Gestern kam ich von meiner USA-Dienstreise zurück. Acht Tage war ich in Alexandria, VA und Portland, ME. Eigentlich wollte ich mindestens jeden zweiten Tag ins Hotelgym. Gebucht hatte ich in Alexandria das Sheraton Suites Old Town, extra weil die ein Gym hatten. Angekommen musste ich aber gleich eine Enttäuschung weg stecken. Es gab kein richtiges Fitnessrad sondern nur so eines auf dem man wie auf einem Liegerad sitzt. Nicht toll, aber besser als nichts, wie ich fand. Mit Erschrecken musste ich dann aber feststellen, dass bei den Pedalen die Fixiergurte fehlten. Wie sollte ich darauf denn trainieren?Nachdem ich mich dreimal (Freitagabend, Samstagmorgen, Samstagabend) beschwert hatte, wurde mir gesagt, dass die Riemen bestellt werden müssten. Total ärgerlich wie ich fand, denn die Riemen waren bestimmt schon länger weg. Aufs Laufband wollte ich aber nicht, weil die Gefahr, Knieschmerzen zu bekommen, einfach zu groß ist.
Obwohl es schon Mitte Oktober war, schien am Samstag kräftig die Sonne und es wurde 25 Grad warm. Trotz heftiger Winde sah man sensationell viele Rennradfahrer, die die letzten warmen Strahlen auskosteten. Oh Mann, dachte ich. Hätte ich jetzt Schuhe, Helm und Pedale (Trikots hatte ich eh dabei), würde ich mir glatt einen Renner ausleihen. Aber dem war nicht so. Um die Ecke, gleich beim Hotel gab es einen kleinen Radladen. Statt eines Rennrads, bekam ich dort ein 21-Gang-Herrenrad ohne Schutzbleche, aber mit geschwungenem Lenker. So was war ich Jahre nicht mehr gefahren. Aber da die Wettervorhersage bis Dienstag gutes Wetter voraussagte, schlug ich zu. Für 25 USD/Tag bekam ich das Teil incl. Schloss, Helm und zwei Radkarten. Samstag Abend abgeholt wollte ich Sonntag nach Washington zum Sightseeing fahren; Montag und Dienstag dann mit dem Rad ins Büro, statt mit dem Taxi, was hin und zurück auch 25 USD gekostet hätte (bin nur mal gespannt, was man bei der Fibu zu meiner Reisekostenabrechnung sagt).
Auf der Radkarte war von Alexandria aus ein Radweg entlang des Potomac eingezeichnet. Über einer der Brücken konnte man dann nach Washington rein. So war der Plan. Sonntag um zehn ging es dann los. Es war noch etwas frisch, aber mit einem Unterhemd und zwei Radtrikots (eine Radjacke hatte ich nicht) war es zum aushalten. Mit Herrenrad und Rucksack kam ich mir etwas komisch vor; aber egal. Kurz hinter dem Hotel, direkt am Ufer des Potomac, begann der Radweg – und was für einer. So einen tollen Weg war ich noch nie gefahren. Total toller Belag, breit genug für Gegenverkehr, etwas geschwungen, also nicht nur stur gerade aus, zwischen Potomac und Freeway, einfach klasse, wie ich fand. In beide Richtungen waren eine Menge Radfahrer unterwegs. Einige, die mich überholten, hatten Startnummern auf dem Rücken und nach zwei Kilometern fand ich eine Verpflegungsstelle. Ich hielt kurz an und erfuhr, dass das ‚National Law Enforcement Ride and Run to Remember‘, ein Rennen der Polizei, in vollem Gang war. Mit diesem Wissen trat ich noch etwas forscher in die Pedale und kam ganz gut auf Geschwindigkeit (lt. Garmin bis max. 35 km/h), obwohl das Rad bleischwer war, die Schaltung krachte und ich natürlich keine Klickpedale hatte. Kurz darauf hatte ich gleich mal zwei Rennradfahrer stehen lassen, die ich im vorbeifahren lächelnd grüßte.
Zweimal hielt ich dann an, machte jeweils ein Foto von der National Mall auf der anderen Flussseite, stieg wieder aufs Rad und überholte die zwei wieder. Jedes Mal grüßte ich – und der hintere Fahrer grüßte zurück. Der vordere, der offensichtlich Windschatten gab, fand es aber gar nicht witzig – auch nicht, als ich ihm dann bis nach Washington an mein Hinterrad ließ. Eigentlich hätte ich nach der Brücke gleich nach rechts abbiegen wollen, um am Flussufer entlang bis zum Lincoln-Memorial zu fahren. Aber ich war im Rennfieber – und der Rennradkollege schwer genervt. Der zweite hatte zwischenzeitlich abreißen lassen müssen, kam aber an den roten Ampeln immer wieder heran. Angehalten hatten wir an keiner, aber wir mussten ja auf den kreuzenden Verkehr achten. Da ich mich nicht auskannte und wir jetzt nicht mehr auf einem Radweg waren, der automatisch den Weg wies, ließ ich den motivierten Polizisten vorneweg fahren. Ob er die roten Ampeln nur überfuhr, weil er hoffte, mich abhängen zu können, weiß ich nicht, aber als ich zwischendurch mal auf seine Höhe auffuhr und mich erdreistete zu fragen, was denn das hier rechts für eine Sehenswürdigkeit sei, musste ich mir ein paar unflätige Worte gefallen lassen. Aber das motivierte mich noch mehr und so bin ich dann bis ins Ziel mit gefahren. Den Zielsprint ließ ich ihm aber, weil ich dann doch überrascht war, wie viele Zuschauer da standen, die uns frenetisch anfeuerten.
Kaum durchs Ziel hatte ich dann auch schon eine Medallie um den Hals. Ich konnte ja schlecht sagen, dass ich gar kein offizieller Teilnehmer war. So steckt ich sie gleich verstohlen in meine Rückentasche und lief noch etwas an den Devotionalienständen und der Polizeiautoaustellung vorbei, wobei ich wieder auf meine beiden Rennkollegen traf. Der motivierte Kamerad würdigte mich keines Blickes. Sein Kumpel sagte aber ‚great racing‘ – und ich grinste mir einen.
Etwas verspätet ging es dann hinunter zur Eröffnung des Martin-Luther-King-Memorials. Obama hatte ich knapp verpasst, aber ich sah ihn noch in seinem Konvoi zurück zum White-House zu fahren.
Donnerstag morgen hatte ich dann in Portland, Maine doch noch Gelegenheit ins Gym zu gehen. Das Marriott hatte wenigstens ein Fahrrad. Aber ich war nur 65 Minuten auf dem Rad, weil mir die Klimaanlage mit 65 F in den Nacken zog.
Wie auch immer, insgesamt habe ich jetzt mehr als 7000 km auf der Uhr. Die 8000 km sollten also bis Jahresende zu schaffen sein.
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