Vergangenes Wochenende war es endlich soweit: Besuch bei ‚Lizzy‘ Elizabeth in London. Zusammen mit Stefan und Thomas von Rennrad FFM bin ich Freitagmorgen mit dem Auto aus Frankfurt los und mit der Fähre ‚Calais-Dover‘ auf der Insel eingefallen.
Nach Chek-in im Hotel ging es zum Messezentrum London Excel, wo es die Startunterlagen gab.
Alles war bestens organisiert und so bekam ich meine Startunterlagen sogar ohne den ausgedruckten Anmeldezettel, den ich trotteligerweise im Hotel vergessen hatte.
Erstes Highlight war der Thron von Bradley Wiggins, auf dem er saß, nachdem er sein olympisches Gold gewonnen hatte. Samstagmorgen warfen wir uns in das Rennrad-FFM-Dress und haben uns in Bradley-Pose auf dem Thron fotografieren lassen. Wegen meiner ‚old English side burns‘, den Koteletten, hätte ich fast für Sir Bradley durch gehen können, wie ich finde.
Danach sind wir dann zum London Free Cycle gefahren. Insgesamt waren 8 Meilen in der Innenstadt gesperrt, die an Tower Bridge, House of Parliament, Buckingham Palace etc. vorbei führten.
Leider waren noch 50.000 andere mit auf der Strecke, sodass es reichlich voll war. Dennoch haben wir schöne Fotos gemacht und eine tolle Erinnerung behalten.
Abends sind wir dann den Weg vom Hotel zum Olympiastadion abgefahren, um früh morgens keine Probleme haben.
Unser Hotel lag gar nicht mal so schlecht. In weniger als einer halben Stunde Fahrtzeit war die Strecke zu schaffen.
Dennoch mussten wir Sonntag sehr zeitig aufstehen. Stefans Startzeit war 6:02 Uhr, meine 6:04 Uhr und Thomas war für 6:20 Uhr eingeteilt. Da der Veranstalter meinte, man müsse eine Stunde vorher vor Ort sein, wollten wir gegen 4:15 Uhr vom Hotel abfahren. Da ich vorher gut frühstücken und wach werden wollte, klingelte mein Wecker bereits um 3:00 Uhr.
Ausgeruht war ich also nicht unbedingt, zumal wir Freitag viel Guinness getrunken hatten und ich am Tag zuvor exzessiv auf dem Dietzenbacher Weinfest unterwegs gewesen war.
Dennoch war ich motiviert und positiv aufgeregt.
Los ging es im fliegenden Start, bei dem erst nach ca. 3 km die Zeitnahme startete. Ausgerüstet mit 2 Litern Getränk und genügend Gels war ich auf einer ‚Null-Stopp-Strategie‘. Blöderweise musste ich dann bereits nach 60 km pinkeln, was ich sofort tat, als andere Fahrer das Gleiche machten. Obwohl der Veranstalter darauf hingewiese hatte, dass man in England in der Öffentlichkeit nicht Pinkeln darf, suchten wir die nächstmögliche Stelle mit günstiger Bewachsung, die von Streckenwächtern nicht einsehbar war.
Bis zur Pinkelpause hatte ich übrigens einen 34,5er Schnitt. Vor allem zu Anfang, innerhalb Londons, war die Geschwindigkeit im Feld sehr hoch. Nach meiner Pause versuchte ich eine etwas langsamere Gruppe zu erwischen. Es lagen ja noch 100 km vor mir, die ich sicher nicht mit so einem Schnitt durchfahren konnte.
Leider waren alle folgenden Gruppen ähnlich schnell unterwegs, sodass ich zunächst einmal mit fuhr.
Nach dem ersten knackigen Anstieg, der teilweise 17 % hatte, ging es in eine schöne lange Abfahrt, aus der heraus ich wieder voll in den Antritt ging. Dabei merkte ich, dass meine rechte Wade leicht krampfte. Oh Schreck! Sofort nahm ich Geschwindigkeit raus und ging es langsamer an. So musste ich oft alleine fahren, außer wenn ich mich kurze Zeit hinter noch langsameren Fahrern ausruhen konnte.
Darüber hinaus musste ich mit der Wade über ‚Leith Hill‘ und ‚Box Hill‘. Box Hill ist in der Radssportwelt bekannt, weil er beim 2012er Olympiarennen neunmal bezwungen werden musste. Leith Hill war auch Teil der Olympiastrecke. Den kennt aber niemand. Allerdings ist er um einiges härter als Box Hill, wie jeder am eigenen Leib erfahren durfte.
Meistern konnte ich beide – leider aber langsam, sitzend und im kleinsten Gang, um meine Wade zu schonen. Wie gerne hätte ich meine Stärke am Berg ausgespielt und wäre an dem ein oder anderen vorbei gefahren. Aber was nichg geht, geht nicht, wie ich zu sagen pflege.
Insgeheim versuchte ich es mit dem, was ich auf der Schlani bei Bernie im Glücksyoga gelernt hatte. Ich konzentrierte mich auf die Wade und dachte unentwegt ‚der Muskel wird locker, der Muskel entspannt, der Muskel wird locker, der Muskel entspannt, …‘.
Irgendwie schien das zu helfen, denn die Wade fühlte sich nach 110 km wieder lockerer an.
Einer Tempoverschäfung stand also nichts im Wege und ich gab Gas. In Teilbereichen legte ich einen 37er Schnitt hin, wie ich hinterher auf meinem Garmin sah.
Leider war das wieder zuviel des Guten. Bei Streckenkilometer 142 kam der Hammer. Mein kompletter rechter Oberschenkel machte auf der Innenseite zu. Der Schmerz war heftig, aber ich konnte das Rad anhalten und absteigen, ohne auf die Nase zu fallen.
Ich stand mitten auf der Strecke, innerorts, und hielt mich an einem 1,40 m hochen Pylon fest. Gleichzeitig versuchte ich mein Rad zu halten und den Oberschenkel zu lockern. Nach einigem Minuten war es besser, sodass ich mit Dehnübungen beginnen konnte.
Dabei sah ich Thomas an mir vorbei fahren und freute mich, dass er auf dem Weg zu einer guten Fahrtzeit war.
Nach einigen weiteren Minuten stieg ich wieder aufs Rad und schaffte es irgendwie, bis London zu kommen, allerdings wieder ohne größeren Windschatten. Dennoch waren die letzten Kilometer im London ein Erlebnis. Viele Menschen standen an den Absperrungen und feuerten mich an. Der letzte Kilometer zum Ziel, den Buckingham Palace im Blick, gesäumt von Union-Jacks am Straßenrand, war ein erhebendes Erlebnis.
Mit einer Fahrzeit von 5:16 h auf 160 km, also mit >30,5er Schnitt kann ich sehr zufrieden sein. Stefan schaffte übrigens 4:38 h und Thomas 4:40 h.
Mit mehr Magnesium und einigen Guinness und Wein weniger, hätte ich die 5 h knacken können. Aber was nicht ist, kann ja in 2014 werden, falls ich wieder Losglück haben sollte.
Bleibt noch zu erwähnen, dass ich anscheinend in geistiger Umnachtung die Videokamera ausgeschaltet habe, als ich auf die Zielgerade einbog. Das ist selten dämlich von mir.
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