2019 war ein gutes Jahr, aber nur bis zum 27. August. Mein Podcast Rennrad-WG war gut angelaufen, Mallorca-Trainingslager top, im Juni Bestzeit auf 300 km in 8:36 h brutto, ein Bikepacking-Trip ins Elsass …
Dann das Auto von rechts, die Vorfahrt nehmend … In hoher Flugbahn ging es kopfüber auf den Asphalt. An den Aufschlag erinnere ich mich nicht.
Multipel verletzt und für den Transport sediert wurde ich im Rettungswagen ins Krankenhaus gebracht. Dass die Decke des zehnten Brustwirbel eingebrochen war, ließ sich auf dem CT nicht erkennen. Nachdem das Stechen im Rücken auch am dritten Tag nicht nachgelassen hatte, wurde erneut bildgebend untersucht und ein „Anbruch“ diagnostiziert. Zunächst hieß es, eine OP sei nicht erforderlich. Eine Woche später änderten die behandelnden Ärzte ihre Meinung. Die Zweitmeinung der BG-Unfallklinik war leider nicht anders. So wurde mir in Frankfurt ein Fixateur Interne eingesetzt. Zwei Titanstangen und acht Schrauben hielten meine Brustwirbelsäule stabil.
Die Wochen nach der OP waren ein Martyrium, doch nach vier Monaten war ich wieder arbeitsfähig. Auch das Radfahren funktionierte wieder einigermaßen, wobei ich seither die Straße meide und lieber Gravelbike fahre. Die Angst fährt immer noch mit.
Im Dezember 2020 wurde das Titan entfernt. Seither lebe ich mit festgestellten 38 Grad Wirbelsäulenverkrümmung (Kyphose), wobei zehn Grad erst nach Metallentfernung eingetreten sind. Das Liegend-CT nach dem Unfall zeigte 20,6 Grad Krümmung. Wie sehr mein Rücken bereits vor dem Unfall gekrümmt war, kann niemand sagen. Allerdings hatte ich keine Beschwerden.
Nun ist die Kyphose im Winkel fast doppelt so groß, aber eben nur fast. Die Berufsgenossenschaft lehnt momentan weitere Therapiemaßnahmen ab, weil die Kyphose „überwiegend“ unfallfremd sei. Welchen Anteil an der Krümmung hat der Unfall? Offenbar geht man davon aus, dass die nach dem Unfall festgestellt Krümmung schon vorher komplett vorlag.
Das müssen mein Anwalt und ich nun ausfechten und das ist unheimlich frustrierend.
Man stelle sich einen Radreisenden vor, der mit 20,6 kg Gepäck bergauf fährt. Steigungen bis 10 Grad sollten noch gut fahrbar sein. Derselbe Radfahrende mit 38 kg Gepäck wird sein Rad schieben müssen.
Mir geht es genauso – auf dem Rad, wie bei der Arbeit. Radreisen mit Tagesetappen von mehr als 100 km schaffe ich mit Aerobars, die meinen Rücken entlasten, aber nicht ohne Schmerzen. An 200 oder 300 km ist nicht zu denken. Im Büro arbeite ich zu 80 % im Stehen. Sitzend verspannt meinen Rücken. Aber ich mache weiter!
Trotzdem wird heute gefeiert!
Warum? Ohne Helm, ohne Abus Gamechanger, hätte ich vermutlich nicht überlebt. Mein Kopf wäre Matsch gewesen.
Deshalb mein Appell an alle: Bitte fahrt mit Helm. Jeder kann in Situationen kommen, die er selbst nicht kontrollieren kann, egal wie gut die Radbeherrschung ist.
Entdecke mehr von CyclingClaude
Subscribe to get the latest posts sent to your email.
Ohne den Abus Gamechanger hätte ich vor zwei Jahren wahrscheinlich auch nicht …, oder sagen wir es so: wahrscheinlich diesen Satz heute nicht mehr so flüssig schreiben können. Natürlich hätte statt Abus auch Cádamotus, Giant oder Kask auf dem Helm stehen können. Ein Blatt Papier im Schrank mit der Überschrift Lebensversicherung kann jedenfalls keinen Helm ersetzen, egal wie hässlich, alt, dämlich man sich damit fühlt.
Ich kann die „Helmgeschichte“ nur noch mit reichlich Sarkasmus ertragen: Der Helm soll den Kopf schützen. Ich finde es sehr erfrischend, wieviele Menschen offen dazu stehen, dass es bei Ihnen nichts im Kopf gibt, was es zu schützen lohnt…