Inzwischen durfte ich ja schon drei Mal hier bei Cycling Claude über meine Abenteuer als aktives Mitglied des Charity-Teams Rynkeby schreiben, das ganzjährig mit dem Rennrad unterwegs ist, um Spendengelder für die Deutsche Kinderkrebsstiftung zu sammeln. Seit meinem letzten „Erlebnisbericht“ im Juni von unserem nachösterlichen Trainingslager auf Mallorca ist wieder eine Menge passiert. Auf der Zwischenetappe zum Höhepunkt unserer zweiten Saison – unserer Spendenfahrt nach Paris – jagte ein Highlight das nächste. Genug Stoff also, um wieder mal von mir hören zu lassen.
Nach unserer Rückkehr aus dem Schönwetter-Rennradparadies Mallorca in das eher verregnete Deutschland galt es nun, den Fokus auf den Start unserer Paris-Tour im Juli zu legen – was übersetzt so viel heißt wie „Training, Training, Training“. Allerdings stand auch noch ein Messe-Event an, das sich unerwartet ergeben hatte.
Auf der CYCLINGWORLD im März hatten wir die Veranstalter der Reise-, Fotografie- und Outdoor-Messe „Photo & Adventure“ in Duisburg kennengelernt. Sie waren von unserem Engagement für die Deutsche Kinderkrebsstiftung derart begeistert, dass sie uns kurz entschlossen einluden, uns im Mai mit einem Pro-bono-Stand auf ihrer Messe zu präsentieren. Sehr, sehr cool!
Die Freude über die damit verbundene Chance, unsere Mission einem Publikum außerhalb der Rennrad-Community vorzustellen, war groß, deshalb ging es auch gleich an die Vorbereitungen. Unser hoch geschätzter Messebauer machte wieder einmal das Unmögliche möglich, indem er uns recht kurzfristig einen tollen Messestand zauberte, und so durften wir unser Herzensanliegen im Mai ein weiteres Mal zahlreichen Interessenten näher bringen.
Auch auf dieser Messe sammelten wir wieder viele Spenden, führten jede Menge fantastische Gespräche und gaben diverse Presseinterviews – und wir hatten auch noch unglaublich viel Spaß. Sehr spannend fand ich persönlich, dass viele Besucher unseres Standes nicht nur reges Interesse an unseren Spendenbemühungen zeigten, sondern auch daran, bei uns mitzufahren. Damit hatte ich bei dieser Zielgruppe eigentlich gar nicht gerechnet, doch kurze Zeit später haben sich tatsächlich bereits zwei supernette Besucher für unsere dritte Saison beworben. Überhaupt war die ganze Messe auch für nicht ganz so fotoaffine Menschen richtig spannend. Allein schon die Location im Landschaftspark Duisburg war beeindruckend. Und als die Veranstaltung vorbei war, wurden wir direkt wieder für das nächste Jahr eingeladen! Besser hätte es nicht laufen können. Wir sind wirklich extrem dankbar, diese Möglichkeit erneut wahrnehmen zu dürfen.
Das sollte es nun aber mit den Messen in diesem Jahr gewesen sein, jetzt mussten wir uns doch mal eingehender auf das Training für die Tour konzentrieren. Wie ich in meinem letzten Blogbeitrag schon erwähnte, war eigentlich noch ein verlängertes Trainingslager-Wochenende mit allen fünf deutschen Teams im Harz geplant. Angemeldet hatten sich hierfür über 100 Rider, die in Vorbereitung auf die Paris-Tour gemeinsam so einige Höhenmeter bezwingen wollten – und nach meinen Erfahrungen mit den ziemlich anspruchsvollen mallorquinischen Anstiegen war mir klargeworden, dass ich ein gezieltes Bergtraining mit ein paar (oder auch ein paar mehr) Höhenmetern zweifellos dringend nötig hatte. Deshalb freute ich mich, wie vermutlich alle Beteiligten, besonders auf die Zeit im Harz. Aber was soll ich sagen? Nix war!
Kurz vor unserer geplanten Abreise wurde uns von dem zuvor gebuchten Hotel mitgeteilt, dass der Betrieb dort unvermittelt eingestellt würde. Na toll! So kurzfristig bekommt man 100 Leute natürlich nicht mehr anderweitig untergebracht. Unser Planungsteam Doris und Thomas probierte zwar alles, um die Fahrt noch zu retten, doch ihre Bemühungen waren leider nicht von Erfolg gekrönt. Sehr, sehr schade, aber immerhin soll es im nächsten Jahr einen neuen Anlauf geben.
Uns blieb also nichts anderes übrig, als uns ein paar schöne alternative Touren mit geeigneten Höhenmetern in unserer Gegend auszugucken. Letztendlich fiel unsere Wahl auf ein paar sehr ansprechende Routen in Bergisch Gladbach und eine sehr coole Strecke im Bergischen Land, die an 7 Talsperren vorbeiführt.
Und ich muss zugeben: Ich hatte wirklich reichlich Nachholbedarf. Irgendwie war ich dieses Jahr nicht so richtig ins Training gekommen. Aber das Wetter war auch echt Mist gewesen. Ja, ja, alles Ausreden! Jedenfalls standen nun zwei Marathonstrecken mit über 200 km auf dem Plan. Knapp unter 200 km bin ich ja schon öfter gefahren, allerdings nur ultraflach, und das ist auch schon wieder zwei Jahre her. Weil die diesjährige Paris-Tour jedoch deutlich anspruchsvoller ausfiel, musste ich nun echt endlich mal was tun. Also kurz mal Maren volljammern und mir frische Motivation abholen. Augen zu und durch!
Weil mir ganz gern schon mal der Gedanke „Das schaffe ich nie!“ durch den Kopf schießt und ich vor dem Team nicht vollständig abkacken wollte – was natürlich totaler Quatsch ist, denn das Team lebt wahrhaftig nach dem Motto „Wir fahren gemeinsam los und kommen gemeinsam an“ – beschloss ich, die 200 km erst mal alleine zu probieren, und zwar mit einigen Anstiegen. Na ja, es steckt dann doch schon ein gewisser Ehrgeiz in mir, ich will es halt nicht nur gerade eben so schaffen. Also fuhr ich zunächst eine wunderbare 200-km-Strecke des Düsseldorfer Cycling Clubs nach. Und diese tolle Tour lief tatsächlich richtig locker. So weit, so gut. 200 km waren also kein Problem, vor allem wenn man bedenkt, dass solche Ausfahrten allein immer ein bisschen schwerer sind als in der Gruppe.
Für das darauffolgende Wochenende hatte ich mir eine schöne Strecke im Bergischen Land rausgesucht, die in der „Roadbike“ vorgestellt worden war. 110 km mit 2.500 Höhenmetern. Ein Traum von einer Rundfahrt, aber echt gemeine Steigungen. Anfangs war das noch kein großes Problem, aber die letzten 10-20 km taten schon echt weh. Egal, ich hab’s trotzdem geschafft und war wieder einmal um die Erkenntnis reicher, dass ich wohl nie eine echte Bergziege werde. Und ich hatte jetzt das Vertrauen gewonnen, die Tour mit ihren durchaus knackigen Anstiegen schon irgendwie schaffen zu können.
Bald darauf stand eine Teamausfahrt-Ausfahrt in der Münsteraner Region an, die wir zum Anlass nehmen wollten, unserem Goldsponsor AHA-Frischei einen Besuch abzustatten. Hin und zurück würden es gute 200 km werden, ein maßgeschneidertes Training für die langen Strecken auf der Paris-Tour. Jo, kann ich, kein Problem.
Ähm, nur war für diesen Tag nicht gerade tolles Wetter angesagt. Aber jetzt kneifen? Auf keinen Fall! Dieser Sponsor hatte uns während der ganzen Saison großartig unterstützt, also fahren wie natürlich auch gerne dort hin und machen Fotos. Trotzdem, muss es denn ausgerechnet heute regnen? Und nicht etwa nur mal kurz zwischendurch, sondern den ganzen verdammten langen Tag. Irgendjemand sagte beim Losfahren, das sei das perfekte Training für die Tour nach Paris, denn auch dort könnte es ja auch mal regnen. Ich dachte nur: Ganz ehrlich? Mir egal, ich für meinen Teil habe jetzt gerade so überhaupt keinen Bock auf dieses Wetter. Aber Jammern hilft ja nichts, also los und schön 100 km im Regen nach Münster.
Natürlich hat das aber auch was für sich: Training im Regen ist hin und wieder mal ganz gut, weil man einfach anders bremsen und etwas mehr Sicherheitsabstand halten muss. Außerdem: Wirklich kalt war es ja auch nicht. Trotzdem war ich echt froh, als wir bei unserem Sponsor ankamen und uns in den Hallen abtrocknen konnten. Und hoppla … was war denn hier los? AHA-Frischei hatte richtig fett aufgetischt, mit allem, was das Radfahrerherz begehrt. Sogar frisch gebratene Eier wurden uns gereicht. Wow, was für ein unfassbar herzlicher Empfang! Diese Ausfahrt wird mir noch länger in bester Erinnerung bleiben.
Als wir uns schließlich auf den Rückweg begaben, war dann auch das Wetter wieder deutlich besser. Wir gerieten zwar kurz in einen deftigen Platzregen, sodass wir uns 10 Minuten unterstellen und warten mussten, ansonsten sind wir aber verhältnismäßig trocken nach Hause gekommen. Ein wirklich toller Ausflug, trotz der Nässe. Das war also meine zweite 200-km-Tour gewesen.
Und was folgt auf Nummer zwei? Genau, Nummer drei.
Als nächstes Highlight hatten wir uns das Event „Burning Roads“ in Ochtrup bei Münster ausgesucht. Dieses Rad-Event bietet eine 210er-Strecke mit lockeren 1.000 Höhenmetern sowie eine lange 330er-Strecke mit ganzen 2.700 Höhenmetern an. Wow, in Münster gibt es Berge? Ich dachte immer, da ist alles flach … Jedenfalls entschlossen sich 17 Rider unseres Teams, sich die 200er-Runde mal „anzuschauen“.
Wie man hört, soll das Münsterland ja sehr schön sein, und ich war noch nie zum Radfahren dort. Außerdem freute ich mich sehr auf die 200-km-Strecke, irgendwie hatte ich inzwischen echt Spaß an den Marathonstrecken.
Im Grunde ist „Burning Roads“ eine Art Luxus-RTF. Ein Teil unseres Teams reiste schon am Vorabend der Veranstaltung an, um die Strecke ausgeschlafen bewältigen zu können, der Rest traf morgens gegen 8:00 Uhr ein. Trine, Katrin, Julian und ich gehörten zur ersten Gruppe und hatten ein kleines Chalet gebucht. Diese Unterkunft war recht preiswert, ganz in der Nähe des Startpunkts gelegen und damit einfach perfekt für uns. Am Morgen gab es ab 7:00 Uhr ein wirklich reichhaltiges Frühstück, also schaufelten wir uns erst mal gut Kohlehydrate rein. Und gegen 9:00 Uhr startete unser Team als letzte Fahrergruppe – leicht verspätet, denn selbstredend mussten wir ja hier noch ein Foto machen und da noch ein Reel und so weiter. Aber das Wetter war toll, die Laune perfekt und so ging es dann endlich los.
Nach ein paar Kilometern dachte ich nur noch: Och, ist das schön hier! Kaum Verkehr, tolle Landschaften, einfach NUR toll. Wieso bin ich hier noch nie gefahren? Kaum zu Ende gedacht, war auch schon der erste Verpflegungspunkt erreicht. Wie jetzt, schon 50 km geschafft? Wie schnell ging das denn? Und was fahren die denn hier alles auf? Ich sage nur: absolut perfekte Verpflegung. Kuchen, Wassermelone, belegte Brote, kalte Getränke. SO habe ich das noch nicht erlebt. Bei Kilometer 100 gab es dann sogar richtiges Mittagessen. Okay, das habe ich jetzt nicht so genutzt, denn ich fahre ungern mit vollem Magen. Aber extrem coole Orga. Nach dem Mittagessen waren dann ca. 1.000 Höhenmeter auf einer Strecke von 20 km angesagt. Habe ich schon erwähnt, dass ich Höhenmeter hasse? Echt? Nun ja, keine Ahnung warum, aber diesmal ging es erstaunlich gut. Als wir dann nach 210 km ins Ziel einfuhren, wurden wir total herzlich beklatscht. Und eine Urkunde, ein Freigetränk, Grillgut usw. gab’s noch obendrein.
Wir blieben noch lange am Ziel hocken und fragten uns, wieso wir nicht die 330 km gefahren waren. Natürlich weiß ich wieso, wegen der blöden 2.700 Höhenmeter. Wobei … ehrlich gesagt, vielleicht, ganz vielleicht, wäre das auf die Länge der Strecke gesehen ja gar nicht so wild. Schauen wir mal nächstes Jahr. Auf jeden Fall kann ich nur sagen: So eine geile Orga habe ich noch nie bei einer Ausfahrt erlebt. Ich bin im nächsten Jahr auf jeden Fall wieder dabei. Julian fragte mich die Tage auch schon, ob wir dann nicht die 330er angehen sollen. Warum eigentlich nicht? Bis dahin kann ich die „blöden“ Anstiege ja noch etwas üben.
Jetzt war es aber nicht mehr lange hin bis zur großen Tour, auf die wir alle uns das ganze Jahr freuen. Im Grunde genommen war sie ja auch unsere Belohnung für die harte Beinarbeit, die Sponsorensuche, das Spendensammeln und vieles mehr, was wir im Laufe der Saison so treiben.
Aber wie heißt es doch so schön: Erst die Arbeit, dann das Vergnügen. Weil ich in diesem Jahr die Leitung des Event-Teams übernommen hatte, mussten mein Team und ich uns noch ein paar Sonderaufgaben widmen, vor allem der Planung des Tourstart-Tages. Das hieß unter anderem, eine schöne Location für den Start unseres gelben Rennradtrosses suchen, einen Gastredner finden, der uns auf die Reise schickt, ein paar Überraschungen für die Tour organisieren, checken, wer während der Tour vielleicht Geburtstag hat usw.
Aber mit den Erfahrungen des ersten Jahres im Rücken lief das alles sehr easy. Ich hatte ein tolles Event-Team an meiner Seite, das hoch kreativ und mit großer Freude bei der Sache war. Und so nahmen die Dinge ihren Lauf: Auf unsere Einladung hin sagte der Düsseldorfer Oberbürgermeister Dr. Keller zu, als Gastredner zum Tourstart zu kommen. Das NRW-Forum stellte uns völlig unkompliziert einen großartigen Startplatz zur Verfügung. Und das gemeinschaftliche Basteln der Überraschungen für die Tour bei mir zu Hause im Garten hat einfach nur richtig Spaß gemacht.
Nun denn … jetzt war es also so weit, die große Tour nach Paris stand unmittelbar vor der Tür. Echt, jetzt schon? Das gibt’s doch gar nicht! Wo war denn das ganze Jahr hin? Keine Frage, wir hatten in den vergangenen Monaten echt viel erlebt, aber jetzt gehen wir schon auf die Tour? Wahnsinn, wie die Zeit fliegt.
Dieses Jahr boten wir allen Interessierten, Fans und Freunden wieder die Möglichkeit an, für unsere geradelten Tour-Kilometer zu spenden. Die Aktion nennt sich „Cash for Kilometer“. Der Erlös war in diesem Jahr speziell dem Waldpiraten-Camp der Deutschen Kinderkrebsstiftung gewidmet. Hier können Kinder und Jugendliche, die ihre langwierigen, kräftezehrenden Therapien überstanden haben, wie auch Geschwisterkinder im Rahmen einer betreuten Nachsorge endlich wieder mal unbeschwert „Ferien“ machen und Kraft tanken. Hierüber habe ich mich extrem gefreut, weil ich diese Einrichtung besonders unterstützenswert finde. Also noch mal fleißig Werbung bei Freunden und Verwandtschaft machen.
In der Woche vor der Tour kam mein bester Freund Axel noch mal vorbei, um ganz gemütlich ein Bierchen mit mir zu trinken. Bei dieser Gelegenheit zeigte ich ihm auch gleich stolz den geplanten Tour-Ablauf. Aber kaum hatte er die Streckenplanung der ersten Tage gesehen, schaute er mich total geschockt an und fragte, ob ich denn wohl völlig bescheuert sei. Ähem … Nö? Das packe ich schon! Mach mich jetzt bloß nicht verrückt, mein Freund! Ich bin total gut vorbereitet. Passt schon alles. Ja, ganz genau, so sieht’s aus!
Am Sonntag, den 9. Juli 2023 um 7:00 Uhr morgens ging es los.
War ich nervös wegen der ca. 1.200 km mit 8.500 Höhenmetern in 7 Tagen? Nee, eigentlich nicht. Letztes Jahr was das noch völlig anders. Aber an diesem Morgen wollte ich einfach nur los. Ja! Ich freute mich. Ich war jetzt tatsächlich so was von startklar.
Bei ultratollem Sommerwetter trafen wir uns alle mit unseren Familien und Freunden am NRW-Forum in Düsseldorf. Ja, okay, bei einigen war schon eine Anspannung zu spüren, bei mir überwog aber einfach nur die Freude. Plötzlich stand da Herr Schwerdtfeger von der Firma ASE vor mir – einer meiner Goldsponsoren, die ich für das Projekt gewinnen konnte – und wünschte mir für die Tour viel Erfolg. Wow, damit hatte ich nun nicht gerechnet. Wie toll war das denn?
In wenigen Minuten würden unser Team-Chef Bülent, der Düsseldorfer Oberbürgermeister Dr. Keller und Peter von der DKKS jeweils eine Ansprache halten und uns allen alles Gute für die Fahrt wünschen. Und dann … schon wieder eine Überraschung: Unvermittelt stand Frank hinter mir und umarmte mich herzlich. Frank und Silke hatten das Team in der letzten Saison als Motorradbegleitung unterstützt und uns im wahrsten Sinne des Wortes den Weg nach Paris frei gemacht. Mann, was habe ich mich über dieses Wiedersehen gefreut! Danke, dass du da warst, mein Lieber. In diesem Jahr werden uns Jörg, ein Vollprofi auf dem Gebiet der Streckensicherung, und Mathias, den wir über Frank kennenlernen durften, auf der Tour unterstützen. Ebenfalls zwei wirklich super Typen!
Und schon wieder wurde ich umarmt. Diesmal von Uwe. Irre! Uwe hatte in der letzten Saison unser Begleitfahrzeug gefahren und als Physiotherapeut immer ein Auge auf die Schwellung meines gebrochenen Arms gehabt. Für seine Massagen und Lymphdrainagen während der letztjährigen Tour bin ich ihm bis heute dankbar. Junge, was geht denn hier ab?
Aber jetzt wollte ich wirklich los. Die Reden gingen auch gerade zu Ende und wir durften uns aufstellen. Endlich!
Alle sortierten sich in eine saubere Zweierreihe ein. Ein letztes Winken in Richtung unserer Familien und schon ging es durch den riesigen Startbogen, den Julian auf der CYCLINGWORLD von der Firma Motul ergattern konnte. Endlich war es so weit. Einfach nur cool!
Heute stand schönes Einrollen auf 122 km mit 530 Höhenmetern auf dem Plan. Nachdem wir das Düsseldorfer Stadtgebiet verlassen hatten, passierten wir auf dem Weg zu unserem ersten Ziel Tongern in Belgien auch meine Heimstadt Kaarst. Doch Moment mal, was sehe ich denn da plötzlich? Da stand doch tatsächlich meine liebe, schon etwas betagtere Schwiegermutter bei 37 Grad in der prallen Sommerhitze an der B7 in Kaarst am Straßenrand und filmte unsere Vorbeifahrt! Wie cool ist das denn? Wie ich später erfuhr, hat das mit dem Filmen leider nicht ganz so geklappt, wir waren wohl zu schnell. Aber ich habe mich total gefreut. Da sitzt man doch vor Stolz gleich ganz anders auf dem Rad.
Bei den bereits erwähnten „lockeren“ 37 Grad ging’s nun also weiter bis nach Belgien. Welcher Idiot macht denn hier gerade Zweiraumwohnung auf seiner Boom-Box an? „Komm lass uns baden gehen. 36 Grad, und es wird noch heißer. Mach den Beat nie wieder leiser. 36 Grad, kein Ventilator …“. Haha, sehr witzig – oder auch nicht. Obwohl ich zugeben muss, dass die Musik perfekt passte und es doch lustig war. Allerdings sollten wir gemäß Vorhersage genau auf ein Unwetter zufahren. Wie sich zeigte, war der Wettergott aber doch auf unserer Seite: Auf den letzten 30 Kilometern konnten wir aus der Entfernung sehen, wie rechts ein Gewitter wütete und links heftiger Regen runterkam … ein unglaublicher Anblick. Wir fuhren jedoch einfach geradewegs in der Mitte hindurch und kamen somit zum Schluss nahezu trocken im Hotel an.
Okay, der erste Tag war ja noch easy gewesen, Tag zwei machte mir da schon mehr Sorgen. Es sollte von Belgien in Richtung Luxemburg gehen. 180 km mit „nur“ 2.350 Höhenmetern. Und gleich zu Anfang direkt dieser blöde „Mur de Huy“-Anstieg. Hat ja teilweise nur bis zu 20% Steigung. Ja, nee, ist klar … wo ich doch voll auf Anstiege stehe. Mann, Mann, Mann! Und wenn man die „Mauer“ geschafft hatte, wurde das Höhenprofil für den Rest des Tages leider auch nicht einfacher. Mir ist absolut schleierhaft, wie ich diesen Tag geschafft habe. Aber es hat geklappt und wir sind abends wunderbar in Weyler angekommen. Meine Beine haben natürlich schon geschmerzt und ich war ganz schön platt. Aber das musste man ja nicht raushängen lassen. Außerdem wirkte der Muskelroller unseres Sponsors Retterspitz wieder mal Wunder und das Bettchen war einfach wunderbar.
Wenigstens waren am nächsten Tag nach Épinal nur 960 Höhenmeter vorgesehen … wenn auch auf einer Strecke von 217 km. An sich kein Problem, nur hatte der zweite Tag schon einige Körner gekostet. Ob das klappt? Was soll ich sagen? Na klar hat es geklappt.
Da es wieder extrem heiß war an diesem Tag, war unser Serviceteam – neben Sonnencreme – mal wieder Gold wert. Wie auch an jedem anderen Tag der Tour. Was unser Service alle 50 km an Verpflegung auftischte, war schier unglaublich. Das Allermeiste davon hatten wir von großartigen Firmen wie Bio-Fruit, Bauer Funke, Edeka, Rewe oder Kaas bekommen. Aber als mir nach dieser Hitzefahrt an diesem Tag ein Wassereis gereicht wurde, war ich echt sprachlos und überglücklich. He, ihr alle vom Serviceteam: Wie ihr uns bei der Tour unterstützt habt, ist einfach unbeschreiblich. DANKE, einfach Danke!
Für Tag 4 waren nur lockere 135 km nach Luxeuil-les-Brains angesagt. Locker? Ähm, nun ja, okay, da steckten allerdings wieder 2.240 Höhenmeter drin. Zumindest war es endlich mal nicht so heiß und wir fuhren durch eine unglaublich schöne Landschaft. Irgendwie rollt es nun einfach, dachte ich. Aber dann bin ich am letzten Pausenpunkt wohl schön in einem Stuhl eingenickt. Leichte Ermüdung? Pfft, von wegen! Es war eben einfach nur gemütlich gewesen und ich musste mir halt noch mal die schönen Bilder des Tages durch den Kopf gehen lassen.
Als wir abends im Hotel ankamen, hatten wir den wirklich schweren Teil der Tour schon hinter uns gebracht und damit war leider auch schon die Hälfte der Zeit vorbei.
Etappe 5 war dann so mittelschwer: 175 km mit 1.500 Höhenmetern. Da wir allerdings durch die wunderbare Champagne radelten, verging der Tag wie im Flug. Im Hotel fanden wir diesmal einen Pool vor, der natürlich sofort genutzt wurde. An dieser Stelle möchte ich mich auch einfach mal bei Thomas bedanken, der sich um all die tollen Unterkünfte auf dieser Tour gekümmert hat. Weil wir im vorigen Jahr tatsächlich in ein paar sehr enttäuschenden Hotels untergebracht waren, vertrat Thomas diesmal den Standpunkt: „Das wird nicht mehr passieren, diesmal nehme ich die Sache in die Hand“, und das hatte er in der Tat auch mit Bravour getan. Alle Hotels waren ausnahmslos perfekt, ein gewaltiger Unterschied zur ersten Saison! Respekt, Thomas, für das, was du da organisiert hast!
Normalerweise findet unser Captain’s Dinner immer am Abend vor der Einfahrt nach Paris statt. Weil uns im nächsten Hotel jedoch kein Raum für so eine Veranstaltung zur Verfügung gestellt werden konnte, zogen wir das Ganze diesmal eben um einen Tag vor. In der Regel lassen unsere beiden Team-Chefs Bülent und Tobias beim Captain’s Dinner das Jahr noch mal Revue passieren und bedanken sich beim Team. Stellt sich die Frage: Wieso bedanken sich die beiden bei uns? Nee, nee, nee, so geht das aber nicht. In diesem Sinne hatte sich das Team gemeinschaftlich überlegt, den Spieß mal umzukehren und sich bei Bülent und Tobias zu bedanken. Und so hatten wir eine richtig coole Karikaturzeichnung von den beiden anfertigen lassen, die wir ihnen an diesem Abend überreichten. Ich denke nicht, dass sie darauf gefasst gewesen waren, und könnte schwören, einen leichten Anflug von Pippi in ihren Augen gesehen zu haben.
Und wie es der Zufall wollte, wurde an diesem Abend in Frankreich auch noch in den französischen Nationalfeiertag reingefeiert, sodass wir unmittelbar nach unserem Captain’s Dinner auch noch ein tolles Feuerwerk zu sehen bekamen. Was für ein irrer Tag!
An Tag 6 stand nun noch eine längere Strecke an: 190 km, aber mit wirklich lockeren 710 Höhenmetern bis kurz vor Paris nach Collégien. Ich hatte tatsächlich das Gefühl, dass es nun irgendwie einfach nur rollte. Total easy, total cool. Das Wetter war einfach super, die Landschaft wieder atemberaubend. Und an dieser Stelle möchte ich nun auch unsere Motorradbegleitung erwähnen. Jörg und Mathias haben auf dieser Tour Höchstleistungen gebracht, der absolute Wahnsinn. Was die zwei geleistet haben, geht weit über „mal eben einen Kreisverkehr oder eine Kreuzung freimachen“ hinaus. Man merkte ohne jeden Zweifel, dass die beiden echte Profis sind. Sicherer konnte man sich als Rider nicht fühlen, und abends kamen wir immer wieder für viele tolle und spannende Gespräche zusammen. Ihr beiden seid einfach spitze.
Als wir in Collégien ankamen, wurden wir gleich mit viel Hallo von den Rynkeby-Teams aus der Schweiz und aus Nieder-Olm begrüßt, die ebenfalls in dem Hotel untergebracht waren. Weil wir alle am nächsten Tag nur noch eine leichte Tour von 70 km nach Paris rein vor uns hatten, hockten wir an diesem Abend noch lange mit den anderen Teams zusammen und feierten bis tief in die Nacht. Ich kann nicht wirklich sagen, wann mein Zimmergenosse Jochen und ich ins Bett gegangen sind … aber es war spät. Sehr spät.
Und da war er nun gekommen, Tag 7. Einfach nur noch nach Paris einfahren. Ein bisschen Sightseeing, ein paar Teamfotos vor der tollen Kulisse in Paris machen und dann ab auf den Platz, wo alle 2.500 Rider der 65 Teams aus 9 Ländern zusammentreffen würden. Die Stimmung war genau wie im letzten Jahr einfach phänomenal: Als wir durch Paris fuhren, begegneten wir ständig anderen gelben Teams und bejubelten uns gegenseitig. Die Gänsehaut war wieder voll da! Neu war in diesem Jahr, dass wir auch noch ständig als Fotomodelle herhalten durften: Jedes Mal, wenn wir vor irgendeiner Sehenswürdigkeit anhielten, um Fotos zu machen, wurden wir von Touristen gebeten, Selfies mit ihnen zu machen. Verrückt! Aber irgendwie auch echt schmeichelhaft.
Schlussendlich ging es dann zum großen Platz, zum Zusammentreffen mit den anderen Teams. Na ja, das kenne ich ja jetzt schon. War im letzten Jahr extrem beeindruckend, aber diesmal ist mir das ja nicht mehr wirklich fremd. Alles cool. Pah, von wegen! Als wir einfuhren und an den anderen Teams sowie den vielen Familien und Besuchern vorbeiradeln mussten, hatte ich doch wieder Gänsehaut bis zur Halskrause, die Augen wurden echt feucht und ich wurde mir ein weiteres Mal bewusst: Du bist Teil eines wahnsinnig großartigen Projekts. Und du kannst echt stolz sein, daran teilhaben zu dürfen.
Endlich vom Rad gestiegen, hieß es jetzt nur noch feiern. Von einer Umarmung in die nächste taumeln, Medaille in Empfang nehmen, Trikot tauschen, Cap tauschen, mit jeder Menge Leuten reden, ein paar Bierchen schlabbern und etwas Sekt trinken. Also einfach Party machen und dann warten, bis die Spendensumme verkündet würde, die wir dieses Jahr alle gemeinsam sammeln konnten.
YES! Ganze 8,7 Millionen Euro! Mega! Damit kann so viel Gutes erreicht und bewirkt werden. Wahnsinn!
Wir deutschen Teams haben in dieser Saison mit der Extra-Aktion „Cash for Kilometer“ speziell für das Piraten-Camp gesammelt. Allein hierdurch sind ganze 108.500 Euro zusammengekommen. Ich finde, das ist ein absolut großartiges Ergebnis und wirklich sehr, sehr gut angelegtes Geld.
Und nun? Sonntag ging es wieder nach Hause. Irgendwie war es schon traurig, dass es jetzt vorbei war, aber ich freute mich auch riesig darauf, endlich meine bessere Hälfte Maren wiederzusehen. Und ganz vorbei war es ja nun auch noch nicht, immerhin ging die Saison noch bis Ende August.
Es warteten noch ein paar Events auf uns. Zum einen waren wir ein weiteres Mal bei „Rund um die Kö“ eingeladen und zum anderen war auch noch ein Abschlussfest geplant. Außerdem hatten wir kurzfristig noch eine Einladung bekommen, uns am Etappenziel der Deutschland Tour in Essen zu präsentieren. Erfreulicherweise sind wir inzwischen perfekt für diese Events eingespielt, sodass solche Veranstaltungen wirklich einfach nur Spaß machen. Besonders cool war, dass wir mit einem 4er-Team bei der Stadtmeisterschaft auf der „Rund um Die Kö“ teilnahmen, das sich, wie ich finde, hervorragend geschlagen hat. Und sowohl bei diesem Event wie auch bei der Deutschland Tour hatten wir kurz vor dem Ende der Saison noch einmal Gelegenheit, viele weitere Spenden zu sammeln und tolle Gespräche zu führen.
Aber nach dem Abschlussfest war dann klar: Die Saison ist zu Ende. Das war’s für 2022/23.
Es fehlte nur noch die Scheckübergabe an die Deutsche Kinderkrebsstiftung. Am 30. September war es dann so weit: In der Aula des Freien Christlichen Gymnasiums in Düsseldorf wurde der von allen 5 deutschen Team Rynkeby-Teams eingefahrene Spendenerlös der vergangenen Saison 2022/2023 enthüllt. Ich war schon ultragespannt und leicht skeptisch, ob wir das Ergebnis der letzten Saison wirklich toppen konnten. Und dann hatte unser leider wegen Jobwechsel scheidender Country-Manager Santiago García Escobar die Ehre, den Scheck zu präsentieren: 465.160 Euro für die Deutsche Kinderkrebsstiftung! Ich habe nicht schlecht gestaunt, denn was sind über 100.000 Euro mehr, also wir in der Vorsaison erreicht haben. Wow, das ist der Wahnsinn!
Der Dank dafür gilt natürlich all unseren tollen Sponsoren und Spendern. Mit diesem Geld kann so viel Gutes erreicht werden. Sensationell!
Und wie geht es weiter? Bleibe ich dabei? Ich hatte die Fortsetzung meiner „Karriere“ als Rynkeby-Rider mal in einem schwachen Moment auf Facebook als nicht sicher gelten lassen. Oje, da hatte ich aber was gesagt! Also Aufhören scheint nicht drin zu sein. Trotzdem kann ich das ja nicht allein entscheiden, denn so ein Projekt kostet schon einiges an Zeit. Aber nach Rücksprache mit Maren habe ich mich natürlich wieder beworben und … oh Wunder! Maren hat sich für 2024 selbst beworben, zwar nicht als Rider, aber als Supporterin, was genau so wichtig ist.
Ich bin schon sehr gespannt auf die neuen Mitglieder und werde diejenigen, die aus dem bisherigen Team RheinRuhr nicht mehr weitermachen, sehr vermissen. Extrem neugierig bin ich auch auf unser neues „Headquarter“: Das GOP Varieté-Theater in Essen hat uns angeboten, unsere Veranstaltungen wie Kick-off, Weihnachtsfeier, Tourstart etc. dort abzuhalten. Und der Bürgermeister von Essen will uns beim nächsten Tourstart unterstützen.
Es wird also garantiert wieder eine spannende Saison. Was wird noch kommen? Wieder die großartige Messe CYCLINGWORD, vielleicht noch mal Mallorca und diesmal auch ein Trainingslager im Harz, Besuch einer Kinderkrebsstation, mehr Spenden?
Nun, vorerst geht es erst mal wieder auf Sponsorensuche. Wer also gern sein Firmenlogo gegen eine Spende an die Deutsche Kinderkrebsstiftung auf unseren Trikots platzieren möchte, darf sich gern bei mir melden. Wir werden das Logo mit Stolz nach Paris tragen.
(michael.feilen@pc-tronic.de)