Ups and Downs ohne Ende!
WTF!(*), habe ich heute mehrfach gesagt oder gedacht. WTF!, als ich mich mit Jenny, Jens und Heinrich über die Wettervorhersage unterhielt – die eigentlich gut war – wir, aus dem Fenster des Hotelrestaurants, aber auf dunkle Wolken blickten.
Eigentlich, so unser Plan, hätten wir zu viert nach Petra gewollt, wo es, wie ich behaupte, den besten Mandelkuchen der Insel gibt. Danach wären die drei alleine zurück und ich noch ein Stückchen weiter. Schließlich wollte ich heute endlich >150 km fahren.
Die neue Gore-One-Active Regenjacke klein in die Rückentasche verpackt, Windjacke drüber, und los. Das Delta hoch war alles o.k. Es sah bewölkt aus, aber nicht so schlecht.
Als wir aber bei Sa‘ Torre Richtung Hilton abgebogen waren und in die grobe Richtung unseres Tagesziels blickten, sah es nicht gut aus. Der Himmel über Llucmajor und Randa sah dunkel und wolkenverhangen aus. WTF!
Planänderung
So entschieden wir spontan, den beim Hilton abzweigenden Weg zu nehmen, der zurück auf die Küstenstraße führt und kurz vor dem Glashaus raus kommt. Von da wollten wir ähnlich fahren, wie ich schon Samstag gefahren war. Nur wollte ich diesmal nicht nur fast bis Cala D’or kommen, sondern ganz. Das würde für ca. 160 km langen, dachte ich. Jenny, Jens und Heinrich würden einfach vorher irgendwo abbiegen. Passt also!
Soweit, so gut.
Eigentlich rollte es ganz ordentlich und ich hatte die drei schön im Windschatten – bis S’Estanyol. Dort machten wir einen kurzen Stopp beim Yacht Club, weil Elmar aus Aachen vom dortigen Mandelkuchen geschwärmt hatte.
Mit dummem Gesicht standen wir vor dem geschlossenen Restaurant. Montags, 11:30 Uhr, ist nicht die beste Zeit für einen Besuch.
So ging es weiter, wenige Kilometer die Küste entlang, bis Sa Ràpita.
Mandelkuchen Nr. 4/2017
In der Bäckerei „Forn Sa Ràpita“ bestellte ich Mandelkuchen und Café con Leche. Es war das letzte Stück Mandelkuchen, das einsam auf der Theke stehend, auf mich wartete. Die Einsamkeit des Mandelkuchenstücks hätte mich misstrauisch machen sollen. Es war nämlich sicher schon seit einigen Tagen einsam. WTF!, dachte ich. Mandelkuchen 4/2017 war ein Griff ins Klo. Na ja, wenigstens für ein Foto hat der Kuchen getaugt.
Allerdings möchte ich damit nicht sagen, dass alles in der Bäckerei schlecht ist. Die frischen Backwaren in der Auslage sahen alle lecker aus.
Alleine weiter
Nach dem Kuchen-Reinfall verabschiedete ich mich von meinen Begleitern und legte einen größeren Gang ein. Schließlich hatte ich noch >100 km zu fahren.
Das Wetter wurde derweil besser, aber ohne Windjacke ging es immer noch nicht, weil ich am Rücken fror.
Ses Salines, Santanyí, der Wind hatte aufgefrischt und kam von zehn Uhr. Unangenehm, aber egal, schließlich blies er langsam die Wolken weg.
Dann kam ich zu der Kreuzung, an der wir Samstag falsch nach links abgebogen waren, als wir nach Cala D’or wollten, aber nicht hin kamen. WTF!, da geht es links und rechts rum nach Cala D’or, zumindest was die Beschilderung betrifft.
Diesmal fuhr ich rechts rum. Es ging einige Kilometer leicht wellig bergab, bis Portopedro.
Statt von dort gleich Richtung Cala D’or weiter zu fahren, mache ich einen Abstecher an den Strand der Villengegend. WTF!, sehr geil war es da. Aber Privatstrand. Schade!
Zügig ging es weiter, am Hafen von Portopedro vorbei (sehr schön!) nach Cala D’or. Dort machte ich einen Abstecher zum Yacht Club um ein paar Fotos zu machen.
Schluss mit lustig
Beim Fotografieren fegte eine fette Windbö mein Rad um. WTF!
Hoffentlich ist das Schaltauge nicht verbogen, dachte ich. Im Stehen schaltete ich die Gänge der Kassette hoch. Jeder einzelne Gang schaltete wunderbar. Alles gut, dachte ich.
War es aber nicht. Anfängerfehler!!! Ich hätte die Kette, auf dem größten Ritzel liegend, weiter hoch schalten sollen – tat es aber nicht. Sonst hätte ich schon im Stehen bemerkt, dass die Kette nach innen von der Kassette springt.
Das habe ich dann bemerkt, als ich hundert Meter später in den kleinsten Gang schalten wollte. Kläng, kläng, kläng. WTF!, WTF!, WTF!!!!
Hört sich gut an, oder?
Vier Speichen waren weg gefetzt. Ans Weiterfahren war nicht zu denken. Ans Schieben aber auch nicht.
Mit geschultertem Rad ging es zurück zum Yacht Club. Kein Mensch da. Weder am Pool, noch im Restaurant. So lief ich zurück und sprach einige Leute an, um irgendwie ein Taxi bestellen zu können.
Schließlich kam ein netter Engländer, der in der Gegend Bungalows bewirtschaftet. Er sprach mit seiner Kollegin, die mir ein telefonisch ein Taxi bestellte. Sie blieb sogar bei mir, bis das Taxi eintraf.
Vielen Dank dafür, unbekannterweise.
Das war es also mit dem heutigen Training. Statt >150 km waren es etwa 76 km geworden 🙁 und ich war null ausbelastet. Aber was war mit morgen, übermorgen …???
Frustiert
Schlecht gelaunt ging es im Taxi zurück ins Hotel an der Playa de Palma. Derweil kreisten meine Gedanken um mögliche Lösungen für mein Problem. Schließlich würde ich ohne Hinterrad morgen nicht trainieren können.
Welche Optionen gab es also?
Hinterrad neu Einspeichen lassen? Wahrscheinlichkeit 1%. Welcher Radladen macht das überhaupt und so schnell, vorausgesetzt passende Speichen sind da?
Ein anderes Hinterrad besorgen? Vielleicht bei Raiko, dem Radvermieter bei uns im Hotel? Die haben primär Laufräder mit Campa-Freilauf. Wahrscheinlichkeit 10%.
Ein neues Hinterrad kaufen? Wahrscheinlichkeit hoch, aber die schlechteste Lösung.
Zur Not könnte Luisa mein altes Zipp-30-Hinterrad von zuhause mitbringen. Aber Luisa kommt erst in einer Woche und das Hinterrad passt nicht in ihren Koffer. Ob Lufthansa ein Laufrad als Handgepäck akzeptieren würde? Vielleicht. Aber eine Woche warten? Keine Option.
Hilfe von allen Seiten
Noch im Taxi funkte ich über meine Facebook-Seite die Leser an. Wer kennt einen Radladen, der das Laufrad reparieren kann, fragte ich?
Zwei gute Tipps bekam ich in kürzester Zeit: Bequi und Quintana. Vielen Dank dafür!
In beiden Bike-Shops war ich schon früher. Beide hatten immer einen guten Eindruck gemacht und Nico hatte mir Bequi gerade letztens beim Kaffee wärmstens empfohlen.
Kurz vor Ankunft am Hotel telefonierte ich zunächst mit Quintana. Pedro aus der Werkstatt meinte, ich solle einfach vorbei kommen, dann schaue er was man tun könne. Wie lange eine Reparatur dauern würde, darüber sprachen wir nicht.
Zurück im Hotel, durch die Taxifahrt 65 EUR leichter, ging es gleich in den Keller zu Raiko. Wolly, der nette Mechaniker, half mir, das Hinterrad zu befreien. Schließlich war die Kette einmal um den Freilauf gewickelt und hatte das Schaltwerk komplett nach oben gezogen.
Vielen Dank dafür, Wolly!
Evita von Raiko bot mir ein Cityrad an, um zu Quintana zu fahren.
Vielen Dank, Evita!
Ich schnell aufs Zimmer, Schuhe gewechselt, Gesicht gewaschen und rauf aufs Marcello-Citybike, in voller Rennrad-Montur.
Das Hinterrad hatte ich mir auf den Rücken geschnallt und mit Vollgas ging es die Parallelstraße zur Playa hinunter, Richtung Arenal. Rechts war Bequi und ich dachte, da probierst Du es zuerst. Vor der Tür putzten sie Fahrräder. Ich schildere mein Problem und wurde rein geschickt. Nach zehn Minuten Rumstehen wie bestellt und nicht abgeholt, bin ich wieder gegangen.
Quintana – Retter in der Not
Bei Quintana war der Service anders. Pedro war sofort ansprechbar, aber skeptisch, als er das Hinterrad sah. Er rief einen Kollegen, den er „Laufrad-Doktor“ nannte. Der versprach sein Bestes zu geben. Ich solle doch einfach in einer Stunde zurück kommen, meinte er. Damit hatte ich nicht gerechnet. Hoffnung keimte auf.
Statt einen Kaffee trinken zu gehen, stöberte ich im Geschäft rum und fand schöne Quintana-Bike-Caps und Socken von Mavic, die gerade im Angebot waren :-).
Schon nach 40 Minuten war der Speichendoktor fertig. 35 EUR berechnete Quintana. Ein sehr fairer Preis!
Vielen Dank, Speichendoktor! Vielen Dank, Pedro! Vielen Dank, Quintana Bike Shop!
Dann ging es mit Vollgas zurück zum Hotel. Die an der Playa vorbei fahrenden Rennradler sahen mir erstaunt hinterher. Schnell war er, der schwarz-gelbe Vogel auf dem Citybike mit Laufrad auf dem Rücken.
18:15 Uhr war ich wieder bei Raiko, wo mir Wolly noch kurz vor Feierabend das Schaltauge justierte.
Vielen Dank auch dafür, Wolly!
Beim Einbau des Hinterrads entdeckten wir aber, dass das Hinterrad zwar rund läuft, aber etwas zu weit links eingespeicht ist. Links hat es nun nur einen Millimeter Luft zum Rahmen, rechts aber mindestens fünf Millimeter.
Wolly zerstreute meine Sorgen. Ich könne damit fahren, meinte er. Auf einer kurzen Testfahrt ums Hotel merkte ich nichts Ungewöhnliches. Inwieweit sich das bei schnellen Kurven auswirkt, werde ich morgen sehen. Hauptsache ich kann wieder trainieren :-).
Im Laufe der Woche werde ich dann noch einmal bei Quintana vorbei schauen. Vielleicht kann der Speichen-Doktor noch mal Hand anlegen.
(*) WTF! = umgangssprachlich für „What The Fuck“, ein Ausdruck des Erstaunens, der Empörung oder Verwunderung.