kein Radfahrer direkt am rechten Straßenrand, sondern etwas versetzt. Addiert man Abstand des Rads zum Straßenrand, Fahrradbreite und Mindestabstand, ergibt das ca. 2,30 Meter. Somit bleibt vor unserem Haus nur noch 2,50 Meter zum Überholen eines Fahrrads. Pkw sind in der Regel nicht breiter als 2,20 Meter und dürfen deshalb überholen. Ein LKW hingegen hätte Überholverbot.
Für Radfahrer bedeutet eine Straßenbreite von etwa 5 Metern, dass sie hintereinander fahren müssen! Würden zwei Radfahrer auf einer 5 Meter breiten Straße nebeneinander fahren, könnte ein Auto unter Einhaltung des Mindestabstands nicht überholen. Ergo läge eine Behinderung vor.
Das bedeutet innerorts (außerorts + 0,5 Meter):
Bis ca. 4,50 Meter Straßenbreite: Nebeneinanderfahren erlaubt, weil 1,50 Meter Mindestüberholabstand auch beim Hintereinanderfahren nicht eingehalten werden kann. Selbstredend dürfen Autos auch keine einzelnen Radfahrer überholen.
Zwischen ca. 4,50 bis ca. 6 Meter Straßenbreite: Nebeneinanderfahren ist verboten, weil dann Behinderung vorliegt. Hintereinander fahrende Radfahrer dürfen überholt werden.
Ab ca. 6 Meter Straßenbreite: Nebeneinanderfahren ist erlaubt, weil der PKW den Mindestüberholabstand einhalten kann.
Achtung:
Die Meterangaben sind immer in Abhängigkeit der Kfz-Breite zu sehen und hier auf Basis eines überholenden PKW gerechnet.
LKW, Busse etc. sind breiter. Entsprechend gelten dann andere Straßenbreiten, was das Nebeneinanderfahren betrifft. Bspw. läge beim Nebeneinanderfahren auf einer 6,50 Meter breiten Straße eine Behinderung vor, wenn man bspw. einen Bus hinter sich hat.
Darüber hinaus müssen Autofahrer begreifen, dass bei einer einspuriger Straßenführung, bei der die Fahrspuren durch Verkehrsinseln, Bebauung des Mittelstreifens oder durchgezogene Line getrennt sind, ein absolutes Radfahrerüberholverbot gilt.
Das war schon immer so, wird durch die 1,50-Meter-Regel nun aber leichter verständlich.
Komunen sind gut beraten, vom neuen Verkehrszeichen „Überholverbot von einspurigen Fahrzeugen“ großzügig Gebrauch zu machen.
Außerorts, wo die novellierte StVO mindestens 2 Meter Überholabstand vorschreibt, wird das Nebeneinanderfahren öfter erlaubt sein. Schließlich sind Landstraßen in der Regel breiter als 6 Meter. Bei Straßen mit Randstreifen darf die Straße gar etwas schmaler sein, falls einer der Radler rechts von der Fahrbahnmarkierung fährt.
Auf schmalen Wirtschaftswegen wird die 2-Meter-Regel zu einem eindeutigen Überholverbot führen. Nach Inkrafttreten der Novelle darf man dort immer nebeneinander radeln. Der nachfolgende Verkehr muss sich gedulden. Allerdings rate ich, fallweise Autos vorbei zu winken und auf sein Recht zu verzichten … aber nur, wenn der Autofahrer vorher anständig dahinter geblieben ist. 😉
Fun Fact am Rande:
Beim Foto-Shooting musste ein Testosteron gesteuerter Autofahrer zeigen, wie gut er für das Führen eines Kfz geeignet ist. Mit klaren Worten musste ich ihm erklären, dass ich ihn nicht behindere und mich auch nicht provozieren lasse. Erst dann legte der den Rückwärtsgang ein und fuhr auf seiner Spur vorbei; nicht ohne den Motor aufheulen zu lassen.
Der Podcast von CyclingClaude, Mitbewohnern und Gästen
hat jetzt ein eigenes zuhause!
Entdecke mehr von CyclingClaude
Melde dich für ein Abonnement an, um die neuesten Beiträge per E-Mail zu erhalten.
Hallo Claude,
ich bin stiller Mitleser Deines Blogs und selbst regelmäßig mit dem Rad in Frankfurt und Umgebung unterwegs. Ich schätze bei Deinem Blog die abwechslungsreichen Themen, die das (Renn-)Radfahren von allen Seiten beleuchten.
Daher bin ich mir sicher, dass Dich auch folgendes interessiert, falls Du es noch nicht gehört hast. Ich habe es eben in der FAZ gelesen: Es soll einen neuen Radschnellweg geben und zwar durch Dein „Revier“, den Kreis Offenbach. Der Schnellweg soll vom Flughafen nach Seligenstadt führen. In dem FR-Artikel dazu steht auch, dass die Bürger mitmischen dürfen (https://www.fr.de/rhein-main/mehr-radschnellwege-durchs-rhein-main-gebiet-13551751.html). Vielleicht wäre das ja einen Blogeintrag wert 🙂
Gruß Moritz
Warum darf man auf 4,50 m breiten Fahrbahnen nicht nebeneinander fahren?
Wenn ein Radfahrer mit bis zu 1 m Abstand zum rechten Fahrbahnrand fahren darf,
selbst 50 cm breit ist
und 150 cm Überholabstand vorgeschrieben sind
dann sind das 300 cm,
es bleiben noch 150 cm zum Überholen.
Gängige Fahrzeugbreite beträgt etwa 200 cm – ein mehrspuriges Fahrzeug kann hier also überhaupt nicht überholen! Ergo dürfte man problemlos nebeneinander fahren, da kein Überholen möglich ist und damit keine Behinderung vorliegt.
Natürlich darf der Radfahrer auch mit 50 cm Seitenabstand fahren. Dann könnte der Überholer gerade noch durchpassen – aber sicher nicht, wenn auf der Gegenseite Fahrzeuge parken oder von dort Kinder auf die Fahrbahn laufen könnten. Also wäre auch dort kein legales Überholen möglich.
Das geht nur, wenn der Radfahrer selbst auf den für ihn sinnvollen und empfohlenen Seitenabstand verzichten würde – und davon wäre dringend abzuraten.
Leider falsch. Man darf nur nebeneinander fahren, wenn man nicht behindert. In diesem Beispiel liegt aber Behinderung vor. Schließlich könnte ein Auto überholen, wenn die Radfahrer hintereinander fahren.
Bis 4,50 m Straßenbreite darf nebeneinander gefahren werden, da der Abstand beim Überholen auch nicht eingehalten werden kann, wenn die Radfahrer hintereinander fahren würden.
So steht es doch oben im Text im blauen Kasten.
Hier wird ja nicht über „bis“ sondern „bei“ 4,50 Metern Breite gesprochen. Da dürfte Überholen gerade noch ok sein – mit dem Pkw.
Martin hat recht: bei deiner Berechnung hat der Radfahrer praktisch keinen Sicherheitsabstand zum Fahrbahnrand. 150 + 50 + 70 (100) = 270 (bis 300). Also reicht der Abstand nicht mehr zum Überholen aus. Du kannst nicht davon ausgehen, dass eine Straße grundsätzlich so „clean“ ist wie auf deinem Bild.
Aber auch dann wäre ein Abstand von nur 30 oder 50 cm zum Fahrbahnrand eine unnötig defensive Haltung. Erfahrungsgemäß akzeptieren Autofahrer es, wenn du 70-100 cm Abstand hältst. Also warum unnötig Risiken eingehen?
Entschuldige bitte, aber hier gibt es kein „akzeptieren“. Wir reden hier von blanken Zahlen.
Schau Dir das Foto an. Das Auto konnte hier ganz normal am Rad mit der Schwimmnudel vorbei fahren. Das Rad selbst hat normalen Abstand zum Straßenrand. Ich glaube, das ist unbestritten.
Würde ein Radfahrer in dieser Situation stattdessen 70 bis 100 Zentimeter Abstand zwischen rechtem Lenkerende und Fahrbahnrand halten, wäre das eine arge Provokation dem Autofahrer gegenüber, nur damit der nicht mehr überholen darf.
Mit was wäre das hier in dem Beispiel gerechtfertigt?
Und würde uns das irgend einen Schritt weiter bringen, was das gemeinsame Nutzen der Straße betrifft?
Es wird leider genügend Radfahrer geben, die sich hier entsprechend rechthaberisch verhalten würden. Sie selbst pochen dabei auf die genaue Auslegung von 1,50 Meter Überholabstand, und nicht etwa, 140 Meter (mit Recht), legen dann den eigenen Abstand vom Fahrbahnrand großzügig aus.
Genau darum geht es und genau darum müssen wir reden.
Moin,
leider liegst Du mit dem Wirtschaftswegen. Hier behindern die nebeneinander fahrenden Radfahrer unter Umständen nämlich den entgegen kommenden Verkehr.
Des passiert hier leider des öfteren und man wird als Landwirt im Fz (wenn es kein Bulldog ist) – häufig nicht nur verbal angegangen. Hier wäre eine grössere Rücksichtsnahme geboten. Sonst erfolgt es wie im Nachbarkreis, dort wurde der Wirtschaftsweg auch für Radler gesperrt :-/
Jens, der selber gerne und viel radelt
Nebeneinanderfahren auf einem schmalen Wirtschaftsweg bei Gegenverkehr ist dämlich. Macht das echt jemand?
Ich bin leider schon von einem Bauern mit Riesentrecker genötigt worden. Er fuhr kein Stück auf dem Grasstreifen, als ich entgegen kam, sondern bremste, blieb stehen und meinte, ich könne ja auf die Grasnabe ausweichen. Mit dem Rennrad. Begründung, den Wirtschaftsweg hätte man ihm mal enteignet, woraus er Rechte ableitete.
Moin!
Eine echt hilfreiche Darstellung zu dem Thema, danke!
Die Frage zum Gegenverkehr beschäftigt mich auch sehr. Wir wohnen ländlich, die schmalen wegen (zwischen 3 und 4m Breite) liegen oft Außerorts, auch ohne Geschwindigkeitsbegrenzung, aber auch mit Häusern dran, wo nicht selten Familien wohnen.
Tatsächlich bin ich (als Autofahrer) nicht das erste Mal angehalten worden von Radlern (die nebeneinander fuhren!) Ich solle in der Kurve (100 erlaubt) nicht nur 35 bis 50, sondern 20 fahren, alles andere sei nicht angemessen, nebeneinander radeln hingegen erlaubt!!
Der Kommentar „…ist echt dämlich. Macht das wirklich jemand?“ hat mich etwas beruhigt, dennoch wünsche ich mir dazu auch klare Auslegungen in anderen Texten. Die Abstände können beim überholen oft nicht eingehalten werden (also dahinter bleiben), aber was ist mit den Fahrrädern im Gegenverkehr?!
Danke
Na ja, man darf immer nur so schnell fahren, wie es angemessen ist und man rechtzeitig zum Halten kommen kann. Ist die Straße also sehr schmal, muss man die Geschwindigkeit anpassen, v.a. vor Kurven, damit man entgegenkommende Fahrzeuge nicht gefährdet. Vor der Kurve weiß man ja nicht, ob es Radfahrer sind, die entgegen kommen, oder bspw. ein Traktor.