Reifen- und Pumpendrama vor dem Event

Am Sonntag, dem 31. Juli 2016, wollte ich Prudential London100 fahren – die 100 Meilen auf der Olympiastrecke von 2012.
Ich hatte die ganze Familie dabei; Luisa, Philippe und meine Mutter Beate.
Samstagfrüh waren wir rund um den Buckingham-Palace und Westminster zum Sightseeing unterwegs.
Buckingham Palace
Da ich Sonntag schon um halb sechs morgens im Startblock stehen sollte, und es lt. Karte etwa 8 km zu radeln waren, wollte ich Samstagnachmittag den Weg erkunden.
Deshalb verordnete ich der Familie nachmittags Hotelaufenthalt. Nach meiner Rückkehr sollte das Sightseeing-Programm weiter gehen.

Soweit, so gut.

Das Olympiastadion bzw. den Olympiapark zu finden war kinderleicht. Großräumig waren die Zufahrten beschildert, farblich kodiert. Ich war ‚Purple‘ und konnte meinen Startbereich gut finden.

Nachdem ich noch etwas durch den Olympiapark geradelt war, ging es die acht Kilometer zurück ins Hotel. Schließlich wolle ich die sightseeinghungrige Familie nicht warten lassen.
Elegant das Fahrrad neben dem Bett geparkt, streifte mein Blick zufällig das Hinterrad.

WTF! Ein Schnitt in der Reifendecke!

Tief war er. Sehr tief, aber nicht durch.
Aber will ich mit so einem Hinterrad 100 Meilen, also 160 km im Renntempo bestreiten? Nein, dachte ich.
Aber was tun? Einen Ersatzreifen hatte ich nicht im Reisegepäck.
Glücklicherweise lag mein Hotel direkt gegenüber des Excel-Messezentrums, wo es die Startunterlagen gab. Und natürlich konnte man da Radsachen kaufen.
Aber es war Samstagnachmittag, 15:45 Uhr. Ich wusste nicht, wie lange die Bike-Expo am Vortag des Rennens geöffnet hatte.
So nahmen Philippe und ich die Beine unter die Arme und sprinteten aus dem Hotel, über die Straße, durch die DLR-Station bis zum Messezentrum.
Die Spannung nahm merklich ab als ich sah, dass die Bike-Expo noch geöffnet hatte. Richtig relaxt war ich aber erst, als ich vor der Wand mit brandneuen Continental Grand Prix 4000s II stand :-).
… und Philippe musste mich fotografieren. Schließlich wollte ich das im Blog erwähnen.

Da der Preis mit knapp 30 GBP gar nicht so schlecht war, nahm ich gleich zwei GP 4000s II in 25er Breite.  Zwei deshalb, weil die Reifen auf meinem Rad GP 4000s II mit seitlichen Reflexstreifen waren, die es auf der Bike-Expo nicht gab.
Damit es gut aussieht, wollte ich also beide Reifen wechseln.
Gleichzeitig nahm ich noch zwei neue Schläuche mit, obwohl die Schläuche in den Reifen gut waren und ich außerdem noch Ersatzschläuche dabei hatte. Intuition irgendwie.

Und das Drama begann …

Zurück im Hotel begann ich sofort mit dem Hinterrad. Alles ging schnell von der Hand und ich dachte, dass wir trotz Wechsel von Vorder- und Hinterreifen schnell in die Stadt zum Sightseeing kommen würden.
Das Hinterrad pumpte ich, wie gewohnt auf Radreisen, mit meiner Lezyne Mini-Standpumpe auf. Die pumpt gut und man kann in der Tat 8 bar auf den Reifen bringen, was mit einer Handpumpe eigentlich nicht geht, selbst wenn die Handpumpe dafür ausgelegt ist. Schließlich fehlt einem dafür die Armkraft.
Da es schnell gehen sollte, achtete ich nicht darauf, ob das Hinterrad schon richtig Druck hat. Das wollte ich nachpumpen, nachdem auch der Vorderreifen gewechselt war.
Schnell den alten Reifen vom Vorderrad runter und den neuen drauf. Aufpumpen, fertig, denkste. Der Reifen war gegen die Fahrtrichtung aufgezogen. Wie blöd aber auch. Und anstatt einfach das Vorderrad zu drehen, was wäre schon dabei gewesen, nahm ich den Reifen noch einmal von der Felge. Schließlich stehe ich für saubere Arbeit!
Na ja, der Reifen war schnell gedreht und ich pumpte ihn gut voll. Mit dem Druckprüfer kontrolliert, waren es aber nur 6 bar. Hinten geprüft, 5 bar.
Kein Problem. Also hinten die Pumpe auf’s Ventil geschraubt und …
Es war unmöglich, Luft in den Reifen zu pumpen. Es war als sei das Ventil nicht geöffnet. Also schraube ich den Pumpenkopf wieder vom Reifen, ließ mit dem Finger etwas Luft aus dem Reifen, Pumpenkopf wieder drauf und pumpen …
Nichts, aber auch gar nichts ging. Ich dachte, das Ventil sei kaputt. Und das bei einem gerade neu gekauften Schlauch. WTF!
Also Hinterrad raus, Luft raus, Reifen abgehebelt, Schlauch raus, anderen Schlauch rein, Reifen drauf und pumpen …
Selber Effekt! Die Pumpe ließ sich nicht pumpen. Es war als versuchte ich einen Schlauch mit geschlossenem Ventil zu pumpen. WTF!
Sollte es an der Pumpe liegen? In der Tat. Auch ohne Schlauch bzw. Ventil kam vorne aus der Pumpe einfach nichts raus, obwohl sich in der Kammer Druck aufbaute.
Also schnell die Pumpe demontiert. Aber die Hoffnung, den Pumpendeffekt beheben zu können, war schnell dahin.

Man mag sich gut vorstellen, dass meine Familie mittlerweile leicht missmutig war, oder?
Welche weiteren Optionen hatte ich?
Erstens die Handpumpe, ebenfalls von Lezyme, die zwar bis weit über 10 bar ausgelegt ist, für die mir aber die Armkraft fehlt um auf die erforderlichen 7,5 bar zu kommen. Bei 5,5 bis 6 bar ist bei mir ‚Pumpe‘, im wahrsten Sinne des Wortes.
Zweitens, die C02-Kartuschen, von denen ich zwei an der Zahl auf der Bike-Expo gekauft hatte. Im Flieger darf man die ja nicht mitnehmen, aber ich wollte unbedingt gut gerüstet ins Rennen gehen.
Das war auch der Grund, warum ich mich, wider besseren Wissens, zunächst für Option eins entschied. Die Handpumpe.
Wie ein Stier pumpte ich das Hinterrad, in allen möglichen Arm- und Handstellungen. Wenn der Kopf hochrot war, machte ich Pause, und versuchte danach noch mehr rein zu pressen.
Als der Reifen sich endlich gut anfühlte, schraubte ich die Pumpe vom Ventil. Blöderweise löste sich gleichzeitig der Ventilkopf. Zisch. Der Reifen war leer, schneller als ich schauen konnte.
Zum Glück konnte ich den Ventilkopf wieder finden. Den schraubte ich auf und fasste einen neuen Plan.
Das Vorderrad war schon auf 6 bar aufgepumpt. Das Hinterrad würde ich mit der Handpumpe leicht auf 4 bar pumpen können, ohne einem Herzinfarkt zu erliegen. Warum also nicht eine C02-Kartusche opfern, um damit beide Reifen auf den richtigen Druck zu bringen?
Klasse Idee, dachte ich.
Beim Vorderrad machte es einmal kurz Zisch und die Sache war geritzt :-).
Am Hinterrad, nachdem ich mit der Handpumpe vorgepumpt hatte, machte die C02-Pumpe ebenfalls gute Arbeit. Zwar war das ganze Ventil vereist, aber der Reifen war prall gefüllt, sicher Richtung 8 bar.
CO2-Pumpe gelöst, Ventilkopf geschlossen und ffft … ein winziger Luftstrom war an den Fingern zu bemerken.
Nein, das konnte doch nicht sein, oder? Halluzinationen? Ab ins Bad und zurück mit einem vollen Wasserglas. Ventil eingetaucht, und was war zu sehen? Luftblasen.
Herrgott nochmal! Will hier jemand verhindern, dass ich am Rennen teilnehme?

Letzter Versuch!

Rad raus, Reifen seitlich abziehen, Schlauch raus, neuen Schlauch rein, Reifen wieder drauf.
Und nun, da ich wirklich keinen Bock mehr aufs Pumpen hatte, schweren Herzens die letzte CO2-Kartusche geopfert.
Zisch, und der Reifen war prall. Erleichterung.
Aber nur kurz! Wie zuvor war das Ventil nicht dicht! Im Wasserglas waren Blasen zu sehen. OMG! und WTF!

Ich war auf 180!

Zwei Stunden schraubte ich nun schon an dem Bock rum. Keine C02-Kartusche übrig und nur noch einen Schlauch! Und die Bike-Expo hatte mittlerweile ja auch schon geschlossen. Irgendwer wollte wohl nicht, dass ich fahre.
Fluchend den letzten Schlauch aufgezogen und dann mit der Handpumpe das Letzte gegeben. 5 bar waren wohl drin. Mehr ging nicht. Ich war mit den Kräften und Nerven absolut am Ende.
Pumpenschlauch vom Ventil abgedreht und – Ihr könnt es Euch vorstellen – den Ventilkopf wieder mit runter gedreht. Pffff …
Sohnemann Philippe lies zum Schluss heimlich sein Smartphone mitlaufen.
Einige Flüche habe ich anstandshalber raus geschnitten ;-).


 

Aber ich gab nicht auf!

Wie ich war, mit Radhose und Unterhemd, stellte ich mich vor’s Hotel und hatte nach 30 Minuten zwei Sportler aus Leicester gefunden, die ebenfalls im Hotel wohnten. Sie hatten eine Standpumpe im Auto.
Ich also hoch, Rad geholt und in der Hotellobby gepumpt. 8 bar vorne, 8 bar hinten. So viel brauchte ich gar nicht. Aber ich wollte auf Nummer Sicher gehen!

Meine Fresse, was für ein Nachmittag!

Das Sightseeing-Programm beschränkte sich dann auf den Besuch des Hardrock-Café-Museums.
Danach gab es noch Abendessen und um 23 Uhr waren wir wieder auf dem Zimmer. Sachen für’s Rennen hatte ich noch nicht gerichtet. So war ich erst nach Mitternacht im Bett und der Wecker klingelte um vier in der Früh.
Weder die Familie, noch ich waren sonderlich amüsiert.
Jetzt können wir darüber lachen :-).
Nachtrag: Als ich Luisa beim Schreiben des Artikels erzählte, dass ich vor Wut das Fahrrad aus dem Hotelfenster hätte werfen können, meinte sie trocken: ‚und ich Dich gleich mit!‘
Tja, wenn es ums Radfahren geht, hat man es nicht immer leicht mit mir.

 

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