Meine siebte Vätternrundan – eine äußerst nasse Angelegenheit
Am 18. Juni 2016, 01:30 Uhr in der Früh, startete ich zu meiner 7. Vätternrundan. 300 km und 10 Stunden, 28 Minuten später war ich im Ziel. Genau eine Stunde langsamer als 2015, als das Wetter mir hold war.
2016 hingegen war es nass, sehr nass, zumindest für die Starter, die eine Startzeit ab ein Uhr morgens hatten. Teilnehmer, die bspw. um 22 Uhr starteten (und schnell genug waren), kamen fast trocken um den See, obwohl die die Wettervorhersage auch schon für abends Regen gemeldet hatte.
Aufgrund der schlechten Wettervorhersage waren von den gemeldeten 23.215 Personen lediglich 19.653 gestartet. 18.383 davon kamen ins Ziel der 51. Vätternrundan.
Sieger des Eurovision Song Contest mit starker Zeit
Einer der Finisher war übrigens Måns Zelmerlöw, Gewinner des Eurovision Song Contest 2015, der in guten 11:30 h debütierte.
‚Es war furchtbar hart‘, erzählte Måns, dem im Ziel die Beine tierisch weh taten. Wenigstens die Ringelblumensalbe habe geholfen – zumindest für’s Sitzfleisch, meinte er.
Die Hauptstadt des Radfahrens
Wer die Vätternrundan mit Start und Ziel in Motala nicht kennt, weiß nicht, dass Motala – zumindest während der Vätternrundan-Woche – die Welthauptstadt des Radfahrens ist. Hier werden selbst die Hecken zu Radfahrern geschnitten und auf dem berühmten Fahrraddenkmal muss jeder Teilnehmer der Rundan einmal gesessen haben.
So viel vorab. Fangen wir aber von vorne an.
2016 kein Halbvättern
Am 12.6.2016, dem Sonntag vor der Runde waren wir (Thomas und ich) los gefahren und kamen am Montagnachmittag in Motala an. Ursprünglich war geplant, auch den Halbvättern (150 km) mitzufahren. Dafür hätten wir aber schon Freitagfrüh los fahren müssen. Da Sohnemann Philippe aber Samstagabend im Vorprogramm der Ehrlich Brothers in der Commerzbank Arena auftrat, mussten wir den Halbvättern sausen lassen. Nächstes Jahr also wieder!
Übrigens freut sich der kleine Zauberer tierisch über Likes auf seiner Facebook-Seite. Lass ihm doch eines da, wenn Du magst.
Die Rituale
Wer zum siebten Mal irgendwo hin fährt, hat seine Rituale. Egal ob Fähre, Zimtschnecken zum Frühstück oder derselbe Campingplatz, Rituale sind wichtig :-), so wichtig, dass ich bereits am 13. Juni darüber geschrieben habe.
Der Alkohol
Nein, ganz ohne geht es nicht. Schließlich bin ich kein Radprofi. Aber ganz so wild wie 2015, als ich in Schweden meinen 50. Geburtstag feierte, sollte es nicht werden.
So hatten Thomas und ich an Bord der Fähre lediglich vier Steigen Bier gekauft – und nicht wie die ältere Schwedin ‚zehn auf einen Streich‘ (Foto unten links). Die Dame, die der Heineken-Liebhaberin beim Verzurren der Ladung hilft, hatte übrigens ihre eigene Ration im Einkaufswagen. Allerdings nicht ganz so viel.
Beim Auslaufen des Schiffes beließen wir es bei zwei bis drei Bier und zum Frühstück gab es Kaffee. Hätten wir uns stattdessen über den Underberg her gemacht, wie der Rentner-Club, den ich morgens auf dem hinteren Deck beobachtete, wäre die Alkoholkontrolle beim Verlassen der Fähre bestimmt anders ausgefallen.
Die Rüganer
Seit 2012 habe ich ‚Vätternrundan-Freunde‘ aus Göhren auf Rügen, die traditionell auch hintern dem Tor des zweiten Trainingsplatzes der BK Zeros (Fußballclub aus Motala) campieren. (Infos zum Campingplatz Z-Parken findest Du übrigens hier.)
Thomas und ich waren bei Ankunft freudig erstaunt, weil ein Teil der Rüganer schon da war. Jana, Axel und dessen Frau Monika waren den Halbvättern gefahren und erzählten, dass die anderen, Siggi, Ole, Villija und Horst nachkommen würden.
Auf Horst freute ich mich besonders, v.a. als ich hörte, dass Horst mit 76(!) seine elfte Vätternrundan fahren wollte. Horst, der 2014, nach seiner zehnten Rundan seinen ‚Rücktritt‘ erklärt hatte, war wieder dabei und ich hoffe, dass er auch 2017 mit auf die Strecke geht.
Startvorbereitungen
Das Abholen der Startunterlagen
Das Wichtigste vor der Vätternrundan ist das Abholen der Startunterlagen. Wir machten das gleich am Mittwoch. Früher geht nicht. Da ich als Blogger eine Presseakkreditierung hatte, erfuhr ich als einer der ersten, dass die Rahmenaufkleber 2016 dem Rotstift zum Opfer gefallen waren.
Die offizielle Sprachregelung, die per E-Mail an die Teilnehmer verschickt wurde, sprach von ‚Umweltschutzgründen‘ weil angeblich die meisten Fahrer den Aufkleber sowieso weg geschmissen hätten.
Vorsorglich hatte man einige hundert Sticker parat, sodass ich mir für uns und die Rüganer genügend Aufkleber geben lassen konnte.
Trotzdem schrieb ich verärgert darüber im Blog und bekam prompt Antwort von der Organisationsleitung, die versprach, das Aufkleberthema für 2017 zu überdenken.
Allem Anschein nach war der Druck dann sogar so groß, dass man sich entschloss, für 2016 Aufkleber nach zu produzieren und sie den Teilnehmern nachhause zu schicken. Selbst nach Deutschland wurden sie verschickt!
Die Straßenbemalung
Am Donnerstag sind wir mit dem Auto die 25 km nach Medevi Brunn gefahren, dem Ort, wo es auf der Rundan zum letzten Mal richtig steil wird, wenn auch nicht lang.
Wie schon im letzten Jahr malten Thomas und ich die Straße voll. Diesmal mit Sprühkreide, die, trotz Regen, auch am Samstag noch gut zu sehen war.
Die Radpflege und -vorbereitung
Am Starttag, immer ein Freitag (auch wenn manche erst Samstag zum Start rollen), herrscht überall Betriebsamkeit. Jeder gibt seinem Rad den letzten Schliff, putzt und ölt die Kette und bringt die Lampen an. Manchmal muss auch improvisiert werden, bspw. mit Panzer-Tape, wenn die Lampe nicht von alleine halten will.
Bei mir sah die Vorbereitung folgendermaßen aus:
- Zusatzakku (Powerbank) für den Garmin Edge 1000 unter den Vorbau geklebt.
- Eine Fly12 für’s Licht an den Lenker (und die Videoaufnahmen der ersten zwei Stunden).
- Eine weitere Fly12 an den Lenker für die Videoaufnahmen der Restzeit.
- Oberrohrtasche mit Gels und halbierten Powerbar-Riegeln gefüllt (restliche Gels in der Trikottasche),
- Die Kette fett mit F100 Kettenöl eingesprüht, weil viel Regen angesagt war (sonst hätte ich Trockenschmierstoff verwendet).
- In die (kleine) Satteltasche einen zweiten Schlauch eingepackt, weil ich 2012 zwei Platten, aber nur einen Schlauch dabei hatte.
Vor dem Start
Die meisten Teilnehmer versuchen vor der Vätternrundan etwas zu schlafen. Die wenigsten schaffen es.
Ich konnte noch nie vorher schlafen – trotz Ohropax und Augenklappe.
Diesmal war es aber anders. Trotz Lärm auf dem Campingplatz schlief ich etwa drei bis vier Stunden tief und fest im Wohnwagen. Erst um 23 Uhr wachte ich auf. Im Vorzelt, wo ich meine Sachen deponiert hatte, machte ich mich fertig. Erst Voltaren, dann Sitzcreme auf den Hintern, HF-Gurt anziehen, Knielinge, Hose, Unterhemd …
Regen war für die Nacht angesagt, das wusste ich. Allerdings sollte es mit 10 bis 14° Celsius relativ warm bleiben.
Deshalb entschloss ich mich, statt der Softshell-Jacke, die ich schon fünfmal um den See gefahren hatte, lediglich eine Windjacke über Unterhemd, Windstoppertrikot und normalem Trikot zu tragen. Außerdem kam meine Gore Oxygen Regenjacke in die Rückentasche; so zumindest der Plan.
Sobald ich angezogen war, weckte ich Thomas, der – das wusste ich – schnell in den Klamotten war.
Aber knapp wurde es dann trotzdem, sodass wir darauf verzichteten, vor dem Start ein gemeinsames Foto auf dem Radfahrerdenkmal zu machen.
Fünf Minuten vor dem Start entschied ich mich dann, so wie Thomas, direkt mit der Regenjacke loszufahren. Die Windjacke kam also in die Rückentasche und die Regenjacke darüber.
Intuition! Noch im Startblock fing es an zu nieseln und nach nur 10 Kilometern prasselte der Regen heftig herunter. Dann ließ er wieder nach, aber nie so ganz, um heftiger wieder zu kommen.
So hat mir die Gore Bike Wear Oxygen Regenjacke zum zweiten Mal nach 2012 den ‚Arsch‘ gerettet. Ohne diese top dichte Regenjacke, die 1a atmet, hätte ich wesentlich mehr Probleme gehabt.
Ein guter Rat an alle Neulinge der Vätternrundan: Fahrt nicht ohne gute Regenjacke los, die auch in die Rückentasche passt.
An den Depots anhalten war nicht unser Plan. Nur am Wasserdepot, bei ca. 148 km wollten wir Wasser nachtanken.
So fuhren wir, angesichts des Regens auf Sicherheit bedacht, mit etwas Abstand voneinander, und etwas mehr Abstand von den anderen Fahrern. Windschatten bei nasser Fahrbahn ist nicht nur aus Sicherheitsgründen schlecht. Auch das Spritzwasser und der Dreck, der vom Hinterrad des Vordermanns kommt, ist nicht meine Sache.
Wenigstens war die Ortsdurchfahrt durch Gränna, mit dem berühmten Kopfsteinpflaster, einigermaßen regenfrei. Aber rutschig war das Pavé dann doch etwas.
Kurz nach Gränna bekamen wir dann wieder heftig den Hintern gewaschen und das Wetter beruhigte sich erst bei Husqvarna, also kurz vor Jönköping bzw. der Südspitze des Sees.
Wenn ich mich recht erinner, war es dort sogar trocken und meine nasse Radhose trocknete etwas vom Fahrtwind. Dennoch waren die Oberschenkel ziemlich kalt.
Auch das Depot in Jönköping ließen wir liegen, obwohl mich interessiert hätte, wie es in der neuen Halle, wohl eine Eissporthalle, ist. 2010 bis 2015 war das Depot in einer Lagerhalle. Warum man umgezogen ist, kann ich nicht sagen.
Kurz nach Jönköping war der Regen zurück – und wie. Außerdem war mir irgendwie schlecht und so konnte ich mir nur mit Ach und Krach einen halben Riegel rein würgen. Aber meinem Magen wollte es nicht besser gehen.
So quälte ich mich im Regen Kilometer um Kilometer weiter, Thomas meist vorneweg, meist einen Hauch zu schnell für mich und meinen geschundenen Magen. Aber ich blieb dran.
Irgendwie schaffte ich bis zum Wasserdepot bei Thomas zu bleiben.
Knapp die Hälfte der Strecke war geschafft, aber mir war immer noch schlecht.
Als wir angehalten hatten, merkten wir, dass es nicht mehr regnete. Wenigstens von oben war es nicht mehr nass. Aber das Wasser stand noch auf der Straße. Auch wenn es von oben trocken war, machte es keinen großen Unterschied.
Die Wetter-App sagte, dass es trocken bleiben sollte. So packte ich die Regenjacke in die Rückentasche und zog die Windjacke über.
Nachdem wir die Wasserflaschen gefüllt hatten, ging es zügig weiter. Obwohl wir nur wenige Minuten gehalten hatten, war mir die nächsten Kilometer ziemlich kalt. Dann ging es aber wieder. Die Straße war nicht mehr so nass und die Hose begann ein zweites Mal zu trockenen. An warme Oberschenkel war aber immer noch nicht zu denken.
Nach einigen Kilometern ließ ich Thomas ziehen. Es bringt ja nichts, wenn einer auf den anderen warten muss, nur weil der schwächelt. Alleine konnte ich mir nun mein Tempo besser einteilen und begann nach und nach wieder zu essen. Geholfen hat mir dabei der neue ENERGIZE Riegel von PowerBar in Geschmackrichtung „Salty Peanut“. Der schmeckte lecker und war nicht pappsüß wie die meisten Gels, die ich dabei hatte. „Salty Peanut“ ist deshalb mein Riegel des Jahres :-).
Das klappte ganz gut und mit jedem Kilometer ging es mir besser.
Irgendwann fuhr ich dann durch Hjo (bei km 178). Das Depot in Hjo war bisher zwei geteilt. Links von der Straße gab es eine Halle, wo man sich zur Not aufwärmen und Lasagne essen konnte, und rechts konnte man sich am Seeufer verpflegen.
Diesmal war es anders. Im Vorbeifahren sah ich, dass die Halle nicht mehr als Depot genutzt wurde. Alles spielte sich am Seeufer ab; wahrscheinlich auch die Lasagne, die ich aber sowieso nicht essen würde.
So etwa ab Karlsborg, noch knapp 100 km zu fahren, fühlte ich mich plötzlich richtig gut. Kein Magengrimmen, keine Übelkeit war mehr zu spüren. Außerdem war ich mittlerweile ganz abgetrocknet. Ganz? Nein, nicht ganz. Die Füße waren klatschnass. Das Wasser, das oben in die Schuhe gelaufen war, floss unten nicht raus. Weil ich Angst hatte, dass Wasser durch Lüftungslöcher der Schuhsohlen eindringen würde, hatte ich diese vorher mit Panzertape abgedichtet. Schön blöd von mir.
Die Strecke zwischen Boviken und Aspa zog sich wie immer zäh, aber irgendwann ging es dann doch nach rechts Richtung Hammarsunded. Danach kommt bekanntlich das schlimmste Teilstück. Man fährt von Hammarsunded immer an der Hauptverkehrstraße lang, immer auf und ab, was den Beinen gar nicht mehr gefällt. Viele bekommen dort Krämpfe. Ich diesmal nicht, da ich die zweiten 100 Kilometer gemächlich angegangen war. So hatte ich auf den letzten 100 km ungeahnte Reserven.
Irgendwann ging es dann rechts ab, Richtung Medevi Brunn, von wo es nur noch 25 km ins Ziel sind.
Ich freute mich auf unsere Straßenmalerei und fegte den Berg hoch. Die Schrift war trotz des Regens noch gut zu lesen. Die Leute in Medevi feuerten die Fahrer an und ich gab richtig Gas.
So schnell war ich sicher auf den letzten 25 km noch nie. Blöderweise konnte mir niemand folgen. Alle gingen bzw. fuhren auf dem Zahnfleisch. Erst kurz vor Motala hatte ich eine Gruppe, in die ich mich zeitweise einreihen konnte. Aber auf Höhe unseres Campingplatzes waren sie mir doch zu schnell und ich musste abreißen lassen.
Alleine, aber mit Anschlag, ging es durchs Industriegebiet. Dann 90°-Rechstskurve, 90°-Linkskurve, Zielsprint auf der Uferpromenade.
In 10:28h war ich im Ziel, mit nur einem Stopp (Wasseraufnahme und Wasserlassen). Eine zusätzliche ‚Pause Pipi‘, wie der Franzose sagt, hatte ich nicht gebraucht.
Meine Füße mussten danach lange zum Trocknen an die Luft.
Gefeiert wurde später – auch so ein Ritual – mit Rum, Bier & Co. bis Mitternacht. Dann war mein Akku absolut leer. Thomas und die Rüganer hatten auch hierbei mehr Kondition und blieben noch eine Weile sitzen.
Wieder zuhause
Zuhause habe ich nun sieben Urkunden an der Wand hängen. 2017 soll Urkunde Nr. 8 dazu kommen!
Mein Vätternrundan-Video
Mein Video wird nachgereicht, sobald ich Zeit gefunden habe, es zu schneiden.
Leider hatte ich nicht sofort bemerkt, dass sich meine zweite Fly12 nach 30 Minuten heimlich ausgeschaltet hatte. So habe ich v.a. durch den Regen verschwommene Nachtaufnahmen und Aufnahmen von den letzten 50 km der Rundan.
Das Horst-Video
Horst hatte mein Youtube-Video gesehen, in dem ich eine Weinflasche mit der Luftpumpe entkorke.
Er bat mich, auch ein Video von ihm zu machen, was ich aber vergaß. Tut mir leid, Horst.
Per Zufall filmte ich aber eine Videosequenz mit meinem iPhone. Eigentlich wollte ich Horst bei seiner Rückkehr von der Vätternrundan fotografieren und hatte die Kamera falsch eingestellt.
Lieber Horst, hier ist Dein Video :-). Aber 2017 sollten wir zusammen sitzen, damit ich ein paar Deiner Vätternrundan-Anekdoten im Video festhalten kann.
Hallo, toller Bericht, die Vättern steht auch noch auf meinem Zettel Eine Frage habe ich aber, warum fährst Du eine solche Tour nicht mit einem Nady statt Powerbank????
Weiter so.
VG
Hallo Götz,
mit Nady meinst Du sicherlich einen Nabendynamo, oder? Mein Garmin Edge hält ja in der Regel >10 Stunden. Die Powerbank ist zur Sicherheit. Und da ich nur einmal im Jahr so lange Strecken fahre, habe ich kein Laufrad mit Nabendynamo.
Beste Grüße
Claude
Hallo, dank Dir. Ich dachte nur evtl. gibt es andere Gründe, wie Bremseirkung etc. Da bin ich immer auf der Suche nach Infos Weiter so und viele Grüße