Im Zweifel für die Angeklagte?

Femke Van Den Driessche

Ihr Name wird in die Geschichtsbücher eingehen, so oder so, als erste Person, die des ‚E-Doping‘  überführt wurde.
Die UCI nennt das offiziell ‚technological fraud‘, also ‚technischen Betrug‘ – und Betrug ist es immer, wenn wir von Doping sprechen.

Was wir bisher wissen

Das während des U-23 -Rennens bei der Cyclocross-WM in Zolder beschlagnahmte Rad wird Femke Van den Driessche zugeordnet. Sie ist amtierende Belgische-U23-Meisterin und U23-Europameisternin.
Die Beschlagnahme erfolgte nach einer Untersuchung von Rädern im Fahrerlager, während des Rennens, wohl schon in der ersten Runde.
Man hat Kabel und einen Motor im Fahrradramen gefunden.
Femke Van den Driessche, immerhin Mitfavoritin, hatte bereits zu Anfang des Rennens mechanische Probleme – und stieg schließlich, vor der letzten Runde, endgültig aus.

Was mir trotz Recherche bisher unklar ist

Hat Femke nach den mechanischen Problemen Ihr Rad gewechselt?
Hat sie nicht auf das manipulierte Rad wechseln können, weil es bereits in der ersten Runde beschlagnahmt wurde?
Hat sie überhaupt vom eingebauten Motor gewußt?

Die Story, die sie und ihr Vater auftischen

Femke und Ihr Vater behaupten, dass sie nichts von dem versteckten Motor gewusst hätten.
Das Rad hätte ehemals Femke gehört, aber man habe es Ende der vergangenen Saison an einen Freund der Familie verkauft.
Dieser Freund, der anscheinend öfter mit ihr trainiert, befuhr die offzielle Rennstrecke just vor dem WM-Rennen. Ein Mechaniker des Teams nahm das Rad aus Versehen, reinigte es und bereitete es für Femkes Renneinsatz vor.

Was mir an der Story nicht gefällt

Das Rad, ein Modell der Vorsaison, war also 100 % identisch, so dass ein erfahrener Mechaniker, der das Material der amtierenden U23-Europameisterin betreut, keinen Unterschied festgestellt hat?
Der ‚Freund‘ baut sich einen Motor ein – was er sicher darf, solange er keine Rennen fährt – versteckt ihn dann aber komplett und erzählt niemandem davon?
Nach dem Befahren der WM-Strecke lässt er sein sicherlich teures Rad einfach so stehen und merkt gar nicht, dass es weg ist?
Im Zweifel also für die Angeklagte?

Eines ist Fakt

Der UCI ist es egal, wem das Rad letztendlich gehört.
Sportlerin und Team sind verantwortlich dafür, dass die Räder den Vorschriften entsprechen.
Nach UCI-Statuten wird technischer Betrug mit Disqualifikation, mindestens sechsmonatiger Sperre und einer Strafe von bis zu 200.000 CHF bestraft.
Das Team kann darüber hinaus mit bis zu 1.000.000 CHF Strafe und einer Sperre belegt werden.

Wie auch immer

In jedem Fall reiht sich die Story in der Liste der skurrilsten Dopingausreden weit oben ein.
Wie integer die Familie Driessche in Sachen Doping ist, belegt die derzeitige Sperre von Femkes Bruder Niels, der mit EPO gedopt hat.
Interessant ist das allemal, auch wenn ich hier niemanden in Sippenhaft nehmen möchte.

Was bleibt

Es ist die Erkenntnis, dass man mit verhältnis wenig Aufwand Fahrräder technisch manipulieren kann, ohne es von außen sehen zu können. Bis zum vergangenen Samstag war es ja nur eine Vermutung.
Gut, dass die UCI im Profizirkus Tests durchführt.
Auch wenn man wie beim medizinischen Doping immer einen Schritt hinterher sein wird, technisches Doping ist leichter aufzudecken und es bedarf keiner B-Proben.
Bauchschmerzen habe ich deshalb für den Profibereich kaum.
Mehr Gedanken mache ich mir um den Jedermann-Sport.
Mit etwas Geld kann man sich leicht etwas mehr Druck aufs Pedal packen.
Macht es da noch Spaß, bei den Jdermannrennen oder den prestigeträchtigen Events mitzufahren?
Werden die Veranstalter sich Kontrollen einfallen lassen?
Wann wird der erste Betrüger im GCC erwischt?
Wie denkt Ihr darüber?
Follow #CyclingClaude

Über den Autor

Claude ist nach langer Radabstinenz, und mehr als 20 kg Übergewicht, seit 2008 mit dem Fahrrad unterwegs; nicht gut, aber mit Freude.
Neben gesunder Ernährung sind es v.a. ‚Gadgets‘ und neue Produkte rund ums Rad, die ihn interessieren.
Sein Herzblut hängt an der Vätternrundan in Schweden – 300 km die ihm jedes Jahr aufs neue Respekt abverlangen.
Dass sein Blog 2015 unter die Top-10 (Platz 4) gewählt wurde, freut ihn sehr.

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