Vätternrundan 2014

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2014 wurde die Vätternrundan zum 49. Mal ausgetragen – und ich war,  im Alter von 49 Jahren, zum fünften Mal am Start.
Ich hoffte, unbeschadet ins Ziel zu kommen, um meine ‚Jubiläumsmedaille‘ in Silber mit einer ‚5‘ abholen zu dürfen.
Das war mein Hauptziel. Im schlimmsten Fall wäre ich auf den Brustwarzen über die Ziellinie gekrochen.

Endlich Sub 11? Nein, sogar Sub 10!

Dennoch hatte ich wieder eine Zeitvorgabe. Nachdem ich 2012 mit einigem Ungemach und sehr viel Regen in 11:11 h brutto ins Ziel gekommen war und 2013 trotz Trainingslücken eine 11:10 h raus gekommen war, sollte es diesmal endlich unter 11 Stunden, also Sub 11, gehen.
Dafür hatte ich seit Weihnachten kräftig trainiert und und Ende Mai schon sagenhafte 6.000 km in den Beinen.
Außerdem hatte ich technisch ‚aufgerüstet‘.
Meinen Laufradsatz Shimano Dura Ace C50 hatte ich gegen das 35-mm-Modell getauscht, weil die 50-mm-Hochprofilfelgen bei schwedischen Starkwinden doch sehr nachteilig sind, wie ich 2013 erfahren musste. Im Nachhinein betrachtet, war das genau die richtige Entscheidung, weil es 2014 noch windiger war.
Trainiert wurde seit Februar wattgestützt mit dem Garmin Vector und seit Mai mit dem persönlichen Trainingsplan vom Radlabor, was gar nicht so schlecht war. Dann bekommt man nämlich den Arsch hoch, auch wenn man nicht will. Der Trainer kontrolliert nämlich.
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Nun, um es vorweg zu schicken, nicht nur die 11-Stunden-Grenze sollte 2014 fallen. Letztendlich hatte ich mit einer Bruttofahrtzeit von 9:55:52h meinen bisherigen persönlichen Rekord um 1:15 Stunden unterboten; sensationell, v.a. auch wegen des sehr starken Gegenwinds auf den 150 km der Westseite des Sees.
So, nun aber der Reihe nach :-).

Früh in Schweden

Zunächst ist zu berichten, dass wir diesmal schon recht früh nach Motala aufgebrochen waren.
‚Wir‘, das waren in diesem Jahr Stefan, Florian mit seiner Frau Canan, meine Freundin Luisa und ich.
Obwohl die Vätternrundan erst am Abend des 13. Juni starten sollte, trafen wir bereits am 6. Juni in Motala ein.

Luisa, Stefan und ich waren in meinem packe vollen Skoda Yeti über Kiel angereist, weil wir die nächtliche Fährfahrt Kiel-Göteborg genießen wollten.
Canan und Florian hingegen fuhren mit ihrem VW Camper von Florians Vater über die dänischen Brücken. Eine beschwerliche Anreise, wie sie feststellen mussten.

Camping Z-Parken

Wie immer campten wir auf dem Campingplatz des Fußballclubs BK Zeros, direkt hinter dem zweiten Fußballplatz. Unser Lager war beeindruckend.

Am Samstag ging es für Canan auf die 100 km des Tjeilvättern (Frauenvättern), den sie trotz wenig Training auf einen Dahon Klapp-MTB meisterte. Hut ab, Canan!
Florian, der – obwohl bei den Frauen erklärlicher Weise nicht startberechtigt – hatte seine Frau auf der Tour begleitet und wurde ebenfalls kräftig nass geregnet, nachdem kurz nach dem Start ein heftiges Gewitter nieder ging.
Abends, auf dem Campingplatz ‚Z-Parken‘ am Varamon-Strand, waren die Strapazen nach einigen Bier schnell vergessen und Florian entschloss sich spontan, am folgenden Tag mit Stefan und mir den Halvvättern über 150 km zu fahren, obwohl er keine Anmeldung bzw. Startnummer hatte.
Den Bericht zum Halvvättern findet Ihr übrigens hier.
Dienstagabend stieß Thomas, unser Teamgefährte von Rennrad FFM zu uns, der den Weg von Göteborg bis Jönköping auf dem Rad zurück gelegt hatte, von wo Stefan ihn mit dem Auto abholte.
Florian, Canan, Luisa und ich hatten derweil mit dem Camper Stockholm besucht und waren Mittwoch zurück.
Donnerstagabend kamen Jens aus Offenbach, den ich über meinen Blog kennen gelernt hatte, sowie meine Rügener Vätternfreunde Jana, Vilja, Horst und Ole zum Z-Parken, sodass wir eine recht große Truppe waren, die hinter der Torauslinie campierten.
Horst und Tochter Jana waren angetreten, ihre 10. Runde zu machen, was mit der Goldmedaille belohnt wurde.  Jana blieb dabei ebenfalls unter 10 Stunden. Allerdings gebührt Horst meine allergrößte Hochachtung, weil er das Ding mit 74 Jahren souverän runter gefahren ist.
Die Zeit bis Freitag verlustierten wir uns u.a. mit Zuschauen beim Jugendfußball – schließlich hatten wir beste Plätze – mit Wein- und Biertrinken am abendlichen Strand, Kette putzen, Kette wechseln, Schaltung einstellen, Biertrinken, Zusatzflaschenhalter anbringen, wieder Biertrinken …

… und Schaltung einstellen …

Ach ja, Bier gab es auch noch :-).
Zwischendurch fuhren wir ein wenig Rad und es ging immer wieder mal zum Expogelände, um unsere Startnummern abzuholen und Radklamotten zu shoppen. Ich konnte dabei nicht widerstehen, wasserdichte Socken zu kaufen, mit denen ich dann auch gefahren bin. Ob sie wirklich dicht sind, konnte ich aber nur im Expozelt testen, weil es auf der 2014er-Rundan (zumindest für uns) trocken blieb.

Meine Startnummer hatte übrigens einen roten Punkt rechts oben, damit man sehen konnte, dass ich auf der 5er-Jubiläumsrunde war.
Natürlich war auch das Wetter wieder ein heiß diskutiertes Thema.
Nachdem wir zu Anfang der Woche herrliches Sonnenwetter hatten, regnete es Mittwoch und Donnerstag, nicht lang, aber heftig. Außerdem frischte der Wind immer mehr auf.
Unsere Wetter-Apps waren sich allerdings nicht einig, ob es währender Rundan regnen würde. Viel, viel (Nord-) Wind sagten aber alle voraus. So kam es dann auch.
Stefan, Thomas, Florian und ich hatten übrigens eine Startzeit am Samstagmorgen um 1:34 Uhr zugewiesen bekommen. Die Rüganer waren witziger Weise sechs Minuten vorher, um 1:28 Uhr an der Reihe.
Einzig Jens‘ Startzeit war so bei 21 Uhr irgendwas.
Wir alle hatten uns Freitagnachmittag hingelegt. Thomas und Stefan ratzten entspannt im Zelt und Florian schlief im Camper. Nur ich konnte nicht schlafen. Lediglich dösen war drin. Aber das kannte ich schon von den vergangenen Jahren. Sitzt man erst einmal auf dem Rad, ist man sowieso hell wach – und bleibt es auch bis ins Ziel.

Gut eingepackt brachen wir frühzeitig auf, um am Start noch etwas die Atmosphäre zu schnuppern.

Natürlich durfte das obligatorische Foto auf dem Vätternrundandenkmal am Seeufer nicht fehlen.

Um 1:33 Uhr standen wir dann an der Startlinie, live im Internet, und fieberten unserem Start entgegen.
Übrigens gingen, über die ganze Nacht verteilt, immer in 60er Gruppen, 19452 der gemeldeten 23000 Fahrer an den Start. 18683 schafften es bis ins Ziel – und wir waren darunter.
Wie immer ging es vom Start weg, von Motorrädern eskortiert, bis zur Stadtgrenze. Diszipliniert warteten wir bis sich eine erste Gruppe sortiert hatte, ohne gleich vornweg zu fahren.
Mit gutem Rückenwind, manchmal auch seitlich, wurden wir Richtung Jönköping geblasen. Von Anfang blieben Stefan, Thomas und ich zusammen. Florian hingegen nahm klugerweise gleich etwas Fahrt raus und wartete auf eine Gruppe, die sein Tempo fuhr.
Meine Laufräder rollten gut, auch wenn der Seitenwind manchmal etwas am Vorderrad zupfte. Mit den 50-mm-Felgen wäre es sicher unangenehmer geworden.
Zügig ging es voran. Unser Plan war, an keinem richtigen Depot zu halten, da das zu viel Zeit kostet. Lediglich das Wasserdepot bei km 148 sollte angefahren werden, da außer frischem Wasser (ich hatte zwei Einliterflaschen dabei) nichts benötigt wurde.
Eine Stunde nach dem Start war es schon akzeptabel hell und mit dem Rückenwind lief es sehr gut.
Wir waren sehr schnell unterwegs, auch wenn wir manchmal nur zu dritt fuhren, oder Tempo in den Gruppen machten. Dennoch hielten wir uns klug an unseren Plan und ließen zu schnelle Züge ziehen, statt uns kaputt zu fahren.
Kurz vor Jönköping schlossen wir uns einer größeren Gruppe an, die einen Belgischen Kreisel fuhr – allerdings ohne uns. Die Fahrer rotierten lediglich innerhalb ihrer Gruppe. Der Teamcaptain fuhr dahinter, dirigierte seine Gruppe und achtete darauf, dass wir nicht störten. Eine ganze Gruppe ‚versprengter‘ Einzelfahrer hing dahinter und die Fahrt war ziemlich unruhig.
In dieser Gruppe fand ich Ole, den Rüganer, der an einem Depot rausgegangen weshalb wir aufgeschlossen hatten. Jana war aber auf und davon.
In dieser Truppe trotzten wir dem Gegenwind, der laut Berichten des Veranstalters stellenweise bei 11 m/s gelegen haben soll, und uns die ganzen 150 km nordwärts mächtig ärgerte.
Irgendwann hatten wir das Wasserdepot erreicht. Obwohl ich noch knapp einen Liter Getränk in der Flasche hatte, entschlossen wir uns raus zu fahren, da dieser Stopp schneller ist, als später irgendwo in ein richtiges Depot rein zu fahren.
Dadurch mussten Stefan, Thomas  und ich die schnelle Gruppe ziehen lassen.
Ich füllte meine leere Literflasche komplett und zog meinen Fleecepulover aus, den ich dort eigentlich zurück lassen wollte. Zunächst stopfte ich ihn aber vor die Brust, wel ich zu sehr geschwitzt war.
Dummerweise waren wir nicht schnell genug, um beim Ausfahren eine andere Großgruppe zu erwischen. So mussten wir eine Zeit selbst Gas geben, bis wir endlich dran waren.
Irgendwie schafften wir es ganz gut bis Hjo, wo Thomas entschied raus zu fahren, weil er keine Gels und Rigel mehr sehen konnte. Die Lasagne in Hjo schien ihm zu verlockend.
Nun waren nur noch Stefan und ich zusammen und suchten wieder nach einem passenden Zug, den wir schnell finden konnten.
Dennoch war der starke Wind sehr ermüdend.
Vorne fahrend sahen wir, wie durch einen Fahrfehler, links und rechts hinter uns, mehrere Räder weg flogen. Zum Glück ist dabei nicht mehr passiert.
Irgendwann hatten wir die Gruppe aber verloren.
Auf der Strecke zwischen Boviken und Aspa, und dann weiter Richtung Hammarsund,  waren wir viele Kilometer alleine dem scharfen Wind ausgesetzt, der mehr und mehr von schräg vorne blies und das Fahren gefährlich werden lies.
Mit uns waren zwar einige andere versprengte Fahrer und kleine Grüppchen unterwegs, aber wir waren schneller als die anderen, sodass uns niemand Windschatten bot.
Ich versuchte Stefan davon zu überzeugen, Tempo raus zu nehmen, um uns in der Führungsarbeit mit den anderen abwechseln zu können.
Stefan wollte aber nicht. Ich nahm Tempo raus und er entschwand, schwer gegen den Wind kämpfend.
Nun war ich auf mich alleine angewiesen und kämpfte mich vor, bis zur Brücke über den Hammarsunded. Ab da gab es wieder Rückenwind, der roh und unberechenbar von hinten rechts ins Rad fegte.
Hättes es jetzt noch geregnet, wäre es ein sehr gefährliches Unterfangen geworden. Aber es schien die Sonne – warm, sehr warm.
Zeitmäßig lag ich so, dass ich knapp unter 10 Stunden bleiben konnte, würde ich nicht mehr stoppen.
In meiner Wintermontur war ich aber am kochen. Meine Füße steckten in den wasserdichten Socken und die Schuhe wiederum in Winterüberschuhen. Die Knielinge waren unangenehm warm, genau wie die Ärmel der Windstopperjacke. Am meisten machte mir aber die warme Helmmütze zu schaffen.
Ich überlegte einige Zeit, ob  ich zum Ausziehen anhalten sollte, auf die  Gefahr hin, die Sub10 nicht zu schaffen.
Rechts am Straßenrand, hinter der Leitplanke, saß ein älteres schwedisches Ehepaar auf seinen Campingstühlen und schaute den Radfahrern zu.
Ich legte eine Vollbremsung hin und kam genau neben ihnen zum stehen. Sie verstanden zwar kein Englisch, halfen mir aber bereitwillig beim Ablegen und Verstauen der Kleidung.
Startnummernband ab, Jacke aus, Ärmel weg, Knielinge weg, Wintermütze gegen Kappe getauscht, Helm wieder auf, alles in die Rückentaschen gestopft …
Das alles ging ziemlich flott, hat aber sicherlich fünf Minuten gedauert.
Die Sub10 zu schaffen, war nun fast aussichtslos. Aber mein Ziel war Sub 11 – und mit 10:05h ins Ziel zu kommen war ja auch ein Riesenerfolg.
Dennoch keulte ich was es ging. Mit allem Elan flog ich die Steigung in Medevi hoch, vorbei am letzten Depot.
23 km waren es noch, aber ich hatte ab Medevi keine Gruppe und kämpfte mit mir alleine.  Nur noch versprengte Einzelkämpfer waren unterwegs, die sich – wie ich – kaum noch auf dem Rad halten konnten. Ich sprang von einem zum anderen, aber alle waren zu entkräftet.
Etwa 10 Kilometer vor dem Ziel hörte ich dann ein mächtiges Summen vom hinten. Mir ging das Herz auf,  denn ich wusste, was da kam. Eine Verband schob sich mit einem gefühlten Schnitt von 40 km/h an mir vorbei.
Ich sprang ans Hinterrad des letzten Mannes und konnte irgendwie mithalten. Sagenhaft! Wir flogen an den Einzelfahrern förmlich vorbei und einige schafften es wie ich, denn Anschluss zu halten.
Als wir am Campingplatz Z-Parken vorbei kamen realisierte ich, dass ich die Sub10 dank der Gruppe noch drin hatte.
Letzte Kräfte wurden frei gesetzt. Ich hörte Canan, die am Streckenrand stand, meinen Namen schreien. Sehen konnte ich sie aber nicht. Zu sehr war ich auf die schnelle Fahrt konzentriert.
Aus Sicherheitsgründen ließ ich einen kleinen Abstand zwischen der Gruppe und mir. Zu oft schon hatte ich Stürze auf den letzten zwei Kilometern gesehen.
Aber dennoch ging es bang, bang, bang, noch einmal Linkskurve, dann Rechtskurve und gleich wieder Linkskurve. Das Seeufer und die Zielgerade waren erreicht.
Ich war so fertig, dass ich alleine nicht vom Rad kam, aber super froh, die Silbermedaille mit der 5 um den Hals zu haben.
Wie schon oben erwähnt schaffte ich eine Zeit von 9:55h, dank der letzten Gruppe, einem Team aus Finnland mit ‚Ti-Tim‘ als Aufschrift auf dem Rücken. Vielen Dank, unbekannterweise!!!
Im Zielbereich traf ich Stefan und Jana. Die beiden hatten sich auf den letzten 30 km getroffen und sich gegenseitig motiviert.
Stefan hatte eine 9:51 hingelegt und auch Jana, die kurz vor uns gestartet war, konnte ebenfalls knapp unter zehn Stunden bleiben.
Zu dritt genossen wir je zwei kalte Bier und freuten uns gewaltig über unsere Medaillen.

Danach gingen wir zum Ergebniszelt und schauten wo die anderen zeitlich lagen.
Erstaunt stellten wir fest, dass Florian und Thomas schon im Ziel waren – und zwar zeitgleich.
Beide hatten Sub11 geschafft, wenn ich mich recht erinnere, mit 10:44h. Saubere Leistung, Jungs!
Für mich ist mit dem Erreichen von Sub10 das Streben nach schnellen Zeiten vorbei.
Ich will mit 50 meine sechste Vätternrundan machen, bei der 50.-Jubiläumsausgabe. Aber die Fahrtzeit ist mir dann egal. Vielleicht halte ich sogar in jedem Depot und genieße Blaubeersuppe, Zuckerbrötchen, Lasagne und Krautsalat. Verdient habe ich es mir allemal.
Bis ich 60 bin, möchte ich zehnmal gefahren sein. Platz an der Wand bei mir im Flur ist ja noch :-).

Hier sind übrigens noch zwei Videos: Das erste mit Front- und Rückkamera, das zweite komplett nach hinten, mit der Fly6 gefilmt.

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