Ein guter Schuh? Der Shimano S-Phyre XC9* im Test
Ein guter Schuh ist Gold wert. Das weiß ich schon lange. Schließlich ist der Fuß der wichtigste Kontaktpunkt zum Rad, über den die Kraft aufs Pedal gebracht wird. Bei Rennradschuhen hatte ich deshalb noch nie auf den Preis geschaut. Leicht, gut belüftet, harte Carbonsohle und eine zu meinem Fuß kompatible Passform waren immer die Auswahlkriterien. Preis ist bei Schuhen sowieso relativ, weil man an guten Radschuhe viele Jahre Freude hat.
Fürs Rennrad war ich, nach langen Jahren mit den Topmodellen von Specialized, irgendwann bei Suplest gelandet. Der Suplest S3/Pro ist ein klasse Schuh. So war es für mich gar keine Frage, auch fürs Gravel-Rad ein Suplest-Schuh zu wählen. Da ich aber 2017 noch nicht so häufig Gravel fuhr, sollte es das günstigste Model der Schweizer sein – Suplest Crosscountry Sport – für die man damals 140 EUR hinblättern musste.
Auch wenn der damalige Preis von knapp 140 EUR nicht wenig ist, zahlt man für Schuhe der unteren von drei Suplest-Linien. Das Modell 2017 war mir immer zu schwer, zu warm und zu schlecht belüftet. Dass die die günstigsten BOA-Verschlüsse, die nur beim Schließen rastern ist ein weiteres Problem. In kleinen Schritten wieder weiter stellen, geht bei dem Modell nicht. Kommt hinzu, dass dieser schlecht feinjustierbare BOA den Schuh komplett über dem Spann fixieren muss. Das war nichts Halbes und nichts Ganzes. Meist war der Schuh zu eng und drückte punktuell, sodass ich nach kurzer Fahrt durch Lösen des BOA-Verschlusses den Druck auf den Spann wegnehmen musste. Zu locker verliert man jedoch den direkten Kontakt zum Pedal. Das ärgerte mich beim Bikepacking genau wie auf der kurzen Gravel-Runde. V.a. auf längeren Strecken wünschte ich mir immer wieder andere Schuhe, wenn die Füße zum Ausdampfen eine Pause brauchten.
So fragte ich meine Leser um Rat und bekam einige Empfehlungen zu gutem MTB-/Gravel-Schuhwerk verschiedener Marken. Aber Shimano?
Shimano ist im Moment Lichtjahre voraus … ja, bei Radschuhen …
Lesermeinung auf der CyclingClaude-Facebook-Seite
Shimano war eigentlich nicht auf meiner Liste, obwohl ich am Gravel-Rad XTR-Pedale und die entsprechende GRX Di2 fahre. Wer gute Komponenten baut, muss noch lange kein guter Schuhmacher sein, dachte ich immer.
Um mich eines Besseren zu belehren, wurde mir von Paul-Lange, dem Shimano-Importeur für Deutschland, eine Teststellung angeboten.
Der Transparenz halber sei erwähnt, das Teststellungen wie diese kostenlos erfolgen, aber an keinerlei Bedingungen geknüpft sind. Nicht anders läuft es in der Regel bei allen Online- und Papiermagazinen, bei denen solche Tests im redaktionellen Teil des Magazins veröffentlicht werden und ebenfalls nicht als WERBUNG gekennzeichnet sind.
Nach eingehender Beratung hinsichtlich meiner Anforderungen, wählte ich das Modell Shimano S-Phyre XC9*. Den gibt es in schwarz, blau und neon-grün, wobei letztere Farbe gerade von silber abgelöst wird.
Meine Wahl fiel auf grün, der Sichtbarkeit wegen, und auf Größe 44, weil ich bei Radschuhen in der Regel mit 43,5 oder 44 glücklich werde.
Der S-Phyre XC9 ist das Spitzenmodell der Japaner und wird auch von Jonas Deichmann getragen. Der Extremsportler ist mit dem Schuh unlängst vom Nordkap bis nach Kapstadt geradelt – am Stück. Gibt es einen besseren Produkttest?
Das Spitzenmodell ist mit einer UVP von 359,99 EUR bepreist. Dazu kommen wir weiter unten.
Erster Eindruck
Bereits beim Auspacken war ich angenehm überrascht. Die Schuhe machen einen sehr wertigen Eindruck. Das Obermaterial aus Mikrofaser-Kunststoff ist weich und umschließt dank zweier BOA-IP1-Spulen pro Schuh meine Füße, ohne punktuellen Druck zu hinterlassen. Die Carbonsohlen (Steifigkeitsindex 11 von 12) sind gummiert – mit Material aus dem Hause Michelin. Die Gummibeschichtung verhindert das Wegrutschen vom Pedal, falls man nicht richtig eingeklickt hat. Das ist gut. Ob das Gummi von Michelin hier einen besonders guten Job macht, glaube ich nicht. Andere Schuhhersteller partnern bspw. mit Conti. Auch gut. Hier geht es eher darum, mit der Partnermarke die Wertigkeit des eigenen Produkts zu unterstreichen.
Von den Einlegesohlen der S-Phyre XC9 bin ich nicht so begeistert. Die sind o.k., aber nicht ganz mit denen der Top-Modelle von Specialized zu vergleichen, Gut ist, dass Shimano Keile in zwei unterschiedlichen Höhen beilegt. Suplest hingegen stattet seine Oberklassenmodelle sogar mit Solestar-Einlegesohlen aus.
Für mich spielen Einlegesohlen eine untergeordnete Rolle. Ich trage Einlagen – im Radschuh gar die maßgefertigten WINSOLE vom Bikefitting- und Einlagenspezialisten Jens Machacek, der diesbezüglich eng mit Spitzenathleten der Bahnradnationalmannschaft zusammen arbeitet.
Die Shimano S-Phyre XC9 sollen lt. Hersteller lediglich 330 Gramm pro Schuh auf die Wage bringen. Für einen XC-Schuh ist das recht wenig. Die Herstellerangabe kann ich bestätigen. Allerdings habe ich, der Vergleichbarkeit halber, inkl. SPD-Cleats, Unterlegscheiben, Schrauben und meiner WINSOLE gewogen. 99 Gramm Unterschied zum klobigen Suplest ist schon eine Hausnummer.
Das Verschluss-System
Shimano verwendet am Schuh je zwei Boa-Verschlüsse vom Typ IP1. Dieser Typ ermöglicht das stufenweise Einstellen des Schuhs, auch wenn er unter Spannung steht. Zum Festziehen dreht man in die eine Richtung, zum Lockern in die andere. Das funktioniert über die Rasterung millimetergenau, auch problemlos während der Fahrt, ohne ins Schlingern zu geraten. Durch Ziehen entriegelt man das ganze System, um bequem in den Schuh hinein und wieder heraus zu kommen. Durch Drücken verriegelt der Verschluss und kann dann wieder über die Rasterung reguliert werden.
Meines Erachtens ist IP1 die funktionalste BOA-Lösung. Bei günstigeren Modellen fehlt das millimetergenaue Lockern des Verschlusses, oder – wie beim exklusiven BOA mit Aluminiumgehäuse – das schnelle Öffnen durch Ziehen des Verschlusses
S-Phyre XC9 – mein Leiden hat ein Ende!
Mit Erscheinen dieses Produkttests fahre ich die Schuhe seit mehr als sechs Wochen, davon einmal >200 km, bzw. knapp zehn Stunden am Stück im Graveleinsatz und mehrfach über 100 km.
Im Vergleich zu den Suplest ermöglichen die S-Phyre XC9 einen viel direkteren Kontakt zwischen mir und meinem Rad. Der Kraftschluss zwischen Pedal, Schuh und Fuß ist gefühlt wesentlich besser. Auch wenn sich das nicht unmittelbar in einem enormen Leistungszuwachs ausdrückt, entwickelt sich subjektiv ein besseres Fahrgefühl und ein Wohlgefühl, das ich lange vermisst habe.
In erster Linie liegt das am Verschlusssystem. Der untere BOA-Verschluss zieht den Schuh über dem Spann zusammen, ohne punktuelle Druckstellen auftreten zu lassen. Der darüber liegende BOA führt eine breite Lasche quer über den oberen Bereich. Damit wird der Schuh am Knöchel perfekt fixiert. Das gefällt mir ausgezeichnet. Aber jeder Fuß ist etwas anders. Ich kann also nur von meinem individuelle Tragegefühl berichten. Ausprobieren muss es jeder selbst.
Es darf nicht unerwähnt bleiben, dass es den S-Phyre XC9 in normaler Breite (und damit meine ich wirklich normal) und mit breitem Leisten gibt. Allerdings ist die breite Ausführung nur ist für Leute mit wirklich breiten Füßen. In Deutschland sind sie nicht erhältlich.
Als Schuhgrößen werden in Deutschland 36 bis 48 angeboten. Halbe Größen gibt es bei uns nicht.
Natürlich muss man beim Graveln auch mal laufen – in Schiebepassagen oder im Biergarten. Das klappt mit dem Shimano S-Phyre XC9 klaglos, trotz steifer Carbon-Sohle. Für längeres Wandern sind die Schuhe selbstverständlich nicht geeignet. Das müssen sie aber auch nicht. Angenehm ist die Tatsache, dass ich zuhause über das Parkett laufen kann, ohne mit den Metall-Cleats direkten Kontakt zum Holz zu haben.
Der XC9 ist aber nicht nur ein guter Crosscountry- oder Gravelschuh. Durch seine Steifigkeit und die sehr direkte Verbindung zum XTR-Pedal passt die Pedal-Schuh-Kombination gut ans Rennrad. Vermutlich müssen es nicht einmal XTR-Pedale sein. Nur kann ich zu anderen momentan keine Aussage treffen.
Bleibt noch die Belüftung zu bewerten. Die ist für mich genau richtig. Meine Füße werden weder heiß, noch schwitzen sie in den Schuhen. Hohe Sommertemperaturen sind also kein Problem. Aber die die S-Pyhre XC9 sind auch nicht „überbelüftet“. Ich friere schnell an den Füßen und benötige bei leichten Rennradschuhen schnell Fußspitzen, die bei etwas kühlerem Wetter den Luftzug im Schuh minimieren. Das wird beim XC9 nicht nötig sein. Allerdings bin ich die XC9 noch nicht bei Temperaturen unter 12 Grad gefahren.
Jetzt noch zum Preis: Der UVP von 349,99 EUR ist hoch, gar keine Frage. Damit spielt er in derselben Preisklasse wie die Oberklasse-Modelle anderer Hersteller. Allerdings findet man eine einfache Google-Suche Angebote, wie bspw. bei Rose, die den Kaufpreis erträglicher machen. Das ist nicht nur bei Schuhen so. Außerdem bekommt man für sein Geld einen tollen Schuh, an dem man einige Jahre Freude haben wird. Das relativiert den Preis. Spart man am falschen Ende, so wie ich 2017, ist das die schlechtere Entscheidung.
„Shimano ist im Moment Lichtjahre voraus … ja, bei Radschuhen …“ – meinte der Leser. Auch wenn der Shimano S-Phyre XC9* ein Bombenschuh ist, andere Hersteller haben auch gute Schuhe. Allerdings ist dieser hier echt zu empfehlen.
Update
Vielen Dank an Bruno für das Feedback. Es freut mich, dass der Test hilfreich war. Auch Bruno sagt übrigens, dass man die Schuhe eine Nummer größer nehmen soll.
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Moin Claude
Danke nochmal für den guten Artikel. Radschuhkauf ist für mich immer eine Odyssee. Von 43,5 bis 45,5 reicht die Ränge der Größen, die ich jetzt im Laufe der Jahre getragen habe. Ich verstehe nicht, warum sich die Hersteller nicht auf verbindliche Größen einigen können.
Der XC9 in 45,breit,ist für mich jetzt der perfekte Schuh fürs MTB und Gravel bike. Leicht, steif und bequem wie ein Hausschuh. Top Verarbeitung und die „metallic blaue“ Farbe ist einfach der Hammer. Jetzt schaun wir mal was der Dauertest die nächsten Jahre dann so ergibt. Tägliches pendeln, graveln, mtb… Bin gespannt
Gruss
Bruno