Sind wir Rennradfahrer so schlecht wie unser Ruf?
Am Wochenende erlebte ich auf dem Weg zum Fitnessstudio eine Situation, die mich nachdenklich gemacht hat. Ein Rennradfahrer fuhr innerorts bei Rot über die Ampel – für alle sichtbar. Ich blieb mit dem Auto stehen. Wenig später, außerorts, fuhr ich hinter demselben Radfahrer. Gegenverkehr, keine Möglichkeit zum Überholen. Ich wartete geduldig, bis ich sicher mit ausreichend Abstand überholen konnte.
Alles okay für mich. Aber dann wurde mir bewusst: Der Radfahrer hatte Glück, dass ich hinter ihm fuhr. Wie viele andere Autofahrer hätten ihn dort – vielleicht noch wütend wegen des Rotlichtverstoßes – viel zu eng überholt? Vielleicht sogar als eine Art „Bestrafung“?
Diese Erkenntnis brachte mich zum Nachdenken über ein Problem, das wir im Straßenverkehr dringend ansprechen müssen.
Das Problem mit der Sichtbarkeit
Rennradfahrer kämpfen in Deutschland mit massiven Vorurteilen. Das größte: „Die fahren eh alle bei Rot über die Ampel.“ Und dann passiert genau das – demonstrativ, sichtbar, unüberlegt, vielleicht sogar provokant. Nicht heimlich an einer leeren Kreuzung, sondern mitten im Verkehr, während Autofahrer an der roten Ampel warten, bzw. der Querverkehr gerade losfahren will.
Was macht das mit den Autofahrern? Es bestätigt ihre Vorurteile. Es schürt Ärger und Frustration. Und ja, bei einigen führt es dazu, dass sie später beim Überholen nicht die vorgeschriebenen 1,5 Meter innerorts oder 2 Meter außerorts einhalten.
Eines muss klar sein
Ein Regelverstoß rechtfertigt niemals einen anderen Regelverstoß. Punkt.
Aber – und das ist wichtig – es wäre naiv zu glauben, dass unser Verhalten im Straßenverkehr keine Atmosphäre schafft.
Warum gerade Rennradfahrer?
Wir Rennradfahrer fallen auf. Unsere Trikots, die aerodynamische Haltung, die Geschwindigkeit… Wenn ein Rennradfahrer bei Rot über die Ampel fährt, wird das stärker wahrgenommen als bei einem Stadtradler, länger erinnert, auf „die Rennradfahrer“ generalisiert
Das ist unfair, aber es ist die Realität. Und diese Realität hat Konsequenzen für alle Radfahrer auf der Straße.
Der Unterschied, der zählt
Es gibt einen gewaltigen Unterschied zwischen:
Rechts abbiegen an einer leeren Kreuzung, wenn niemand kommt – wer macht das nicht?
Bei vollem Verkehr geradeaus über eine gerade rot gewordene Ampel „kacheln“ – also unter den Augen derer, die sowieso Vorurteile haben.
Das eine ist ein stiller Verstoß ohne soziale Konsequenzen. Das andere passiert vor den Augen aller Wartenden – und wird, ob beabsichtigt oder nicht, als „Die Regeln gelten für mich nicht“ wahrgenommen.
Mein Appell
An alle Rennradfahrer da draußen:
Wir sind sichtbar. Wir sind schnell. Wir sind auffällig. Das macht uns zu Botschaftern – ob wir es wollen oder nicht.
Wenn wir bei vollem Verkehr demonstrativ Regeln brecht:
- Heizten wir die Stimmung gegen Radfahrer an
- Machen wir es anderen Radfahrern schwerer
- Geben wir denen Munition, die ohnehin schon gereizt sind
Das rechtfertigt kein gefährliches Überholen. Nie. Aber es macht die Straßen für uns alle unsicherer und unangenehmer.
Wer für mehr Rücksicht auf Radfahrer werben will, sollte selbst Rücksicht zeigen. Nicht aus Angst vor Konsequenzen, sondern aus Respekt – vor den Regeln, vor anderen Verkehrsteilnehmern und vor den vielen Radfahrern, die unter den Vorurteilen leiden, die einige wenige bestätigen.
Die nächste rote Ampel? Haltet an. Besonders wenn andere zuschauen. Nicht weil ihr müsst, sondern weil ihr damit für alle Radfahrer auf der Straße etwas Gutes tut.
Es geht nicht darum, perfekt zu sein. Es geht darum, nicht aktiv Öl ins Feuer zu gießen.
Und jetzt seid ihr dran: Wie seht ihr das? Werdet ihr dem schlechten Ruf, der uns Rennradfahrern anhängt, gerecht? Haltet ihr konsequent an roten Ampeln – oder gibt es Situationen, wo ihr „Ausnahmen“ macht? Sollten wir als Rennradfahrer bewusst ein gutes Beispiel geben, gerade weil wir so sichtbar sind?
Ich bin gespannt auf eure ehrlichen Meinungen in den Kommentaren!
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Volle Zustimmung von mir.
Hallo Claude, dass es sich inzwischen eingebürgert hat, dass trotz anderslautender Festlegung in der StVO, das Rot einer Ampel von vielen Verkehrsteilnehmern nur als Empfehlung betrachtet wird, erlebe ich auch jeden Tag. Dass Du das beklagst, ist in Ordnung.
Aber was sagt mir der Satz: Die nächste rote Ampel? Haltet an. Besonders wenn andere zuschauen. Nicht weil ihr müsst, sondern weil ihr damit für alle Radfahrer auf der Straße etwas Gutes tut.
Das „Nicht weil ihr müsst“ irritiert mich. Gilt die StVO oder sind rote Ampeln doch nur eine Empfehlung, die Radrennfahrer nur beachten, um ihren Ruf nicht zu schädigen?
Aus meiner Wahrnehmung sind es nicht nur die Rennradfahrer, kann aber sein dass es gerade bei denen mehr auffällt. Beobachte das ebenfalls, dass von vielen Radfahrern als auch Fußgänger Ampeln nur als Empfehlung gelten. Ganz krass finde ich aber Raffahrer die ohne auf den fließenden Verkehr zu achten über Zebrastreifen brettern. Konnte kürzlich nur durch Vollbremsung einen Zusammenstoß verhindern.
Was spricht eigentlich dagegen sich allgemein mal wieder an Gesetze und Regeln zu halten und nicht nur auf seinen eigenen Vorteil zu achten? Was ist aus einem sozialem Miteinander geworden? Von christlicher Nächstenliebe möchte ich gar nicht erst anfangen…