Auf der Straße

David Millar, auf der Straße

Lesezeit

Jetzt im Herbst, wo viele den Trainingsumfang reduzieren, ist Lesezeit.
Erfreulicher Weise gibt es immer wieder interessante Radsportliteratur – oft vom Covadonga-Verlag – bei dem ich mich herzlich für das Zusenden von Rezensionsexemplaren bedanke.
Heute stellen wir Dir das BuchAuf der Straße – eine Saison im Peloton“ von David Millar vor. Wir, das sind #CyclingClaude, der die Rezension veröffentlichen darf, aber v.a. die fleißige Leserin Katrin Kretschmer, die schon die Sommerlektüre „Sportlerkind“ bei mir vorgestellt hat.

Der Herbst ist da!  Die Blätter werden bunt, die Tage kürzer, die Straßen nass und die Motivation zum Radfahren sinkt. Wir motivieren wir uns für stundenlange Tacx- oder KICKR-Zwift Sessions? Wie bringen wir uns selbst dazu, bei 0 Grad dick eingepackt draußen durch Graupelschauer zu fahren, sodass wir mit den Handschuhen kaum noch die Schaltung bedienen können?

Eine Möglichkeit: Motivationslektüre!

Der ehemalige Profi David Millar gewährt uns mit seinem zweiten Werk „Auf der Straße – eine Saison im Peloton“ seltene Einblicke in den Radsportzirkus.
Erst mal ein paar Worte zum Autor: David Millar wuchs in Hongkong auf und wurde 1997 Profi bei der französischen Équipe Cofidis. Bei der Tour de France 2000 konnte Millar die erste Etappe – ein Einzelzeitfahren über 16,5 km – für sich entscheiden und trug in der Folge für drei Tage das Gelbe Trikot. In den nächsten Jahren folgten weitere Etappensiege bei der Tour und der Vuelta de Espana. Auch ein Sieg beim Einzelzeitfahren der Weltmeisterschaften in Hamilton und ein Sieg bei der Tour de Picardie konnte er für dich verbuchen.
Doch 2004 dann ein großer Einbruch: Er gibt im Rahmen der Cofidis-Affäre die Einnahme von EPO zu. Es folgte die Aberkennung seines Weltmeistertitels, die Entlassung bei seinem Team und eine zweijährige Sperre.
Für viele wäre hier das Ende der Geschichte gewesen. Nicht so für David Millar. Er ist wieder in den Sattel gestiegen, startete den Kampf gegen Doping und fuhr weitere Siege bei bekannten Rennen und Etappen ein bevor er 2014 seine Karriere beendete.
„Auf der Straße“  ist sein zweites Werk. Er beschreibt in 90 Kapiteln sein letztes Jahr im Rennsport, blickt aber auch immer wieder zurück auf seine Anfänge und spätere Jahre.
Teilweise schreibt er Szenen in Tagebuchform, teilweise erzählt er aus einer abgeklärten Perspektive, die dem Leser eine ganz einzigartige Welt eröffnet. David Miller macht uns deutlich wie spannend aber auch furchtbar eintönig das Leben eines Radprofis sein kann. Wie kurz die Sekunden zwischen Sieg und Niederlage und wie schnell aus Vorfreude Furcht wird.
Er schafft es diese Diskrepanz zwischen der Faszination und der Absurdität dieser Welt in vielen kleinen Situationen darzustellen: Wie ist es als Radprofi Weihnachten mit Familie und Freunden zu verbringen, ein normales Leben führen zu wollen, aber schon die nächste Saison, die Waage und das nächste Training im Kopf zu haben? Wie fühlt sich der nasse und kalte Winter an, wenn man trainieren muss, weil man Geld dafür bekommt? Über was reden Profis an der Startlinie des Rennens? Wie fühlt es sich an in einer beinahe wahnsinnigen Geschwindigkeit eine Abfahrt herunter zu jagen, direkt am Hinterrad des Vordermanns? Was denkt man eigentlich in einer Ausreißergruppe? Wie taktiert ein Radteam im Peloton? Und wie gewinnt man eigentlich ein Zeitfahren?
Diese und andere Fragen werden im Buch beantwortet – und zwar nicht in der Theorie sondern anhand von echten Erlebnissen.
Eines der für mich besten Kapitel erzählt vom Mannschaftszeitfahren der Tour de France 2009: Millar war für das Team Garmin unterwegs. Als bekannter Zeitfahrer in einem Team wie Garmin, das seine größten Erfolge bei Zeitfahren einheimste, sind die Erwartungen hoch. Doch unerwartet stiegen die ersten Fahrer schon früh aus, sodass nur noch die vier Zeitfahrspezialisten des Teams übrig blieben. Bradley Wiggins, Dave Zabriskie, Christian Vande Gelde und David Miller lieferten ein Rennen, das jeder Zuschauer nur ungläubig verfolgen konnte.
Ich erinnere mich noch sehr genau, wie ich das Zeitfahren im TV gesehen habe. Jetzt zu lesen, was er währenddessen gedacht hat, wie kurz die Erholungsphasen wirklich sind, wie viel Vertrauen, Können und Teamgeist nötig ist um diese Kilometer durchzustehen, war sehr interessant.
David Millar hat das Buch selbst geschrieben, ohne Ghost Writer und ohne Co-Autoren. Das ist bewundernswert, führt an der ein oder anderen Stelle aber zu langwierigen Beschreibungen, und unnötigen Ausschmückungen. Die über 300 Seiten sind aber durchaus empfehlenswert, auch wenn es an der ein oder anderen Stelle etwas langatmig ist.
Wer also Motivation braucht, ist an regnerischen Herbsttagen mit „Auf der Straße“ gut bedient. Selbstverständlich während man auf der Rolle Kilometer schrubbt ;-).

Also nichts wie hin zum Buchhändler – alternativ zu Amazon.

Katrin Kretschmer

Über Katrin:
Katrin Kretschmer, 29 Jahre alt, arbeitet im Management eines sozialen Trägers und macht ansonsten radelnd das Ruhrgebiet auf RTF und Marathonstrecken unsicher.

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