Tern Vektron Test bei CyclingClaude
Warum ein E-Bike-Test in einem Rennrad-Blog, wirst Du Dich fragen.
Nichts einfacher als das. Urbane Mobilitätsalternativen werden (nicht nur) aus Klimaschutzgründen immer wichtiger. Außerdem machen E-Bikes einfach Spaß, selbst wenn man sonst meist sportlich mit dem Rad unterwegs ist.
Bis zur Eurobike 2016 hatte ich mit E-Bikes so gut wie keine Berührungspunkte. Nur wenig konnte mich damals die Probefahrt eines mit einem Vivax-Assist ausgerüsteten Rennrads überzeugen.
Positiv überrascht hatte mich jedoch der E-Faltrad-Prototyp Tern Elektron, der 2017 als Tern Vektron in den Handel kam und seither viele Testsiege einfahren konnte.
Tern ELEKTRON Prototyp auf der Eurobike 2016 Josh Hon, Tern CEO, führt das ELEKTRON vor
Von den Fahreigenschaften des kleinen E-Bikes war ich sofort angetan – mit und ohne Motorunterstützung. Trotz 20-Zoll-Laufrädern fühlte sich das Elektron irgendwie wie ein erwachsenes Fahrrad an und machte ab dem ersten Meter Spaß.
Den Faltmechanismus des Elektron-Prototyps kannte ich schon vom Tern Verge X20, dass ich 2013 fürs Training während meiner Dienstreisen angeschafft hatte. Auch heute fahre ich die Faltradrakete, jedoch hauptsächlich als „Commuter“ in Verbindung mit Bus und Bahn.
Tern Verge X20 mit SRAM RED
Nicht ganz so klasse fand ich das Gewicht des Elektron. Mit ca. 22 kg wog der Prototyp mehr als doppelt so viel wie das Tern Verge X20, das ich locker die Treppen in der U-Bahn hoch und runter schleppe, ohne mich anzustrengen. Um es vorweg zu nehmen: Auch heute sind die E-Falträder von Tern nicht leichter.
Das Gewicht, so erklärte mir Josh Hon, der Tern CEO, sei der Stabilität und Robustheit des E-Bikes geschuldet – also quasi unvermeidlich. Dafür rollt das E-Bike im zusammengefalteten Zustand prima, was v.a. auf langen Bahnsteigen oder in Gebäuden angenehm ist.
Vorteile
Der größte Vorteil, der quasi allen Falträdern mit ähnlicher Rahmengeometrie innewohnt, ist die schnelle Anpassbarkeit an die Körpergröße. Innerhalb Sekunden sind Sattelstütze und Vorbau so angepasst, dass Menschen zwischen 1,45 m und 1,95 m Körpergröße bequem auf dem Falt-E-Bike fahren können. So kann dasselbe Faltrad quasi von der ganzen Familie benutzt werden.

Im Vergleich zu konventionellen Fahrrädern haben Falträder einen weiteren, entscheidenden Vorteil. Gefaltet gelten sie als Gepäck. Das gilt bei der Mitnahme im ICE genau wie im Bus. Mehrfach musste ich mit meinem Gravel-Rad draußen bleiben, weil im Bus schon eine Mutter mit Kinderwagen saß und der Busfahrer dann – so zumindest im Gebiet des RMV – keine Fahrräder mitnehmen muss. Klar kann man immer ab und zu geben, aber manch ein Busfahrer ist nicht unbedingt ein Fahrradfreund.
Tern Vektron 2019 Line-up
Nachdem das Tern Vektron 2017 und 2018 viele Testsiege einheimsen konnte, wurde auf der Eurobike 2018 eine verbesserte Modellreihe vorgestellt, die auch im Modelljahr 2020 unverändert bleibt und exklusiv mit Bosch Active Line bzw. Active Line Plus erhältlich ist.

Für preisbewußte Käufer sind zwei Modelle mit Bafang-Motor im Angebot, die auf dem Vektor der Jahre 2017/2018 basieren.

Im Vergleich zum vorherigen Modelljahr wurden die Modelle S10, Q9 und P7i folgendermaßen verbessert:
- Die Active Line und Active Line Plus Antriebe von Bosch sind wesentlich kleiner, leichter und effizienter als ihre Vorgänger. Dabei arbeiten sie quasi geräuschlos.
- Das Cockpit ist länger und bietet mehr Komfort auch für größere Fahrer.
- Der überarbeitete Rahmen wartet mit einigen geschmiedeten Bauteilen auf, die bei gleichbleibendem Gewicht für größere Stabilität sorgen.
- Der Akku neigt sich nun nach hinten und hält damit den Schwerpunkt so niedrig wie möglich, was sich positiv auf das Handling auswirkt.
- Gefaltet lässt sich das Vektron jetzt hochkant stellen und dadurch noch einfacher rollen und manövrieren.
- Das Heck des Vektron wurde massiv verstärkt und verlängert. Dadurch reduzieren sich eventuell auftretende Schwingungen und das Handling wird verbessert. Durch den tiefen Schwerpunkt erhöht sich auch die Fahrstabilität und damit Sicherheit bei Verwendung eines Kindersitzes.
- Hinzu kommt ein größerer Gepäckträger, der an den Träger des Tern Lastenrads GSD erinnert.
Tern Vektron S10 im Test
Im Mai/Juni diesen Jahres durfte ich das Tern Vektron S10 testen, das mir für diesen Zeitraum kostenfrei zur Verfügung gestellt worden war. Die Farbe des Testrads, das sei hier vorsorglich erwähnt, ist in Deutschland für das S10 nicht erhältlich.
Tern Vektron mit „Toploader“ Dry Goods Back – nicht nur für den Laptop
Oft fuhr ich meine ca. 12 km Arbeitsweg auf dem Hinweg mit Motorunterstützung und zurück ohne. So kam ich morgens ohne zu schwitzen ins Büro und abends war richtiges Training angesagt.
Allerdings muss ich zugeben, dass es nicht so einfach war, das Schwitzen zu vermeiden. Schließlich ist man es als Rennradfahrer gewohnt, in der Ebene 30 km/h oder schneller zu fahren. Immer wieder ertappte ich mich dabei, kräftig rein zu treten sobald die Motorunterstützung bei 25 bis 26 km/h abgeregelt hatte. Idiotisch. Nach einigen Tagen war ich dann aber so konditioniert, dass meine Beine bei 25 km/h ebenfalls abregelten. Warum E-Bikes in Deutschland nicht 30 km/h fahren dürfen, verstehe ich übrigens nicht. Viele Sportradfahrer fahren regelmäßig in diesem Tempo.

Den Bus nahm ich auch einmal. Aber nur, weil es Teil des Tern Vektron Tests war. Eigentlich hätte ich viel lieber die Sonne auf dem Rad genossen. Aber egal. Falten an der Bushaltestelle und Verstauen des Vektron im Bus war unproblematisch, trotz 22 kg Systemgewicht. Da der Rahmen zum Schutz des Motors kleine „Beinchen“ im unteren Bereich hat, steht das Rad im zusammen geklappten Zustand stabil; auch im Bus.
Auch an den Wochenenden und im Urlaub wurde das Vektron gerne genutzt. Dann aber von meiner Frau, die eigentlich vom (aktiven) Radfahren recht wenig hält; von Radsport überhaupt nichts.
In Malmö machte das Vektron Luisa am meisten Spaß. Tagsüber ermüdungsfreies Sightseeing und am Abend 15 km im Windschatten zurück zum Campingplatz. Kein Problem für Luisa. Sicherlich genoss sie es sogar, an meinem Hinterrad durch Malmö zu gleiten, während ich bei starkem Gegenwind Probleme hatte, die 25 km/h zu halten, die Luisa dank Vektron locker in den Beinen hatte.
Zwei Wochen nach Schweden waren wir übrigens noch eine Woche in Amsterdam. Da war das Tern Vektron gerade auf dem Rückweg und Luisa mit ihrem unmotorisierten Dahon ios P8 unterwegs. Seither bin ich im Zugzwang, irgendwas mit „E“ zu kaufen – am besten natürlich ein Tern Vektron, was durch die supereinfache Verstellung der Komponenten für uns beide ideal wäre.
Die technischen Daten

Screenshots von der Tern-Website im Oktober 2019
Der Motor mit seinen vier Leistungsstufen, hat eine überraschend gute Reichweite. Selbst in höchster Stufe wurden 80 km erreicht. In Stufe 1 kam das Vektron im Test gar an 120 km Reichweite heran. Top!
Details
Sehr gut gefallen die Details des Tern Vekron im Test. Der Andros-Vorbau lässt sich ohne Werkzeug leicht öffnen und erlaubt das Verstellen von Lenker und Vorbau im Handumdrehen. Der Hinterbauständer des Vektron ist sehr stabil und standfest, wie es sich für ein Rad gehört, auf dem auch Gepäck transportiert werden kann. Die hydraulischen Scheibenbremsen aus dem Hause Magura verzögern hervorragend und sind ein Zugewinn bei der Sicherheit. Genial ist die große Gepäckträgereinheit, die es erlaubt Gepäcktaschen seitlich zu befestigen, oder – mit Klick-Fix – Taschen oder Kindersitze von oben aufzunehmen.
Androns Vorbau – kinderleicht verstellbar im Handumdrehen massiver, standfester Ständer hydraulische Scheibenbremsen vorne und hinten große „Gepäckeinheit“
Trotz 22 kg lässt sich das Tern Vektron überraschend gut falten. Von unten ist er Motor durch zwei kleine Standfüße geschützt, die gleichzeitig das gefaltete Rad in Position halten. Starke Magneten an Gabel und Hinterbau halten die gefalteten Fahrradhälften beieinander.
Tern Vektron gefaltet Standfüße schützen den Motor Starke Magneten halten die Teile zusammen
Gepäckoptionen
Neben den Gepäckoptionen am Gepäckträger besticht Tern, nicht nur beim Vektron, mit einer Klick-Fix-Halterung namens Luggage Truss, die per Schraubverbindung wie eine Nase am Steuerrohr angebracht wird. Alles was Klick-Fix-kompatibel ist, kann daran transportiert werden.
Tern Luggace Truss mit Klick-Fix Lenker gerade, Körbchen gerade Lenker eingeschlagen, Körbchen gerade
Interessant ist, dass das Gepäckstück immer gerade ausgerichtet bleibt, egal wie weit der Lenker eingeschlagen wird. Das anfangs etwas gewöhnungsbedürftig, bringt aber eine Menge Fahrstabilität, weil das Gewicht nicht am Lenker hängt.
Preis(e)
Das getestete Tern Vektron S10 ist im Modelljahr 2020 für 3.399 EUR zu haben. Das ist auf den ersten Blick nicht wenig, vom Preis-Leistungsverhältnis aber mehr als in Ordnung.
Wer es günstiger und trotzdem gut mag, greift zum Tern Vektron Q9. Das Q9 kostet zur Zeit 2.999 EUR und ist mit 9-Gang-Kettenschaltung und Bosch Active Motor ebenfalls ein ansprechendes E-Faltrad.
Menschen, die statt Kettenschaltung eine wartungsarme Nabenschaltung bevorzugen, fahren mit dem Tern P7i und sieben Gängen am besten. Im Vergleich zum Q9 kostet die Shimano Nexus Nabenschaltung gerade einmal 100 EUR Aufpreis, sodass 3.099 EUR auf den Tisch zu legen sind.
Fazit
Das Fazit des Tern Vektron Tests ist eindeutig: Das E-Faltrad, egal ob als S10, Q9 oder P7i ist der ideale Begleiter für die Familie. Urbane Mobilität, egal ob ins Büro, zum Bäcker oder in den Kindergarten kann das E-Faltrad genauso gut wie im Windschatten eines Rennrads dem Partner / der Partnerin Spaß zu bereiten.
Durch seine Flexibiliät ist das Rad in Sekunden an unterschiedliche Körpergrößen angepasst und macht somit allen eine Freude. Der Bosch-Motor ist auffallend unauffällig, fast geräuschlos und unterstützt in allen vier Stufen gut. Die Reichweite von (getestet) bis zu 120 km ist mehr als ich von einem Faltrad erwartet hätte. Aber auch ohne Motorunterstützung gleitet das 22 kg schwere Rad sicher und bequem über den Asphalt. Dank dicker Schwalbe „Big Apple“ Bereifung sind auch Feld- und Waldwege problemlos und sicher befahrbar. Egal auf welchem Straßenbelag, das Rad rollt immer spurstabil, wie man es von 20-Zoll-Fahrrädern nicht unbedingt erwarten würde.
Übrigens fand selbst der 16jährige Sohnemann das Tern Vektron S10 alles andere als uncool.
Vermutlich ist es nur eine Frage der Zeit, bis die Home-Base von CyclingClaude dauerhaft mit einem Vektron ausgestattet ist. So kann Luisa sonntags mit zur Cappuccino-Runde und im Café zwei Stück Kuchen essen, auch wenn die sich eigentlich der Bosch-Motor verdient hat.
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Hallo Claude,
besten Dank für deinen ausführlichen Test. Ich bin auch schon seit einiger Zeit Tern Fahrer, habe seit drei Jahren ein Verge S8i mit Riemen und seit diesem Jahr noch ein Verge X11. Decken beide meine Einsatzbereiche (City und Sport) gut ab. Hatte zwischenzeitlich auch mit einem Vektron S10 geliebäugelt. Denke dann aber, bei der Preisklasse lieber mal ein 28er zu kaufen, fährt sich doch irgendwie stabiler, gerade wenn man an Radreisen mit Gepäck denkt. Hat du Erfahrungen mit dem Tern Vektron S10 als Reiserad, wie es sich mit Gepäck fährt? 2018 gab es doch mal eine Variante mit dem Bosch Performance-Motor, der mehr Power beim Antrieb hat, oder? Warum hat Tern davon wieder Abstand genommen?
V. G. Dirk
Hallo Dirk,
ich fahre mein Tern S10 (habe mir vor sechs Wochen eins gebraucht gekauft) mit der oben gezeigten Tasche, die auf dem Gepäckträger sitzt und einer seitlichen Gepäcktasche, v.a. wenn ich Einkäufe erledige. Das geht entsprechend gut. Generell fährt sich das Rad angenehm stabil, fast wie ein 28er. Das ist auch der Grund, warum ich es gekauft habe.
Der Active Plus Motor reicht mir mit seinem Drehmoment von 50 NM absolut aus.
Beste Grüße
Claude