Bikefitting / Bikegeometrie

Heute morgen haben meine Augen wieder einmal die Rennrad-Kolume von Marc Bator in der Online-Ausgabe von ‚Die Welt‘ gestreift.

Mehr als ‚Streifen‘ ist es ja meist nicht, denn das Lesen von Marcs Kolumne habe ich mir schon länger abgewöhnt.

Nach anfänglicher Selbstdarstellung mit ‚Götter und Heldensagen‘ von Marc Bator (kein Rennen unter einem 40er Schnitt, 200 Watt im Schnitt auf der Rolle, nach Monaten verletzungsbedingter Rad-Abstinenz …), schreibt Marc nunmehr kaum mit Leichtigkeit, sondern oft mit Seichtigkeit.

Vielleicht sollte Die Welt mal darüber nachdenken, den Kolumnisten auszutauschen, statt irgendwann die Kolumne einzustellen?

Bikefitting

Nun aber zum eigentlichen Thema, Bikefitting, worüber Marc diese Woche geschrieben hat: Ein Rad muss sitzen wie ein guter Anzug

Marc schließt seinen Text mit den Worten ‚Ein Rad muss sitzen wie ein guter Anzug. Der spannt ja bekanntlich auch nicht. Vielleicht haben Sie auch Glück, und es passt alles auf Anhieb. Wenn ja, herzlichen Glückwunsch! Falls nicht, willkommen im Klub.‘

‚Willkommen im Klub‘ muss aber nicht sein, vorausgesetzt man hat einen von der Größe her passenden Rahmen, den man sich durch ein professionelles Bikefitting anpassen lässt, oder – noch besser – man macht ein professionelles Bikefitting, bevor man ein neues Rad kauft.

Mit den richtigen Werten ist es überhaupt kein Problem, die passende Rahmengröße zu wählen.

Viele Leute schauen vor allem auf die Oberrohrlänge und wundern sich hinterher, dass der Rahmen nicht passt. Die Oberrohrlänge ist nämlich nicht Maß aller Dinge, da sie von der Radgeometrie (Steuerrohr- und Sitzrohrwinkel, Steuerrohrlänge) abhängt. Von drei Fahrräder mit gleich langem Oberrohr, aber unterschiedlicher Geometrie, kann eins gut passen, eins kann zu groß, das Dritte aber zu klein sein.

Eine Dreiecksbeziehung

Bildschirmfoto 2015-02-07 um 10.46.16Um ein Rad richtig einzustellen, braucht es genau vier Werte:

1) Sitzhöhe
2) Sattelposition
3) Sitzlänge
4) Lenkerhöhe / Sattelüberhöhung

Um richtig zu sitzen, bzw, die Kraft optimal aufs Hinterrad zu bekommen ist das Dreieck mit den Schenkeln 1 und 2 relevant.

Der Rahmen passt  aber erst 100%ig, wenn die Werte 3 und 4 über Vorbaulänge, Vorbauwinkel und Spacer richtig angepasst sind. Allerdings sollte man beachten, dass ein Rad mit kürzerem Vorbau schnell nervös wird. Einen Rahmen mit einem 60er Vorbau auf passend zu trimmen, kann ich nicht empfehlen.

Falls beim Mietrad im Trainingslager Sitzlänge und Lenkerhöhe nicht ganz passen, ist das aber auch kein Beinbruch. Erfahrungsgemäß ist eine gering längere Sitzlänge bei gleichzeitig geringerer Sattelüberhöhung – bzw. umgekehrt – ebenfalls gut fahrbar; solange Sitzhöhe und Sattelposition richtig eingestellt sind.

Richtige Werte durch professionelles Bikefitting

Dummerweise kann man die richtigen Werte nicht einfach so zuhause ermitteln.

Mein erstes Rennrad kaufte ich nach Gefühl. Irgendwie saß ich ganz gut drauf. Zuhause versuchte ich mich dann an der richtigen Einstellung, mit Übungen wie ‚Lot durchs Knie und Pedalachse‘ etc.

Im Laufe der Saison, passte ich nach Gefühl die Vorbaulänge an und verschob den Sattel etwas nach vorne, weil ich meinte, damit besser zu sitzen.

Beim nächsten Rad lief es ähnlich.

Irgendwann war ich dann zu meinem ersten Laktattest beim Radlabor in Frankfurt und buchte gleichzeitig eine Sitzpositionsanalyse (Medium).

Ich kam damals mit meinen zwei Rädern zu Stefan Zelle, der sich aber zunächst meines Körpers annahm. Mit Hilfe der Lasermesstechnik wurde ich komplett gescannt bzw. vermessen.

Werte, an denen sich die nächsten Jahre nichts ändern dürfte, schließlich bin ich ausgewachsen, dienen als Grundlage zur Ermittlung der optimalen Sitzhöhe, Sattelposition etc. (siehe oben).

Erst dann waren meine Räder dran.

Baff erstaunt war ich vom Resultat: Mein Sattel war ganze zwei Zentimeter zu weit vorne und meine Lenkerhöhe musste deutlich verringert werden. Mit einem zusätzlichen Spacer und gedrehtem Vorbau (+6° statt -6°) war das schon ganz passend, wobei die genaue Lenkerhöhe wegen fehlender Gabelschaftlänge nicht ganz getroffen werden konnte. Das nahm ich damals aber hin, da ein Vorbau mit +17° Winkel aus ästhetischen Gründen nicht infrage kam.

Beim Kauf des nächsten Rads habe ich genau auf meine Radlabor-Messwerte geachtet und ein 100% passendes Rad bekommen, was ich mit Hilfe von Senkblei, Wasserwaage und Zollstock prima einstellen konnte.

Ähnlich lief es dann bei meinem ersten Eigenbau, dem Litespeed Altherrenrad. Hätte ich mich beim Rahmenkauf nur auf die Oberrohrlänge geachtet wäre der Rahmen ein Fehlkauf geworden. Statt Rahmengröße M/L hätte ich sicher M gewählt. Ganze 1,9 Zentimeter länger ist das Oberrohr des Litespeed-Rahmens, in Größe M/L, im Vergleich zu meinem Rose. Trotzdem fahre ich ich auf dem Litespeed einen 110er Vorbau und auf dem Rose nur einen 100er.

Hätte ich stattdessen den Litespeed-Rahmen in Größe M genommen, müsste ich statt dem 110er Vorbau einen 130er fahren.

Fazit

Über ein professionelles Bikefitting sollte jeder einmal nachdenken, wobei es wichtig ist, dass man seinen Körper komplett vermessen bekommt und die passenden Werte für Sitzhöhe, Sattelposition, Sitzlänge und Lenkerhöhe mit nachhause nimmt. Sonst kann man später keine andere Räder einstellen.

Wer in der Nähe von Frankfurt, Freiburg oder München wohnt, dem sei das Radlabor ans Herz gelegt – vielleicht gleich in Kombination Bikefitting und Laktattest.

Interessant in diesem Zusammenhang ist ein Artikel auf Tim Böhmes Blog: Mehr Power am Hinterrad durch eine optimale Sitzposition.

 


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