Teilschuld durch fehlende Sorgfaltspflicht

‚Düsseldorfer Landgericht: Rennradfahrer rast Fußgänger tot – so lautet das Urteil’

…titelte der Express in seiner Online-Ausgabe.
Fast 30 Stundenkilometer, hieß es, habe der Rennradfahrer drauf gehabt, als er durch die Bismarckstraße RASTE und mit einem Fußgänger kollidierte, der kurz darauf starb.
Aus diesem Grund, so der Express, war der Rennradfahrer wegen fahrlässiger Tötung angeklagt.
Der Fußgänger, übrigens vom Express als Opfer bezeichnet, welches nach Zeugenaussage laut auf den Boden aufklatschte, bekam vor Gericht eine Teilschuld, weil er, mit seinem Handy beschäftigt, nicht auf den Verkehr geachtet hatte.
Lt. Express wurde der Radfahrer zu 180 EUR Geldstrafe und 200 Stunden gemeinnütziger Arbeit verurteilt.

Kann ein deutsches Gericht so gegen Radfahrer urteilen?

Als ich das las, schwoll mir der Kamm. Einerseits war dies Rennradfahrer-Bashing eines Boulevardblattes auf Bild-Niveau, dessen Klientel genau so etwas lesen will. Andererseits konnte ich nicht glauben, dass ein deutsches Gericht so gegen Radfahrer urteilen würde.
Also begann ich zu recherchieren und merkte schnell, dass der Express-Artikel in wesentlichen Teilen falsch war.

Express stellt Sachverhalt falsch dar

Außer der traurigen Gewissheit, dass der Fußgänger am Abend des Unfalltages an seinen Kopfverletzungen verstorben war, stimmte beim Express so gut wie nichts.
Nicht einmal das Gericht war korrekt angegeben. Die Sache wurde nämlich vor dem Amtsgericht Düsseldorf verhandelt, nicht aber vor dem Landgericht.
Das Gericht war der Auffassung, dass der verstorbenen Fußgänger eine ganz erhebliche Mitschuld trug, weil er mit seinem Handy spielte, während er auf die Straße trat.
‚Erhebliche Mitschuld’ klingt anders als die vom Express dargestellte ‚Teilschuld’.
Die Schuld des Radfahrers wurde hingegen als geringfügig befunden.
Auch erging kein Urteil gegen den Radfahrer. Das Verfahren wurde eingestellt, jedoch gegen die oben erwähnten 180 EUR Geldbuße und das Ableisten von 200 Sozialstunden.
Übrigens ließ es das Gericht offen, ob die knapp 30 km/h als ‚angemessenes Tempo’ für einen Radfahrer im Stadtgebiet gelten. Von ‚Rasen‘ kann also nicht die Rede gewesen sein.

Nun wollte ich es genau wissen:

Worin liegt die Teilschuld des Radfahrers begründet? Wäre ein Autofahrer genauso behandelt worden?
Dankenswerter Weise stellte sich der Pressesprecher des Amtsgerichts Düsseldorf meinen Fragen am Telefon.
Generell gilt die StVo auch für Fahrradfahrer und Fußgänger.
Obwohl der Rennradfahrer bei 30 km/h die zulässige Höchstgeschwindigkeit nicht überschritten hatte, stellt sich die Frage, ob sein Tempo in besagter Situation angemessen war.
Schließlich hat man als Verkehrsteilnehmer eine Sorgfaltspflicht und muss plötzlich auftretenden Hindernissen ausweichen, bzw. rechtzeitig bremsen können.
Das war hier unter Umständen nicht der Fall. Auch wenn die Möglichkeiten des Angeklagten, noch rechtzeitig zu stoppen, begrenzt waren, war der Fußgänger von weitem zu sehen und zunächst durch Rufen gewarnt.
Dies wurde durch das Gericht aber nicht weiter untersucht. Da der Angeklagte durch seinen Verteidiger darlegen konnte, wie sehr ihn das Vorkommnis, auch noch nach Monaten, in seinem privaten und beruflichen Leben mitnimmt, beantragte die Staatsanwaltschaft das Einstellen des Verfahrens – gegen die besagte Buße.
Ein Autofahrer, so der Pressesprecher, wäre übrigens nicht unbedingt so glimpflich davon gekommen. Ein Pkw ist schwerer als ein Rennrad. Somit geht vom PKW ein höherer Grad abstrakter Gefahr aus, die mit der Sorgfaltspflicht des Verkehrsteilnehmers einher geht.

Fazit, bzw. was lerne ich daraus?

Auch wenn mir die Buße des Radfahrers zunächst als zu hart vorkam, muss ich erkennen, dass durchaus eine Teilschuld einzuräumen ist.
Man sollte als Radfahrer also generell vorsichtig sein, egal ob als Rennradfahrer im Stadtverkehr oder als Mountainbiker auf dem Waldweg.
Pfeift man schnell an einem Fußgänger vorbei, der unbedacht einen Schritt zur falschen Seite macht, ist man schneller dran, als man denkt – auch wenn nicht alle Unfälle so fatal enden.
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