Gastbeitrag von Bine
Sabine Crook aus Darmstadt, die Chefin der Facbook-Gruppe „Rennrad – und trotzdem Spaß“, radelt seit einer Laufverletzung vor ein paar Jahren durch den Odenwald und weiter weg, immer auf der Suche nach leckerem Kuchen. Gut zu erkennen auf ihrem pinken Planet X. Nachdem sie sich über das bierernste Gehabe in Rennradgruppen auf Facebook ärgerte, gründete sie kurzerhand eine eigene Gruppe: Rennrad – und trotzdem Spaß mit der Regel Nr. 1 das eigenen Rad in der Wanne zu posten.
120 Frauen auf Tour
Oft muss ich mir anhören „Lass die Politik hier raus beim Radeln“, oder ähnlich. Ist Rad fahren politisch? Ja eindeutig. Egal ob ich mich für die Abschaffung der Radwegbenutzungspflicht einsetze oder für die Verkehrswende: Rad fahren ist politisch! Punkt! Basta! Und noch politischer wird es, wenn sich 120 Frauen aus 16 Nationen radelnd für den Frieden im Mittleren Osten einsetzen. Ich bin eine von ihnen!
Beirut by Bike
Relativ spontan wurde ich diesen Sommer angefragt, ob ich nicht Lust hätte bei #FollowTheWomen mit zu radeln. Im Libanon. Tja nachdem ich letzten Oktober durch den Sinai mit dem Rennrad bin, war der Libanon nun eine logische Folge.
Gesagt getan, ging es Anfang Oktober mit der englischen Initiative Follow the Women trotz Reisewarnungen nach Beirut.
Aus meiner Kindheit hatte ich noch die Fernsehbilder vom Bürgerkrieg in Beirut in meinem Kopf abgespeichert. Aber wer sollte sich schon mit 120 Frauen anlegen?
Mein Reisebüro ist ungewöhnliche Reiseziele von mir gewohnt. Daher kam nur noch die Frage nach dem Wann, aber nicht mehr, ob ich mir sicher bin, bzw. ob ich weiß, was ich tue.
#followthewomen
Die Initiative Follow the Women wurde 2004 von der Britin Bernadette Regan gegründet. Sie ist eine quirlige, 71jährige Britin – wie aus dem Bilderbuch. Ihre bisherigen Touren gingen durch Jordanien, Palästina, Libanon und in die arabischen Emirate.
Da Frauen die besseren Menschen sind , dürfen bei den Touren nur Frauen mitmachen. Doppelt ungewöhnlich, da Radfahren im arabischen Raum nicht üblich ist; für Frauen noch weniger.
Ich lernte Bernadette als begeisterte, überaus herzliche, typisch verschrobene Engländerin kennen, die ihren Trikots nach, scheinbar bis auf den Mond die ganze Welt per Rad erkundet hat. Ihre Mission ist es, mit dem Rad die Verständigung zwischen den Nationen zu fördern.
Die komplette Tour wurde mittels Sponsoren und Freiwilligen organisiert und finanziert. Daher waren unsere Unterkünfte meist recht spartanisch auf Matratzen in Seminargebäuden etc. So zu schlafen bin ich aber durch meine Trips mit der GBI.org gewohnt.
Abends gelandet, fuhren wir im Bus nach Tripoli im Norden. Der Verkehr war wie immer die Hölle in solchen Großstädten.
Nach dem Frühstück machten wir erstmal zu Fuss auf Kultur. Natürlich fallen 120 schnatternde Frauen etwas auf, noch dazu wenn sie immer von ein paar MG-tragenden Bodyguards begleitet sind.
Die waren später ganz praktisch, da sie uns so manche Querstrasse absperrten. Es dauert halt seine Zeit bis sich eine Gruppe radelnder Frauen in Gang setzt.
Die Räder waren eine Mischung aus MTB und Stadtrad. Nachdem ich meinen gut gemeinten Gelsattel entsorgt hatte, wurden das Rad und ich über die Woche einigermaßen Freunde. Nächstes Mal nehme ich aber meinen Adamo mit.
Teils waren wir Vielradlerinnen, teils aber auch Wenigradlerinnen aus dem Libanon, Syrien, Deutschland, Belgien, Dänemark, England, Frankreich, Türkei, Polen, Japan, Iran, Italien, Palästina, USA und China. Und allen war die Begeisterung fürs Rad und ihr politisches Engagement gemein.
Wir besuchten jeden Tag Stiftungen und Vereine etc. Im arabischen Raum ist es üblich, falls man zu Geld kommt, die Gesellschaft daran Teil haben zu lassen. Z.B wurden wir in einer privat gegründeten Universität beherbergt, diese refinanziert nun Waisenhäuser.
An unseren Rädern hingen jeweils die Landesflaggen und unsere Namen. Daher wurden wir überall, und ich sage wirklich von jedem Passanten herzlichst gegrüßt „Alemania! Germany!“ etc.
Landschaftlich ist das Land wunderschön. Wunderbare Küsten, ebenso wie die Berge mit ihren Nadelwäldern beeindrucken sind.
Im Süden besuchten wir eine Gedenkstätte für die Kämpfer, die im Krieg gegen Israel gefallen waren. Klar viel Propaganda, aber auch leider viel Wahres dabei. Warum räumt Israel nicht seine Minen aus dem Südlibanon? Warum müssen bis heute Kinder diese finden und daran sterben? Obwohl die UNO darauf drängt?
Ebenso ist es erschreckend, an einem Stausee vorbei zu radeln, wunderschön blau anzusehen, um dann die Warnungen vor vermintem Gebiet zu lesen?
Ebenso beeindruckend war der Besuch einen Lagers mit syrischen Flüchtlingen, die seit nunmehr sechs Jahren in Zelten leben.
Der Libanon hat sechs Millionen Einwohner mit 18 verschiedenen Religionen und hat ca. zwei Millionen Flüchtlinge relativ gut aufgenommen. Und wir regen uns in Deutschland auf?!
Nachdem ich einen Tag im Begleitbus wegen Kotzerei verbrachte hatte, war ich rechtzeitig für eine Weinprobe bei einem radbegeisterten Weingutbesitzer wieder fit. Ja, auch das gibt es im Libanon. Exzellenten Wein. Ebenso wie gutes Bier, das wir in einer Brauerei probieren konnten.
In den Tempelanlagen von Baalbek aus dem 2. und 3. Jahrhundert n. Chr. hatten wir unser spektakuläres Abendessen. Auf der anderen Seite der Berge wussten wir den Krieg in Syrien.
Den letzten Tag in Beirut, mit einem Besuch beim Premier Saad Hariri (heute unter seltsamen Umständen zurück getreten), und einer Critical Mass durch die Stadt, schloss ein Galadinner diese ungewöhnliche Reise ab.
Natürlich haben wir nur die positiven Seiten dieses Landes gezeigt bekommen, nicht die Korruption oder Armut etc.
Die Straßen waren durchgängig gut befahrbar, nicht für RR aber Crosser-tauglich. Verkehr ausserhalb der Großstädte freundlich gesinnt. In den Städten aber echt heftig.
„Beirut by Bike“ ist ein riesiger Radverleih, der wöchentlich CM veranstaltet. Ich habe auf dieser Reise viele positive Eindrücke dieses Landes gesammelt, herzlichste Menschen kennen gelernt und neue tolle Freundschaften mit Frauen aus verschiedensten Länden geschlossen.
Ich bin überzeugt, solche Aktionen und Initiativen im Kleinen bewirken etwas in Sachen Verständigung und Frieden.
Und ja: Rad fahren ist politisch!
#FollowTheWomen.com #BeirutByBike #Libanon #PedalForPeace #FreeGaza #RideForCake