Planung und Vorbereitung fürs Trainingslager
Gerade bereite ich mich auf mein Frühlingstrainingslager auf Mallorca vor. Vom 20. bis 30. März werde ich auf der Insel wieder meine Runden drehen.
Ein Trainingslager ohne Planung, Vorbereitung und konsequente Durchführung ist nicht effektiv. Das weiß ich schon länger.
Profi-Tipps von Tim Böhme

Einer der weiß was zu beachten ist, ist Tim Böhme, Autor des Buches Rennrad-Training, mittlerweile ein anerkanntes Standardwerk, das sicher schon viele von Euch im Regal stehen haben.
Tim Böhme ist übrigens von Haus aus Mountainbiker, Deutscher Meister (Marathon) 2014, und Profi beim Team Bulls. Tim ist aber auch Chef-Coach beim Radlabor in Frankfurt, München und Freiburg und schreibt als Fitness-Experte für die Magazine Roadbike und Mountainbike.
Darüber hinaus publiziert Tim auf seinem Blog Cycling-For-Fit lesenswerte Artikel zum Thema Fitness, Training, Ernährung etc.
Warum aber ist ein MTB-Fahrer Experte in Sachen Rennrad-Training? Nun, 70% des Trainings absolviert ein MTB-Fahrer auf dem Rennrad. Nur fürs spezifische MTB-Training wechselt Tim aufs Mountainbike.
Tim wohnt in Frankfurt, genau wie John Degenkolb. So sieht man die beiden gemeinsam durch den Taunus reiten.
Absa Cape Epic
Das Cape Epic ist eines der spektakulärsten MTB-Etappen-Rennen, das oft mit der Tour de France verglichen wird.
Von morgen, Sonntag dem 13.3.2016 bis Sonntag dem 20.3.2016 gibt Tim mit dem Team Bulls beim Absa Cape Epic richtig Gas. Es ist bereits Tims neunte Teilnahme.
Tim Böhme und Partner Simon Stiebjahn konnten 2014 den dritten Platz belegen. 2015 waren die beiden aber vom Pech verfolgt.
2016 fahren sie zum dritten Mal gemeinsam in Süd-Afrika. #CyclingClaude drückt beide Daumen!

Claude: Tim, erst einmal vielen Dank, dass Du so kurz vor Deinem Start beim legendären Cape Epic noch Zeit für ein Interview hast und den Lesern und mir ein paar Tipps geben kannst.
Während Du in Südafrika Bestleistung bringst, steht für mich und viele Sportfreunde das Frühjahrstrainingslager ins Haus. Manche werden sogar, jetzt wo wir reden, bereits auf einer der sonnigen Mittelmeerinseln sein.
Wie oft im Jahr trainierst Du auf Mallorca?
Tim: Traditionell eröffnen wir Profis die Trainings-Saison dort im Dezember. So bin ich mindestens einmal im Jahr auf der Insel und genieße die ersten großen Umfänge für die kommende Saison dort zu fahren. Im Dezember sind auch viele Profis von der Straße und Mountainbike unten. So hat man auch immer nette Trainingspartner. Das macht Mallorca besonders. Es ist halt ein kleines “deutsches” Dorf ;-).
Claude: Auf Deinem Blog Cycling-for-fit und in Deinem Buch Rennrad-Training hast Du ausführlich erklärt was bei Planung und Durchführung eines Trainingslagers zu beachten ist.
Bevor es bei mir los geht, werde ich etwa 2000 ‚Jahreskilometer‘ in den Beinen haben – ab Weihnachten gerechnet. Das meiste Training fand, den Umständen geschuldet, auf der Rolle statt.
Leider kann ich aber Deine 3-Wochen-Regel in der Vorbereitung nicht einhalten.
In Woche -4 vor Abflug steigerte ich mein Training leicht. Stress- und müdigkeitsbedingt habe ich aber in der wichtigen Woche -3 statt einer 30-50%igen Intensitätsteigerung genau das Gegenteil gemacht. In Woche -2 bin ich ‚im Plan‘ mit weniger Training – wegen mehrerer Geschäftsreisen.
Woche -1 werde ich genauso angehen, obwohl ich Zeit für Training hätte.
Hätte ich Deinen Blogbeitrag auf Cycling-for-fit nicht gelesen, hätte ich Claude-typisch versucht, das versäumte Trainingspensum auf den letzten Drücker nachzuholen.
Du schreibst aber, man solle ausgeruht ins Trainingslager gehen. Wie wichtig ist das wirklich?
Tim: Eigentlich ist das die Regel Nummer 1. Gehst du mit einem hohen Ermüdungslevel ins Trainingscamp, kannst du deine Leistungsfähigkeit nicht verbessern. Das Ergebnis ist dann eher, dass du dich “schwarz” trainierst und am Ende vielleicht schlechter aus dem Trainingslager zurück kommst als du angereist bist, da dein Körper total überlastet ist. Egal wie viel oder wenig man vor der Anreise trainiert hat, die Woche davor heißt es Ruhe einlegen und möglichst frisch anreisen.
Claude: Das eigentliche Trainingslager habe ich so angelegt, dass drei Trainingsblöcke à drei Tage gefahren werden können.
Tim: Das hört sich gut an, solange Du ausgeruht anreist. Würdest Du, wie eben erklärt, mit hohem Ermüdungslevel starten, wären drei Dreierblocks entweder kaum machbar oder wenig effektiv.
Claude: Am ersten und letzten Tag will ich es langsam und etwas kürzer angehen lassen, mit etwa drei Stunden GA1/2, zumal der letzte Trainingstag auch der Abreisetag sein wird.
Tim: Genau richtig geplant. Mehr als 2 bis 3 Stunden sollten es zu Beginn und am Ende nicht sein.
Claude: Die anderen Tage stelle ich mir so vor, dass ich immer so zwischen 100 und 120 km fahre, mal bergiger, mal flacher, einmal möchte ich aber die 150 km knacken macht das Sinn und auf was sollte ich noch achten? Ist es bspw. besser immer einfach ‚am Stück‘ zu trainieren oder bringen getrennte Vormittags- und Nachmittagseinheiten mehr?
Tim: Während der ersten Tage solltest Du das Training langsam steigern. So stellt sich zunächst die Frage nach ,Vormittags- und Nachmittagseinheit‘ gar nicht.
Wie viel bzw. wie lange Du trainierst hängt auch davon ab, wie viel Du zuhause vorgearbeitet hast.
Die Verdoppelung des Trainingspensums im Vergleich zu zuhause ist machbar. Man sollte aber in der Regel auch im Trainingslager nicht mehr als 25 Stunden die Woche und nicht mehr als fünf bis sechs Stunden am Tag trainieren.
Auch ein 150-km-Ritt kann sinnvoll sein. Gut möglich, dass Du dann an die Sechsstundengrenze kommst.
Moderat und mit einer guten Mittagspause gibt das aber sicher eine schöne Grundlageneinheit.
Claude: Was ist mit frühem Nüchterntraining, dann Frühstück und dann einer längeren Einheit?
Tim: Das kann man machen, muss man aber nicht. Nüchterntraining soll den Körper trainieren, Fett besser zu verstoffwechseln. Das ist für manche Stoffwechsel-Typen durchaus empfehlenswert. Allerdings ist das eher ein Training für zuhause, bspw. früh morgens für eine Stunde locker auf der Rolle.
Claude: Soll ich Intervalle einschieben, auf Anstiegen lange an der Schwelle bleiben oder kommt es hauptsächlich auf die Grundlage an?
Tim: Im Trainingslager soll die Grundlage für die Saison gelegt werden. Du darfst also keinesfalls überziehen, wenn Du Intervalle einbaust. So würde ich dir eher davon abraten und dir empfehlen, den Fokus auf eine Sache zu legen, deine Verbesserung der Ausdauerleistungsfähigkeit, gerne aber auch in welligem bis bergigem Terrain.
Es geht auch nicht darum, einen möglichst hohen Schnitt zu fahren, Bergpreise zu gewinnen oder die Trainingspartner abzuhängen … auch wenn das manchmal reizvoll erscheint. Eine hohe Kilometerleistung muss nicht positiv sein, v.a. wenn sie dadurch erzielt wurde, dass Du ständig am Anschlag gefahren bist.
Optimal ist es, wenn Du konsequent Deine Intensitätsbereiche einhältst. Deshalb macht es Sinn, kurz vorher einen Leistungstest gemacht zu haben.
Wie sieht das bei Dir aus?
Claude: Ähm.
Tim: Du solltest mal wieder im Radlabor vorbei schauen, dann könntest Du diese Frage besser beantworten ;-).
Claude: Wie sollten die Sportfreunde trainieren, die zwar längerfristig das Trainingslager geplant haben, dann aber wider Erwarten bei Abflug kaum oder keine Trainingskilometer in den Beinen haben?
Tim: Hat man noch keine oder wenige Kilometer in den Beinen, muss man das bei Intensität und Umfamg berücksichtigen. Grundlagen legen kann man allemal, auch wenn man auf niedrigerem Niveau anfängt. Anderen beweisen zu wollen, was man trotzdem drauf hat, tut nicht gut. Überziehen bringt nichts.
Claude: Was ist in Sachen Regeneration zu beachten?
Tim: Ausreichend Schlaf ist wichtig. Manchen Sportfreund zieht es jedem Abend auf die Schinkenstraße statt aufs Zimmer. Das gehört zwar auch dazu, aber sollte nicht die Regel sein. Ansonsten sollen Ruhetage eingeplant und konsequent eingehalten werden. Am Ruhetag sollte man nicht aufs Rad oder lediglich locker und kurz im Kompensationsbereich fahren. Falls Massagen angeboten werden, solltet ihr das nutzen.
Claude: Tim, in der neuen April-Ausgabe der Roadbike gibt es einen Mallorca-Schwerpunkt. Es werden auch die ,Mallorca Top10′, also die Top Spots Mallorcas vorgestellt. Mein persönlicher Favorit, der Puig de Randa landete bei Roadbike auf Platz 7 und mein ‚Sweet-Spot‘ Petra sogar auf Platz 3 – sicher, wie bei mir, des Kuchens wegen.
Was ist Dein Top-Spot auf der Insel und warum?
Tim: Mein Top-Spot ist da eher etwas unspektakulär. Café de Commerce in Santa Maria(*), dort ist unser “place to be” und die letzte Einkehr nach einem langen Trainingstag, danach geht es noch eine Stunde Heim zum 2. Top-Spot , die Küstenstraße entlang der Ballermänner… wenn man da zum Sonnenuntergang reinkommt, den ganzen Tag im Sattel war, dann ist das schon sehr geil.
Claude: Vielen Dank für das Gespräch und die guten Tipps. Ich drücke Dir und den Teamkollegen die Daumen für das Cape Epic. Kommt alle gut durch und fahrt vorne mit.
(*) Santa Maria del Cami liegt ca. 20 Autominuten vom Flughafen Palma de Mallorca entfernt, auf halbem Weg nach Inca.
Claude, der Artikel gefällt mir ausgezeichnet. Es ist schön das du Tim Böhme als Interview Partner gewinnen konntest und seine Tipps sollten sich viele Radler zu Herzen nehmen.
Allerdings bin ich mir nicht sicher, ob man bei einem Trainingslager Ende März wirklich voll auf Grundlage setzen sollte? Meine Saison beginnt Mitte April und ich glaube meine Trainerin würde mir schon ordentlich Bergintervalle in den Plan schreiben. Ich denke hier ist die Periodisierung wichtig und je nach Saisonstart die andere Empfehlung besser.
Viele Grüße und ein schönes Trainingslager
Daniel
Hallo Daniel, da gebe ich Dir grundsätzlich recht, und Tim sicher auch, Wenn Deine Wettkampfsaison schon im April beginnt, wäre reine Grundlage Ende März nicht o.k.
Mein erster Wettkampf steht am 1. Mai an, aber der ist Spaß. Saisonhöhepunkt sind die 300 km Mitte Juni und dafür muss ich jetzt die Grundlage legen.
Tim schreibt aber auch ‚gerne aber auch in welligem bis bergigem Terrain‘. D.h. schon, dass nicht nur im GA1/2 gefahren wird.
Beste Grüße, ich werde aus dem Tainingslager berichten 🙂
Claude