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Vor einigen Wochen, als sich abzeichnete, dass ich dienstlich nach Singapur sollte, entschied ich mich mein Faltrad mitzunehmen.
Dafür brauchte ich Streckenvorschläge, denn nichts ist schlechter, als in einem unbekannten Gebiet alleine los zu radeln.
Nachdem ich bei connect.garmin.de nichts Gescheites fand, schaute ich bei Facebook nach Radfahrgruppen in Singapur.
Dabei stieß ich auf die Gruppe ‚Ternout@SG‘, mit Leuten, die alle ein Tern-Faltrad fahren.
Beim Mitlesen in der Gruppe stellte ich schnell fest, dass einige Freaks mit den Falträdern gerne mal um die Insel radeln. ‚Round Island‘ nennen sie das. Dabei fahren sie im Schnitt etwa 20 bis 27 km/h auf etwa 130 km.
Ich, der mit dem Falter noch nie mehr als 40 km am Stück gefahren war, fand das eine tolle Herausforderung, v.a. auch weil ich dieses Jahr nicht so ganz fit bin. Aber da ich den ganzen Samstag Zeit hatte, machte ich mir keine großen Sorgen, um die Insel rum zu kommen.
Jemand aus dem Team hatte mir vorab einen Garmin-Track geschickt, dessen Ausgangspunkt etwa 6 km von meinem Hotel entfernt lag. Da der Garmin Edge 800 zum Ausgangspunkt einer Strecke navigieren kann, entschied ich mich, genau von dort los zu fahren und insgesamt etwa 142 km abzureißen.
In der Hoffnung, nicht alleine fahren zu müssen, schrieb ich ein Posting an die Terngruppe in Facebook. Leider hatte aber keiner Lust oder Zeit auf das Abenteuer Round Island. Stattdessen musste ich Kommentare lesen, dass es für mich zu heiß sein könnte und die Strecke mächtig gefährlich sei, v.a. wegen den schweren LKW, die unterwegs seien. Summa summarum riet man mir ab, es zu versuchen.
Die Bedenken zerstreute ich aber. Schließlich war ich schon in Thailand bei ähnlichen Temperaturen und Luftfeuchtigkeit geradelt; und LKWs kenne ich von Deutschland – dachte ich zumindest.
Trotz Jetlag wollte ich nicht allzu spät los, weshalb ich den Wecker auf 6:30 Uhr stellte. Vor dem Zubettgehen packte ich zwei Gels und zwei Riegel in die Satteltasche, sowie eine zusätzliche Portion Hi5-Getränkepulver. Zwei 0,75-Liter-Flaschen mit Pulver standen auch schon bereit. Insgesamt plante ich also mit drei Flaschen Pulverwasser. Der Rest sollte mit Mineralwasser gehen.
Samstagmorgen weckte mich der Wecker pünktlich. Oder war es der starke Gewitterregen? Der Blick aus dem Fenster war frustrierend. Starkregen und entfernter Donner ließen mich zurück ins Bett kriechen. In der Hoffnung auf besseres Wetter schlief ich wieder ein – natürlich ohne den Wecker erneut gestellt zu haben.
Als ich wieder wach wurde, war es nach zehn! Dafür hatte es aufgehört zu regnen und die Wolken waren nicht mehr grau sondern weiß. Zwischendrin war blauer Himmel zu sehen.
Was nun? Bis ich gut gefrühstückt auf dem Rad sitzen würde, wäre es schon nach elf. Also doch nur eine kleine Runde drehen? F… off! Schließlich hatte ich mir Round Island vorgenommen. Also ne große Portion Müsli rein, Kaffee, ins Bad, anziehen und los.
Halt. Sollte ich sicherheitshalber Beleuchtung mitnehmen? Was ist mit einem Schloss? Schließlich darf man in Singapur nicht im Freien pinkeln und so müsste ich vielleicht das Rad irgendwie abschließen können.
Die Entscheidung war, alles mitzunehmen. Dafür ließ ich die Handschuhe zuhause. Schließlich sind die Ergon-Griffe so bequem, dass man eigentlich keine braucht.
Kurz nach elf saß ich auf dem Rad. Satt klickten die Rennradschuhe in die Keo-Pedale, die ich statt der SPD-Pedale mitgenommen hatte; einerseits wegen der besseren Kraftübertragung, andererseits weil die Specialized-S-Works-Schuhe bei heißem Wetter angenehmer sind als meine MTB-Schuhe oder die Allrounder, die ich sonst für das Tern Verge nehme, wenn ich ins Büro fahre.
Ziemlich heiß war es dann schon gleich beim Losfahren. Der Garmin lotste mich gut durch den dicken Verkehr und mit dem Linksfahren hatte ich gar keine Probleme.
Dafür kam mir in den Sinn, dass ich gar keinen Sonnenschutz aufgetragen hatte. Wie auch? Ich hatte ja keinen dabei. Die Aussicht auf einen fetten Sonnenbrand ließ mich aber nur kurz an meinem Vorhaben zweifeln.
Der fette Verkehr bis zum Ausgangspunkt des Garmin-Track machte mir zu schaffen. Aber als ich am Anfang der Streckenführung ankam, ging es gleich in einen Park. Blöderweise fiel es mir schwer, den Weg im Park zu finden, weil es so viele Parkwege gab. Laufend meinte der Garmin, ich sei vom Weg abgekommen. Die Hin- und Hergurkerei ging mir ziemlich auf die Nerven und kostete gleich ziemlich Schnitt. Schließlich wollte ich einen 25er fahren. So war ich froh, als ich endlich wieder auf einer richtigen Straße war und ich der Navigation besser folgen konnte.
Irgendwann ging es dann nach links in eine weniger befahrene Straße. Es waren Schilder aufgestellt, die Autofahrer vor Radfahrern warnen. Offensichtlich war ich in einer Art Naherholungsgebiet. In der Tat kamen mir auch einige Rennradfahrer entgegen, als ich mich bergauf quälte. Allerdings hielt sich der Anstieg im Rahmen. Die Schilder, die vor Radfahrern warnen (bzw. um Rücksichtnahme bitten), wurden schließlich von einem anderen Schild abgelöst. ‚Animals crossing‘ stand da.
Ich dachte mir zunächst nichts dabei, sonst hätte ich sofort meine Helmkamera eingeschaltet, denn plötzlich standen bzw. saßen Affen auf der Straße. Unglaublich. Nach 500 Metern war das Schauspiel aber schon vorbei. Hätte ich eine Banane dabei gehabt, hätte ich sie sicher verfüttert.
Im Laufe der Zeit wurde es immer wärmer und mir schien, als würde ich vor allem durch die Hände schwitzen. Die Handballen rutschten auf den Griffen hin und her, sodass sie schmerzten und das Festhalten an den Lenkerhörnchen fast unmöglich war, weil die Hände bei Bodenunebenheiten einfach nach vorne weg rutschten.
Teilweise fuhr ich nun auf Straßen die von heftigem LKW-Verkehr geprägt waren, wobei die LKW in Singapur augenscheinlich breiter sind, als in Deutschland. Oder überholten sie nur so eng? Wahrscheinlich war es beides.
Entlang ging es an großen Gefängniskomplexen, deren Warnschilder ‚Hände hoch oder ich schieße‘ eindeutig waren. Schließlich kam ich an der Grenze zu Malaysia an. Aber statt sie zu überqueren, ging es nach links, immer ‚Round Island‘.
Kilometerlang ließ ich militärische Einrichtungen links an mir vorbei ziehen; kilometerlang bei Gegenwind. Noch hatte ich einen guten Schnitt, aber aufrecht sitzend im Wind waren die 25 km/h im Durchschnitt nicht mehr zu halten.
Und die Hände taten weh. Wenn ich am Wegesrand nicht irgendwo Handschuhe auftreiben könnte, wäre es mit der Runde bald vorbei; erste Schwielen bildeten sich schon.
Nach 50 km, vorbei an Friedhöfen aller Glaubensgemeinschaften, kam ich wieder in die Stadt. Der Garmin-Track machte einen komischen Schlenker auf einen Parkplatz in einem Wohngebiet. Aha. Hier hatten die Fahrer also irgendwo Wasser geholt. Das wollte ich auch tun. An der Ecke gab es einen Computerladen (mit in die Jahre gekommenen Desktop-PC im Schaufenster), der einen Kühlschrank voller Getränke vor der Eingangstür stehen hatte.
Da ich bis dahin nur etwa einen Liter getrunken hatte, kaufte ich 0,7 Liter Wasser und rührte das Getränkepulver ein. Dabei aß ich einen Riegel und bildete mir ein, zu Mittag gegessen zu haben.
Blöderweise fand ich danach nicht sofort den Track, weshalb ich zehn Minuten im Wohngebiet suchen musste. Aber schließlich war ich dann doch wieder auf der Strecke – um kurz darauf einen Radladen zu entdecken. Allerdings war der so schlecht sortiert, dass er keine Handschuhe hatte. So musste es mit schmerzenden und rutschigen Händen weiter gehen.
Irgendwann kam ich dann auf einen ‚Highway‘, über dem, parallel auf Pfeilern, eine richtige Autobahn gebaut war.
Auch hier war der Schwerlastverkehr dominant und ziemlich herausfordernd. Positiv war aber der Fakt, dass die Autobahn dem darunter liegenden Highway Schatten spendete. Mein mittlerweile brennendes Gesicht war dankbar dafür.
Bei km 70, immer noch im Schatten fahrend, sah ich links wieder einen Radladen. Hier sollte ich mehr Glück haben. Für 20 SGD gab es einen Satz billiger Handschuhe – und zehn Minuten Pause in einem klimatisierten Raum.
Die Handschuhe waren eine Wohltat.
Irgendwann war ich dann wieder in der Stadt. Auf vier- bis fünfspurigen Straßen und spiegelndem Display des Garmin hatte ich bald meine Strecke verloren.
Mindestens 30 Minuten kurvte ich fluchend durch die Stadt. Immer wieder im Kreis, bis ich endlich wieder auf der richtigen Spur war. Das versaute meinen Schnitt ordentlich, der mittlerweile nur noch bei 24 km/h lag.
Allerdings wurde jetzt die Strecke sensationell gut. Es ging ganz außen an der Küste entlang, mit Blick nach links auf das Casino ‚ The Sands‘, das Riesenrad sowie die Skyline. Was will man mehr?
Von da ging es dann weiter in den Eastcoastpark, mit ausgewiesenen Radwegen, parallel zum Strand. Hier kann man sich Fahrräder oder Inliner leihen, was die Einheimischen offensichltich gerne tun. Leider können die wenigsten damit geradeaus fahren oder auf ihrer Fahrspur bleiben.
Dafür war der Blick nach rechts klasse. Sandstrand, Wellen und am Horizont fette Containerschiffe, die aufs Einlaufen in Singapur warteten.
Ich kaufte eine 1,5-Literflasche Wasser, weil meinTrinkvorrat zur Neige ging, und ein leckeres Eis, das ich unter einer Palme stehend verzehrte. Viel Zeit ließ ich mir aber nicht, weil ich noch im Hellen zum Hotel zurück wollte.
Weiter ging es Richtung Flughafen Changi – und südlich daran vorbei. Dass man dort gut Radfahren kann, hatte mir schon vor längerem mein Sitznachbar auf einem Flug von Singapur nach Bangkok erzählt. Wie recht er hatte. Ewig ging es am Flughafen entlang, auf einer vierspurigen, aber wenig befahrenen Straße. Schatten spendende Bäume, links und rechts der Straße waren eine Wohltat für meine Haut, denn der Sonnenbrand war heftig. Sobald ich in der Sonne fuhr, brannte das Schweiß- und Dreckgemisch auf der Haut.
Langsam kämpfte ich mich wieder an meinen 25er Schnitt heran, obwohl die Beine und mein linker Fuß weh taten. Als ich von einem Triathleten auf einem weißen Canyon (wahrscheinlich ein Expat aus Deutschland) überholt wurde, überlegte ich kurz in den Windschatten zu gehen. Aber noch hatte ich mehr als 30 Kilometer vor mir und ich wollte nicht überziehen.
Schließlich hielt ich noch einmal kurz an, um unerlaubter Weise auszutreten. Zwar musste ich noch nicht richtig, aber ich hatte Angst später im innerstädtischen Gebiet zu müssen.
Zwischenzeitlich wurde der Verkehr wieder stärker, je näher ich an die Stadt kam. So war ich dann froh, als die Navigation wieder durch Parks führte. Auf den schmalen Wegen konnte ich zwar nicht Anschlag fahren, aber ich war ja auch schon kaputt genug.
Dann war ich plötzlich wieder im Verkehrsgewimmel und war mir ziemlich sicher, am Ausgangspunkt angekommen zu sein. Von der Navigation konnte ich es schlecht ablesen. So entschied ich mich, die Navigation abzubrechen und ‚Orchard Hotel‘ einzugeben. 11,6 km wurden mir angezeigt. Anscheinend war ich also noch nicht ganz am Ausgangspunkt angelangt. Das war aber egal. Um die Insel war ich prinzipiell rum und ich wollte nur noch nachhause.
Blöderweise ist die Verkehrssituation um die Orchard Road katastrophal. Hinzu kam, dass ich mich mehrmals verfuhr, sodass ich immer wieder umdrehen musste. Jetzt tat es richtig weh!
Auf den letzten Kilometern musste ich sogar meine Beleuchtung einschalten, weil es dunkel wurde.
Das Hotel erreichte ich dann, indem ich 500 Meter auf dem Bürgersteig gegen die Einbahnstraße fuhr. Sonst wäre ich wohl noch weiter durch die Stadt geirrt.
Ehrlich gesagt waren das eine der härtesten Radfahrten, die ich bis dato gemacht habe. Extrem schlimm war der Sonnenbrand, der sich die nächsten Tage entwickelte. Und dreckig war ich! Aber gelohnt hat sich die Fahrt allemal.
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