Nein, dies ist kein Reifen-Test. Da ich aber immer wieder zu meinem Erfahrungen mit Reifen von René Herse (ehemals Compass) gefragt werde, hier meine Antwort: Leider geil!
René Herse Reifen – leider geil
„Geil“, weil die drei von mir gefahrenen Modelle allesamt prima rollen, langlebig sind und nach meinem Geschmack gut aussehen. „Leider“, weil sie recht teuer sind. Geiles Zeug darf gerne etwas teurer sein, denke ich mir, wobei die Laufleistung den Preis schnell relativiert. Allerdings bin ich diesbezüglich nur bedingt aussagefähig. Meine drei Sätze René Herse Reifen sind allesamt Allroad-Reifen ohne Noppen, mit klassichem René Herse Feilenprofil. Keiner der Reifen hat mehr als 3.000 km Laufleistung, aber diese sieht man den Reifen kaum an. Es ist anzunehmen, dass meine René Herse mehr als doppelt so viele Kilometer zulassen.
Wie schnell sich hingegen die Stollen der profilierten René Herse Modelle abfahren, kann ich nicht sagen. Solche Reifen braucht es für meinen Allroad-Einsatz nicht. Aber vielleicht gibt es René-Herse-Kunden, die hierzu etwas in den Kommentaren schreiben können. Danke dafür!
Mein Allroad Use Case
Ich komme von der Straße, auch wenn ich in jungen Jahren viel MTB gefahren bin. Das ist lange her. Allerdings liebe ich den Wechsel von Asphalt auf Schotter, ohne mir Gedanken um die Bereifung oder die Laufräder machen zu müssen. Meine beiden Litespeed sind dafür ideal und bringen mit den richtigen Reifen noch mehr Spaß.


Aber matschiges Gelände ist nicht wirklich meines. Schon der Gendanke ans zeitaufwändige Fahrradputzen hält mich vom Matsch fern. Bei Regen hüpfe ich deshalb nur selten vom Asphalt in den Wald. Also braucht es keine Stollen. Die haben bei lockerem Schotter nämlich kaum einen Vorteil, weil der Reifen den Schotter in unteren Schichten wegschiebt. Mit Stollen rutscht man dann genauso. Reifendruck und -breite sind hier wichtiger.
Standard / Extralight / Endurance / Endurance Plus
René Herse Reifen eilt der Ruf voraus, dank fein gewebter Reifenkarkasse, leichtlaufend und komfortabel zu sein. Je feiner die Karkasse, desto geschmeidiger fährt sich ein Reifen.
Allerdings gibt es bei René Herse Unterschiede. Neben der fein gewebten Standardkarkasse gibt es eine Extralight-Version. Deren Karkasse ist aus noch leichterem und feineren Garn gewebt und verspricht maximalen Komfort bei minimalem Gewicht. Mit anderen Worten: Maximale Geschwindigkeit. Dafür sind die Reifenflanken der Extralight empfindlicher als die der Standard-Version.
Bei meinem ersten Kauf war ich hin und her gerissen. Einerseits fand ich das minimale Gewicht der Extralight extrem verlockend, andererseits hatte ich Angst vor Reifenschäden.
Für Kunden wie mich hat René Herse darüber hinaus eine Endurance-Version im Portfolio. Die Endurance-Karkasse ist aus demselben feinen und leichten Garn, allerdings dichter gewebt. Das macht die Karkasse widerstandsfähiger gegen seitliche Cuts, zulasten des Gewichts. Auch geht etwas von der Geschmeidigkeit verloren. Zusätzlich verfügt die Endurance-Variante über einen umlaufenden Schutzgürtel, der die Flanken und Lauffläche zusätzlich schützt. Auch der erhöht das Gewicht und hat vermutlich Einfluss auf die Laufeigenschaften.
Einige Modelle werden sogar in einer Endurance-Plus-Variante angeboten. Das sind extrem robuste Stollenreifen für den Einsatz am MTB, mit denen ich mich nicht beschäftige.
Drei Varianten im Einsatz – kein Vergleich möglich
Als Erstkäufer setzte ich auf die sichere Bank und bestellte für meinen Aerycs 650B-Laufradsatz die robusten René Herse Switchback Hill TC 650 x 48 Enudrance mit heller Flanke. Wenig später fand ich auf Ebay-Kleinanzeigen fast neue Stampede Pass 700 x 32 als Standard-Version, ebenfalls mit heller Flanke, für die Zipp 303s. Trotz Montage mit Schlauch waren die Stampede Pass eine angenehme Überraschung. Wenig später bestellte ich beim deutschen Importeur Dailybreadcycles einen Satz Barlow Pass TC 700 x 38 Extralight mit Tan Wall.
Obwohl die drei Reifen unterschiedliche Namen haben, unterscheiden sie sich im Prinzip nur durch die Reifendimension. Das Profil ist identisch und alle drei Modelle gibt es in den Varianten Standard (braune Flanke), Endurance (etwas dunklere Flanke) und Extralight (etwas hellere Flanke oder in schwarz).
Nun nutze ich Reifensätze in drei Varianten (Standard, Endurance, Extralight), in drei verschiedenen Breiten (32, 38 und 48mm), zwei verschiedenen Laufradgrößen (27,5 und 28 Zoll) auf drei verschiedenen Laufradsätzen. Das macht einen Vergleich unmöglich.
Tubeless oder Schlauch?
Aufgrund der dünn gewebten Flanke soll die Tubeless-Montage bei René Herse etwas schwieriger sein. Mit latexhaltiger Milch würden sie dennoch leicht abdichten, heißt es. Allerdings sollen die Reifen bei Erstmontage 30 Minuten auf jeder Seite ruhen, damit das Latex die Flanken durchdringen kann.
Gerne hätte ich die Tubeless-Montage bei meinen Switchback Hill und Barlow Pass ausprobiert. Aber ich fahre, wider Erwarten, immer noch pannenfrei mit Pirelli Cinturato Smartube TPU-Schläuchen.
Liegt das an den Reifen, den Smartube-Schläuchen oder an der Kombination? Vermutlich ist es reines Glück. Dass ich auf Mallorcas felsigen Gravelpisten pannenfrei bleiben würde, hätte niemand erwartet. Aber solange ich pannenfrei bin, bleibe ich dabei, schließlich fahre ich nicht alle Tage auf so felsigem Untergrund.




Bei den Pirelli Smartube begeistern mich Gewicht und Packmaß, weshalb ich sie auch Tubelessfahrern für den Pannenfall empfehle.




Montage
Im Tubeless-Zeitalter verzweifeln viele Menschen an der Reifenmontage. Bei meinen drei René Herse Reifensätzen hatte ich in Kombination mit meinen Zipp, Aerycs und Hunt-Laufrädern keinerlei Probleme mit Montage und Demontage. Zwei Reifenheber genügen. Erfahrene Reifenmonteure bekommen die Reifen auch ohne Werkzeug auf die Felgen.
Reifendruck
Auch mit Schlauch versuche ich mich beim Reifendruck an die untere Grenze des Möglichen anzunähern. Als Anhalt dient der René Herse Reifendruckrechner, wobei ich mich nach unten herantaste und teilweise unter den Vorgaben liege.
Mit den Werten der Kombination Asphalt/Wald bin ich auf Straße und im Wald gut unterwegs. Wenn der Straßenanteil gering ist (Kombination Wald/Asphalt), kann ich mit dem Druck noch weiter nach unten gehen. Der 32 mm schmale Stampede Pass ist natürlich kein Reifen für den dauerhaften Off-Road-Einsatz. Deshalb fehlen die Werte.
Die breiten Switchback Hill gefallen mir im Gelände bei geringem Druck extrem gut. Fahre ich sie auf grobem Untergrund mit zu viel Druck (>2,8 bar), springen sie gerne. Das mag ich nicht. Mit zu wenig Druck (vorne unter 1,6 bar) wird das Vorderrad auf Asphalt schwammig. Auch das ist nicht gut.
Reifendruck lt. Rechner bei 80 kg Gesamtgewicht | meine Präferenz Asphalt bzw. Asphalt/Wald mit Schlauch | meine Präferenz Wald/Asphalt mit Schlauch | |
Stampede Pass 700 x 32 Standard-Karkasse | 3,2 bis 3,9 bar | 3,2 bar vorne 3,6 bar hinten | n/a |
Barlow Pass 700 x 38 Extralight | 2,4 bis 3,0 bar | 2,3 bar vorne 2,6 bar hinten | 2,1 bar vorne 2,4 bar hinten |
Switchback Hill 650 x 48 Endurance | 1,9 bis 2,3 bar | 1,9 bar vorne 2,1 bar hinten | 1,6 bar vorne 1,9 bar hinten |
Stampede Pass 700 x 32 mit Standard Karkasse
Der René Herse Stampede Pass ist ein leichter Reifen mit angenehmen Laufeigenschaften, vornehmlich für den Straßeneinsatz. Subjektiv bewertet fährt sich der Reifen schnell. Auf Mallorca hatte ich nie das Gefühl, nicht mit schmaler bereiften Rennrädern mithalten zu können. Weil die 32 mm Breite auch den gelegentlichen off-road Einsatz verzeihen und schlechten Asphalt weg bügeln, würde ich als Rennradfahrer immer wieder zu diesen Reifen greifen. Vermutlich wäre die Extralight-Variante die leicht bessere Wahl. Aber mit „Standard“ ist man gut bedient.
Bei mir brachten die Stampede Pass Standard 286 bzw. 287 Gramm auf die Waage. 290 Gramm ist die Werksangabe. Bei 3 bar Druck und Montage mit Schlauch konnte ich eine Breite von ca. 32,5 mm auf den Zipp 303s messen.
Optisch gefällt mir die relativ helle Seitenflanke, wobei die noch hellere Flanke der Extralightversion noch etwas schöner ist. Aber Geschmäcker sind verschieden.



Barlow Pass 700 x 38 mit Extralight Karkasse
Leider geil? Nein, leider sehr geil! Die Extralight sind offenbar eine Klasse für sich, was die Geschmeidigkeit betrifft. Im Vergleich zum nur 32 mm breiten Stampede Pass konnte ich keinen Geschwindigkeitsnachteil feststellen. Der Reifen ist für seine Breite schnell und sehr angenehm zu fahren. Volle Kanone über Pavée? Kein Problem. Beim letzten RTF durften die Rennradfahrer staunen, wie schnell ich auf Kopfsteinpflaster unterwegs war, ohne auf feinstem Asphalt zu leiden. Breite Reifen auf der Straße? Überhaupt kein Problem!
Die Barlow Pass bauen mit Cinturato Smartube auf meinen Zipp zwischen 41,5 und 43 mm, je nach Luftdruck. Das ist ein gutes Stück mehr, als mit 38 mm angegeben. Also Vorsicht bei der Bestellung. Erst schauen, welche Breite der Rahmen erlaubt. Allerdings ist die gemessene Breite auch von der Innenweite der Felge abhängig. Als Anhalt: Zipp 303s bietet eine Innenmaulweite von 23 mm.
Beim Nachwiegen lagen meine Barlow Pass in Extralight mit 332 bzw. 335 angenehm unter der Herstellerangabe von 350 Gramm. Rechnet man die superleichten Pirelli Samrtube hinzu, liegt die TPU-Schlauch/Extralight-Kombi bei weniger als 390 Gramm. Das ist spitze!



Nachteil: Mit der Breite wächst der Durchmesser. Je nach Fahrradgeometrie berühren die Schuhspitzen die Reifen. Das ist auf technischen Passagen ein kleiner Nachteil, nicht aber auf Straße oder Waldautobahn. Die Stampede Pass (links) lassen meinen Schuhspitzen hingegen noch Luft.


Switchback Hill 650 x 48 mit Endurance Karkasse
Mit 27,5-Zoll Laufrädern kann man breitere Reifen fahren. Schließlich haben die Felgen einen geringeren Durchmesser. Da freuen sich auch die Schuhspitzen.
Die Switchback Hill Endurance sind wegen Ihrer Breite, der dichteren Webart und des zusätzlichen Pannenschutzes etwas schwerer als die beiden anderen Ausführungen desselben Modells. Das Gewicht liegt laut Hersteller bei 485 Gramm ist. Nachgewogen waren es 496 bzw. 498 Gramm. Mit Cinturato Smartube kommt die Reifenkombi auf knapp 550 Gramm. Das ist immer noch relativ leicht. Mit der Standard-Version spart man etwa 50 Gramm, mit den Extralight sogar ca. 90 Gramm. Ein geringeres Gewicht bringt einen Performance-Gewinn, den ich persönlich nur bedingt vermisse. Wie viel besser ist die Pannensicherheit? Dennoch würde ich die Swichback Hill gerne als Extralight ausprobieren. Das etwas erhöhte Pannenrisiko würde ich eingehen.



Was man sonst noch wissen muss
Die René Herse Reifen werden als Auftragsarbeit von Panaracer in Japan gefertigt. Auf den ersten Blick gibt es Gemeinsamkeiten.

Allerdings hatte ich bei meinen Gravelking SS Montageprobleme, die ich von den René Herse nicht kenne. Die Panaracer wollten nur widerwillig über die Felge und bei der Tubelessmontage nicht so recht ins Felgenbett springen.
Was mich aus Umweltgesichtspunkten stört ist die Verpackung. Jeder Reifen wird einzeln in Plastik verpackt. Das wäre nicht notwendig und sollte überdacht werden.

Fazit
Die etwas schwierige Tubeless-Montage lies mich lange zögern – nicht nur der Anschaffungspreis. Heute ist mir klar, dass ich viel zu lange gewartet hatte. Für den Einsatz Asphalt/Wald, also mit höherem Straßenanteil, würde ich bei der nächsten Bestellung wieder zu Extralight greifen. Für’s Gröbere und Gravelrennen, kämen vermutlich weiterhin Endurance in Frage.
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Moin Claude, danke für den Bericht und gute Besserung!
Danke auch 🙂
Da sucht man nach neuen Reifen, findet die Switchback Hill und dann den guten Beitrag von Dir.
Besser kann es nicht laufen. Ich überlege aktuell auch ob ich eher Standard oder Endurance holen soll für mein Gravel-Bike. Gefahren wird auch mit TPU. Von Tubeless bin ich wieder weg… Wenn das Rad mal ne Zeit steht, dann hat sich bei mir bisher immer die Milch zum Block im Reifen entwickelt. Darauf habe ich keine Lust mehr (samt der Sauerei die das alles macht).
Zurück Zur Ausgangsfrage… Standard oder Endurance… Ich bin mir einfach unsicher.
Konntest Du jetzt weitere Vergleiche anstellen?
Extralight wenn es richtig schnell sein soll. Ansonsten bin ich auf der Radreise für Endurance dankbar. Da ist man auf der sicheren Seite.
Moin Claude, Moin in die Runde, habe jetzt auch meine ersten Renes, Bon John in Standard. Tubeless Montageversuch war eine Katastrophe.. selbst mit Lagerung und allem, keine Chance dicht zu kriegen. Mit orange Seal und Wurstwasser probiert. Gleiche Phänomen wie bei Panaracer, Reifen sitzt an sich gut in der Felge aber es suppt ringsum raus. Habt Ihr noch weitere Tipps außer TPU? Was da funktioniert im ersten Moment war eine dickflüssigere Mich wie Maxsalami Wurstwasser aber die schafft wiederum die Flanken beim Rene nicht. Danke!!
Ich fahre meine RH-Reifen allesamt mit TPU-Schläuchen, bisher, also in drei Jahren, zwei Mini-Schleicher, die zu flicken waren. Die TPUs wiegen um die 50 Gramm (vorne habe ich jetzt den neuen CX S-Tubo mit 36 Gramm) und fahren sich so performant wie tubeless.
Soweit ich weiß soll man RH mit Panaracer-Dichtmilch fahren.
Das mit der Panaracer Dichtmilch habe ich auch schon gehört, auf dailybreadcycles wird (auch) Orange Seal empfohlen. Naja ich probiere jetzt mal TPU Schläuche aus, habe eigentlich schon das Thema Schlauch für tot erklärt bei mir. Wenn die funktionieren ist es ja prima
Ich war ein voller Tubeless-Verfechter. Habe nur aus Faulheit einmal TPU genommen und hatte in drei Jahren nur zwei Schleicher. Beide im letzten halben Jahr.
Passt für mich.
Hi Claude,
danke für den Bericht!
Was kannst du denn inzwischen über die Langlebigkeit/Laufleistung sagen? Ich spiele mit dem Gedanken, mir RH für den Sommer zu holen – Bikepacken auf Island oder in Kirgistan. Würde sie aber natürlich darüber hinaus gern möglichst lange fahren.
LG Anna
Hi Anna, die Reifen sind alle sehr langlebig, auch die mit Stollen.
Danke Claude, super zu wissen! Auch für die Stollenreifen…werde wohl eher solche kaufen.
Hi Claude, vielen Dank für den ausführlichen Bericht – echt super. Eine Frage habe ich noch: Wie ist der Grip der Barlow Pass bei Regen auf Asphalt, vor allem in Kurven?
Vielen Dank im Voraus.
HG Frank
Unproblematisch