Start Like a DeeJay
In der Startaufstellung angekommen durften wir uns ganz vorne als VIP einreihen. Ich nahm Aufstellung und testete nochmal meine YI 4Kplus Actioncam, die ich am Vortag im wasserdichten Gehäuse am Lenker meines Wiliers Carbonrenners mit einer 360 Grad Dreh- und Schwenkbaren Halterung angebracht hatte.
Teil 1 der Story könnt ihr hier nachlesen, falls nicht schon geschehen.
Was war jetzt… da stand auf einmal auf dem Display: „Speicherkarte zu langsam“ …kann das sein, die Kamera hat sich aufgehängt <Schock>. Nein, also Kamera aus dem wasserdichten Gehäuse raus und Reset fahren. Das war schon blöd die Kamera aus dem Gehäuse zu porkeln, hat aber letztendlich funktioniert und beim zweiten Test lief die Aufnahme auch. Es waren jetzt auch nur noch zwei Minuten bis zum Start. Viele Pannen heute früh, aber dennoch alles Just in Time. Schade, wir hätten früher zum Start fahren sollen, denn die letzte viertel Stunde vor dem Start konnte ich so gar nicht genießen, weil einfach zu wenig Zeit war.
Den ersten Kilometer fuhr ein Begleitfahrzeug vor uns und wir bereiteten uns gemächlich auf den fliegenden Start vor. Ich merkte so nach 500-600 Metern, dass ich vor Aufregung den Wahoo überhaupt nicht gestartet hatte. Lief mal wieder einiges schief… aber das ging noch vielen meiner Mitstreiter so, was ich später auf Strava sehen konnte.
Dann fuhr das Fahrzeug raus, aber durch die vielen Stadtstraßen, Kreuzungen und Kreisverkehre kam noch keine Höchstgeschwindigkeit auf. Das änderte sich aber, als wir auf die Stadtautobahn kamen.
Es ging flott los – Das erste Viertel des Rennens
Ich hatte mir sicherheitshalber fünf Gels in die Rückentasche gepackt. Ich dachte so an eine Turbopackung alle 25 Kilometer, und dann noch zwei zur Sicherheit. Schließlich wollte ich bei nachlassender Kraft keinen Einbruch erleben. Angekommen auf der Stadtautobahn wurde das Peloton flott, so immer um die 45 km/h. Es ging jetzt Richtung Flughafen Malpensa, der ca. 50 Kilometer außerhalb von Mailand liegt und unseren Wendepunkt darstellte.
Ich konnte dem Feld gut folgen und in meinem langen Sachen war es auch angenehm warm. Die Straßenverhältnisse wurden außerhalb vom Mailand gewohnt schlecht und man musste wegen den vielen Schlaglöchern und abgesenkten Kanaldeckeln gehörig aufpassen, sich keinen Plattfuß oder schlimmeres einzufahren. Ich sah am Straßenrand immer wieder Rennfahrer, die bereits den ersten Schlauch wechseln mussten. Außerdem war die Strecke noch ordentlich nass und rutschig, was es nicht einfacher machte.
Gerade die vielen Kreisverkehre waren tückisch und wir mussten immer wieder ordentlich Tempo rausnehmen. Mein Kollege von der Zeitschrift Rennrad ist in einem der Kreisverkehre mit zu viel Tempo gerutscht und gestürzt, wie ich später erfahren habe. Bei den Ausfahrten aus den Kreisverkehren musste man dann direkt wieder volle Pulle in die Pedale treten um am Feld dranzubleiben und Tempo aufzubauen. Nach 18 Kilometern merkte ich dann schon eine schwächelnde Leistung und warf dann vorzeitig das erste Gel ein. Das war richtig, denn ich konnte weiter gut mithalten.
Das zweite Viertel des Rennens
Nach 30 Kilometern wurde es plötzlich schwierig. Das Peloton wurde immer schneller, oder ich immer langsamer? Na auf jeden Fall wurde ich nach hinten durchgereicht und PAFF – da riss das Feld ab und ich fuhr ganz plötzlich alleine im Gegenwind. Ich trat ordentlich in die Pedale konnte aber den Anschluss nicht mehr erreichen. Na ja, dann schließe ich mich halt dem nächsten Feld an, dachte ich fix.
Aber Pustekuchen, ich drehte mich rum und auf der langen Geraden hinter mir war niemand mehr. Oha, dachte ich jetzt wird es schwer und schon nach soooo kurzer Zeit. Ich pumpte, kam aber kaum über 35 km/h im Gegenwind. Ich sah mich wieder und wieder um… Nichts, es kam keiner mehr. OK dann nahm ich die Watt vom Pedal und ließ mich rollen, schaute mich immer und immer wieder um. Ich glaube es waren so zwei Minuten, die mir wie eine Stunde vorkamen.
Und dann bog weit hinter mir ein kleines Feld von ca. 25 Rennrädern auf die lange gerade ein. Ich ließ mich weiter rollen, so dass dieses Feld schnell bei mir war. Ich ging links raus, ließ das Feld kommen und trat dann sofort wieder in die Pedale. Ein freundlicher Italiener winkte mir sofort und signalisierte, dass ich mich hinter ihn klemmen sollte. Die Gruppe hatte ebenfalls ordentlich Dampf auf dem Kessel. Hier lief es durch die kleine Anzahl der Fahrer und Fahrerinnen aber sehr koordiniert ab. Der vorderste Fahrer blieb maximal 1-2 Minuten an der Spitze und zog die Gruppe, ging dann links raus und ließ sich nach hinten fallen. Das ging reihum weiter und wir kamen schnell voran.
Zwischenzeitlich kamen wir dann auch an Verpflegungsstation 1 vorbei, die ich aber links, bzw. rechts liegen ließ. Ich hatte ja genug Nahrung bei mir und es ja schließlich ein Rennen und ich wollte schnell sein und auf gar keinen Fall anhalten. Im Foto unten seht ihr mich durch Zufall gerade an der Station vorbeiflitzen. Ich, der in lang \ lang und gelben Neoprens über den Schuhen. Wenn ich das Foto so sehe, hätte ich auch mal Wade zeigen können.
Bei Kilometer 52 sah ich dann im nächsten Kreisverkehr das Peloton wieder, welches mich vorhin gnadenlos abgehängt hatte. Durch die gute Teamarbeit der kleineren Gruppe waren wir schnell wieder dran. Eingereiht zwischen hunderten Rennrädern zog ich mir dann Gel Nummer 2 rein. Es waren jetzt nur noch wenige Kilometer zum Airport Malpensa, wir machten aber mit einer scharfen Kurve kehrt zurück, Richtung Mailand.
Die zweite Rennhälfte zurück nach Mailand
Nach dem Gel ging es mir blendend und ich konnte jetzt ganz locker im Peloton mitfahren. Keinerlei Probleme bei CyclingOlli, wohl das schönste Stück des Rennens. Die Landstraße auf dem Rückweg wurde immer enger und zog sich teilweise schlängelnd und leicht hügelig durch einen Wald und kleinere Ortschaften. Mit den vielen Fahrern musste man wirklich höllisch aufpassen, dass man nicht von der Strecke fliegt.
Die vielen Schlaglöcher hatte ich ja schon erwähnt. Aber auch generell war die Straße teilweise ein Flickenteppich und man wurde auf dem Rad wirklich ordentlich durchgerüttelt. Plötzlich kamen wir aus dem Wäldchen einen kleinen Abhang runter und da ging es in eine 90 Grad Rechtskurve, der sich sofort eine Brücke anschloss. Die war allerdings nur so breit wie ein Auto, quasi ein Nadelöhr.
Das Feld musste stark bremsen und ich war froh, dass ich den Bremsvorgang gut hinbekommen hatte. Wir bremsten so von 43 auf 9 km/h runter, bevor es dann scharf rechts ins Nadelöhr ging. Die Brücke selbst war mit Kopfsteinpflaster belegt. Da kam sofort ein Hauch von der Flandernrundfahrt rüber. Im nächsten Video ist der Abschnitt gut zu erkennen. Bei Kilometer 70 nahm ich das dritte Gel zu mir, nicht weil ich es musste. Nein ich war aktuell eher unterfordert, konnte in den engen Straßen aber auch nicht wirklich überholen und dachte mir einfach, so jetzt hast du Zeit für das Gel. Später wenn es schneller wird hat man weniger Möglichkeit die Packung aufzufummeln.
Das letzte Rennviertel
Im letzten Rennviertel wurden die Straßen dann wieder breiter und es folgten die bekannten Kreisverkehre. In einem Kreisverkehr war dann die Ausfahrt so ca. nach 300 Grad und das Feld drückte die Fahrer ganz links bei der Kreiselausfahrt auf die Bordsteinkante und Pardums; Links von mir flogen die Räder übereinander und das Feld wackelte bedenklich. Auch ich wurde nach rechts und wieder nach links gehebelt und stieß mit den Kollegen zusammen, aber glücklicherweise konnten wir uns im Sattel halten. Das war wirklich brenzlig. Leider hatte ich hier die Actioncam nicht laufen.
Es wurde jetzt gegen Rennende auch immer schneller und wir fuhren eher 50, statt 45 km/h. Ein Kreisel kam nach dem anderen und ich wurde vorsichtiger und reihte mich immer in der Mitte ein um bloß von den hohen Bordsteigkanten bei den Ausfahrten weg zu bleiben. Es ging jetzt auf eine Autobahnbrücke und ich drückte raus, was ich konnte. Oben drückte ich dann weiter und schoss in einer Linkskurve am Feld vorbei und reihte mich weiter vorne ein. Erwähnen möchte ich hier auch nochmal, dass die Strecke nicht völlig gesperrt war, sondern Autos nur Zeitweise von Ordnern von der Strecke fern gehalten wurden. So konnte es auch mal passieren, dass uns Fahrzeuge begegneten und auch entgegen kamen. Insofern war der Überholvorgang in der abschüssigen Linkskurve nicht ungefährlich. Da hätte auch was entgegen kommen können. Im folgenden Video seht ihr die Passage.
Endspurt
Bei Kilometer 90 nahm ich dann nochmal einen Maltoshot von Ethiksport zu mir. Das ist ein geiles Zeug, es ist recht flüssig, nicht so zäh wie ein Gel und wirkt sofort. Das hatte ich schon beim Nove Colli gemerkt. Die letzten 10 Kilometer waren dann rasant durch die Stadt. Jetzt ging das Gerangel im Feld los und es dauerte nicht lange, da kam es vor mir zum Sturz von ein paar Fahrern. Dieses mal war die Straße nicht breit genug um auszuweichen.
So musste ich anhalten und mit dem Rad über den Gehweg um die verunglückten rum. Das war kein Spaß mehr. Vor allem war das Feld jetzt völlig auseinandergerissen. Wir kämpften jetzt teilweise ganz alleine und es fiel schwer vorausfahrende einzuholen. Aber ich gab jetzt alles und es gelang wieder eine Formation zu bilden. Es dauerte aber wieder nicht lange, bis es vor mir zu einem weiteren Sturz kam. Hier konnten wir aber zügig rechts uns links vorbeifahren, da die Straße an der Stelle breit genug war.
Zieldurchfahrt
Auf den letzten Metern war ein Fahrer war vor mir noch erreichbar. Den wollte ich natürlich noch überholen und ging zum Spurt aus dem Sattel. Als ich rechts an ihm vorbei zog, macht es Rumms und Pardauz. Ich bin mit dem Vorderrad eine Asphaltrinne geraten, die mich heftig durchschüttelte und… PFFFFFFFFFTTTTTT die Luft wich aus dem Vorderrad. Aber in dem Moment rollte ich auch schon über die Ziellinie. Mensch war das ein Glück im Unglück. Die Panne hätte zu jeder Zeit kommen können.
Überglücklich war mir das Vorderrad egal und ich rollte bis zum Streckenausgang.
Als ich dann vom Rad abstieg konnte ich meinen Rücken nicht mehr Aufrecht stellen. Es durchfuhr mich sofort ein starker Schmerz von den unteren Oberschenkeln über den Hintern, die untere Rückenmuskulatur bis hin in die Schultern. Alles war zu und schmerzte. Davon hatte ich während der Fahrt nichts gemerkt. Sehr verwunderlich. Ich humpelte dann auf die nächste Wiese und richtete mich langsam auf. Voller Adrenalin war mir aber alles egal… Scheiß drauf… Siegerpose, bitte sehr.
Dann waren die Schmerzen auch auszuhalten und es ging mir prima. Mein Ergebnis lag bei einen Schnitt von 38,4 Km/h und einer Zeit von 2:36 Stunden.
Hammer dachte ich mir, ich hätte nicht gedacht, dass ich sowas zu leisten vermag. Letztendlich landete ich damit auch Platz 267 und auf dem zweiten Platz, von uns 11 Journalisten. CyclingOlli hat die Mailand 100 gerockt. Like a DeeJay halt.
Polartec & Santini Stand auf dem Milano CityLife Shopping District
Nach der Zieldurchfahrt und geflicktem Reifen ging es dann zu unseren Gastgebern zum Polartec & Santini Stand im Herzen des Milano Citylife Districts, ein neu geschaffener Bereich in Mailand für Business, Living & Shopping.
Gaia & Alessandro von Polartec begleiteten uns durchs ganze Wochenende. Nochmal vielen Dank an die beiden für die Mühe und die tolle Organisation. Demnächst vielleicht mal wieder auf ein Kwaremont 😉 Alessandro ist das Rennen übrigens auch mitgefahren und kam fast zeitgleich mit mir ins Ziel.
Nach dem Rennen
Nach dem Duschen im Hotel ging es dann mit den Journalisten auf die Pasta Party. Für den ersten Hunger zur Mittagszeit kam die Pasta gerade recht.
Auf dem Rückweg ins Hotel fingen dann meine Schienbeine an zu krampfen, so dass ich den Kilometer ins Hotel humpelnd zurücklegte. Ich dachte mir dann im Hotel, dass ich ein paar Dehnungsübungen mache. Pustekuchen, sobald ich eine Dehnungsübung auch nur ansetzte, schoss sofort an einer anderen Stelle ein Krampf in den Körper. Also ließ ich auch das sein und legte mich einfach aufs Bett bis zum Abendessen und trank den ein oder anderen Magnesium Cocktail.
Carboload zum Abend
Am Abend machten wir uns dann auf in die Trattoria Caprese, die uns mit regionalen Köstlichkeiten versorgte. Gaia verriet uns schon am Abend vorher, dass der Laden in Mailand sehr populär ist und wir uns freuen dürfen. Das kann ich nur bestätigen. Solltet ihr mal in Mailand sein, unbedingt besuchen, Weltklasse der Laden. Die Vorspeisen waren so üppig, dass ich danach schon fast satt war. Als Hauptspeise hatten wir dann eine Pizza aus einem sehr coolen Pizzaofen, die ich nur noch mit ach und krach runter bekam.
Nachspeise wollte ich eigentlich keine mehr, aber auch diese sahen so verlockend aus, dass ich auch hier nicht Nein sagen konnte. La Dolce Vita… das liebe ich doch wirklich an Italien. Der Chef servierte uns dann zur Verdauung noch Limoncella in verschiedensten Geschmacksrichtungen. An dem Abend lernten wir dann auch die Crew von Santini kennen, allen voran Monica Santini, die Tochter des Firmengründers.
Fazit meines DeeJay 100 Rennens in Mailand
Italien ist immer eine Reise wert, vor allem wenn es um gutes Essen, guten Wein und Radrennen geht. In der Vor- und Nachsaison auch gut zum trainieren. CyclingOlli war sicherlich nicht das letzte Mal dort. Für den nächsten Tag stand dann noch ein Besuch bei Santini in Bergamo an. Der Bericht dazu folgt in Kürze.